Online-Nachricht - Donnerstag, 29.06.2023

u.a. Einkommensteuer | Besteuerung von Gewinnen aus Online-Poker (BFH)

Auch Gewinne aus dem Online-Pokerspiel (hier: in der Variante "Texas Hold'em") können als Einkünfte aus Gewerbe­betrieb der Einkommen­steuer unter­liegen (Fortführung der BFH-Urteile v. 16.9.2015 X R 43/12, BFHE 251, 37, BStBl II 2016, 48 [Turnier­poker] und v. 25.2.2021 - III R 67/18, BFH/NV 2021, 1070 [Casinopoker]: BFH, Urteil v. 22.2.2023 - X R 8/21; veröffent­licht am 29.6.2023).

Hintergrund: Unter Gewerbebetrieb ist eine selbständige nachhaltige Betätigung zu verstehen, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unter­nommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist (§ 15 Abs. 2 Satz 1 EStG). Hinzu­kommen muss, dass die Grenzen der privaten Vermögens­verwaltung überschritten sind.

Sachverhalt: Der Kläger vollendete im Streitjahr 2009 das 20. Lebensjahr. Er war Mathematik­student und wohnte noch bei seinen Eltern. Im Jahr 2007 hatte er mit dem Online-Pokerspiel begonnen, dabei bevorzugte er Cash Games (Einzelspiele) in der Variante "Texas Hold'em/Fixed Limit". Die Einsätze beliefen sich zunächst auf 0,10 bis 0,25 US $ pro Spiel, im Jahr 2008 auf etwa 0,25 bis 0,50 US $ pro Spiel. Seine Gewinne betrugen im Jahr 2007 ca. 250 US $ und im Jahr 2008 ca. 1.000 US $. Im Jahr 2008 nahm er an zwei Online-Turnieren auf einem Internet-Portal teil. Er wandte für die Pokerspiele in dieser Zeit etwa fünf bis zehn Stunden im Monat auf. Seit 2008 nutzte der Kläger während seiner Online-Spiele eine Analysesoftware, die umfangreiche statistische Auswer­tungs­möglich­keiten über das Spielverhalten der jeweiligen Mitspieler während ihrer Spiele mit dem Kläger bietet.

Im Streitjahr 2009 spielte der Kläger bei vier Online-Portalen und erzielte dabei einen Gewinn von in Höhe von 82.826,05 €. An Turnieren nahm er nicht teil. Seine Einsätze wuchsen von einstelligen US $-Beträgen zu Jahresbeginn auf niedrige zweistellige Beträge an und erreichten im Höchstmaß 50 US $. Er spielte an bis zu vier virtuellen Tischen parallel. Von den Online-Portalen wurde für den Zeitraum von Juli bis Dezember 2009 eine Gesamtspielzeit des Klägers von 673 Stunden registriert; seine Nettospielzeit die wegen des gleich­zeitigen Spielens auf mehreren Portalen geringer ist - betrug für das gesamte Jahr 2009 ca. 446 Stunden (davon Juli bis Dezember 2009: 351 Stunden).

Aus seiner Tätigkeit als Pokerspieler erklärte der Kläger in seinen Einkommen- und Gewerbesteuererklärungen die folgenden Gewinne aus Gewerbe­betrieb, die er anhand der Aufzeichnungen der Online-Portale ermittelt und um einen Sicherheits­zuschlag erhöht hatte:

2009: 105.000 €,
2010: 445.000 €,
2011: 645.000 €,
2012: 735.000 €,
2013: 400.000 €.

Nachdem ihn das FA erklärungsgemäß veranlagt hatte, legte der Kläger gegen die entsprechenden Bescheide Einsprüche ein, weil er die Auffassung vertrat, bei der von ihm gespielten Online-Pokervariante handele sich um ein Glücksspiel, so dass die Gewinne nicht einkommen­steuerbar seien. Das FA wies die Einsprüche zurück. Die hiergegen gerichtete Klage hatte teilweise Erfolg. Das FG vertrat die Ansicht, dass der Kläger erst seit Oktober 2009 gewerblich tätig gewesen sei (FG Münster, Urteil v. 10.3.2021 - 11 K 3030/15 E,G, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 1.6.2021).

Die Richter des BFH wiesen die Revision des Klägers zurück:

  • Vorliegend sind die Voraus­setzungen eines Gewerbe­betriebs erfüllt. Der Kläger ist selbständig tätig geworden und hat mit Gewinn­erzielungs­absicht gehandelt.
  • Darüber hinaus ist er auch nachhaltig tätig geworden. Darauf, dass der Kläger sich nach eigenen Angaben mit den Pokerspielen keine ständige Erwerbs­quelle erschließen wollte, kommt es nicht an. Eine auf die Schaffung einer ständigen Erwerbsquelle gerichtete Absicht ist auch dann gegeben, wenn das finanzielle Ergebnis der Tätigkeit nach den individuellen Verhältnissen des Steuer­pflichtigen zum Bestreiten seines Lebens­unterhalts nicht erforderlich ist, sondern in vollem Umfang angespart werden kann.
  • Ferner hat sich der Kläger mit seiner Online-Pokerspiel­tätigkeit am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt. Bereits im Urteil v. 11.11.1993 - XI R 48/91 (BFH/NV 1994, 622), das die Kartenspiele Skat, Rommé und Backgammon betraf, hat der BFH die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr für einen "Berufskartenspieler" bejaht, der dieser Tätigkeit ohne einen externen Veranstalter mehrere Stunden täglich mit erheblichem wirtschaft­lichen Erfolg nachging. Ebenso wie im BFH-Urteil in BFH/NV 1994, 622 lag die Leistung des Klägers in der Teilnahme an den Spielen und in der Zusage, seinen Einsatz zu erbringen. Er bot seine Leistung in einem Umfeld - den Online-Pokerspiel­portalen - an, das in besonderem Maße von der Anwesenheit spielgeneigter Personen geprägt wird.
  • In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das FG zudem entschieden, dass die Pokerspieltätigkeit des Klägers den Rahmen der privaten Vermögens­verwaltung überschritten hat. Die erforderliche Abgrenzung zu privaten Tätigkeiten richtet sich bei Spielern ebenso wie bei Sportlern danach, ob der Steuer­pflichtige mit seiner Betätigung private Spielbedürfnisse gleich einem Freizeit- oder Hobbyspieler befriedigt oder ob in der Gesamtschau strukturell-gewerbliche Aspekte entscheidend in den Vordergrund rücken. Für das insoweit maßgebliche "Leitbild eines Berufsspielers" ist vor allem das planmäßige Ausnutzen eines Marktes unter Einsatz "beruflicher" Erfahrungen prägend.
  • Bei einem Online-Pokerspieler ist der Raum, in dem sich der Computer befindet, von dem aus der Spieler seine Tätigkeit ausübt, als Betriebs­stätte anzusehen, wenn der Steuerpflichtige über diesen Raum eine nicht nur vorüber­gehende Verfügungs­macht hat. Sofern diese Betriebs­stätte sich im Inland befindet, unterliegt die Tätigkeit der Gewerbesteuer (Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 25.2.2021 III R 67/18, BFH/NV 2021, 1070, Rz 28 [Casinopoker]).

 
Quelle: BFH, Urteil v. 22.2.2023 - X R 8/21; NWB

 
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im X. Senat des BFH Prof. Dr. Gregor Nöcker gelangen Sie hier (Login erforderlich).

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