Online-Nachricht - Donnerstag, 03.08.2023

Gewerbesteuer | Erweiterte Kürzung bei Erhalt einer Schluss­zahlung (BFH)

Beseitigen die Miet­vertrags­parteien den fortbestehenden Streit über die Wirksamkeit des Mietvertrags vor Überlas­sung des Mietobjekts dadurch, dass sie das Miet­verhält­nis übereinstimmend für beendet erklären und der Mieter zur Abgeltung sämtlicher wechsel­seitiger Ansprüche aus oder im Zusammen­hang mit dem Mietvertrag eine Schluss­zahlung an den Vermieter entrichtet, stellt diese Schluss­zahlung eine Frucht­ziehung aus zu erhaltender Substanz dar. Sie unterliegt der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG (BFH, Urteil v. 25.5.2023 - IV R 33/19; veröffentlicht am 3.8.2023).

Hintergrund: Nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG wird die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um 1,2 % des Einheitswerts des zum Betriebs­vermögen des Unternehmers gehörenden und nicht von der Grundsteuer befreiten Grundbesitzes gekürzt (sog. einfache Kürzung). An Stelle der Kürzung nach Satz 1 tritt nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapital­vermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilien­häuser oder Eigentums­wohnungen errichten und veräußern, die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt (sog. erweiterte Kürzung). Der Zweck der erweiterten Kürzung besteht darin, die Erträge aus der bloßen Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes von der Gewerbesteuer zum Zweck der Gleichbehandlung mit Steuerpflichtigen freizustellen, die nur private Vermögensverwaltung betreiben.

Sachverhalt: Die Klägerin war eine gewerblich geprägte GmbH & Co. KG, die ein Geschäftsgebäude errichtete und während der Herstellung bereits einen Mietvertrag mit X über eine Vermietung für 15 Jahre ab 1.8.2012 abschloss; die jährliche Miete sollte 2,4 Mio. € betragen.

In der Folgezeit kam es zu Verzögerungen bei der Herstellung, auch weil X Sonderwünsche äußerte, und zu verschiedenen Verschiebungen des Mietbeginns, zuletzt auf den 21.7.2015. Schließlich einigten sich die Klägerin und X im August 2015 auf eine Aufhebung des Mietvertrags und auf Zahlung eines „Schadensersatzes“ durch X i. H. von 4.750.000 €. Zu diesem Zeitpunkt war X noch nicht eingezogen.

Das Finanzamt versagte der Klägerin die erweiterte Kürzung auf den Gewinn 2015 i. H. von ca. 3,3 Mio. €, in dem die Zahlung von 4.750.000 € enthalten war. Es begründete dies damit, dass die Klägerin ihr Gebäude im Jahr 2015 tatsächlich nicht vermietet habe, weil X nicht eingezogen sei (s. BBK 11/2020 S. 504).

Die Revision des FA war unbegründet und wurde zurückgewiesen:

  • Das FG hat der Klägerin - entgegen der Ansicht des FA - zu Recht im Rahmen der Festsetzung des Gewerbe­steuer­messbetrags 2015 die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG im beantragten Umfang gewährt.
  • § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG knüpft allerdings nicht an die einkommen­steuer­rechtliche Qualifizierung der durch die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes erzielten Einkünfte als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung an. Daher schließen zum Beispiel Erträge aus der gelegentlichen Veräußerung von Grundbesitz (Einkünfte gem. § 23 EStG) oder Erträge aus der Übernahme der dinglichen Haftung durch Belastung des eigenen Grundbesitzes (Einkünfte gem. § 22 Nr. 3 EStG) die erweiterte Kürzung nicht aus (BFH, Urteil v. 13.8.1997 - I R 61/96).
  • Nach dem mit dieser Vorschrift verfolgten Zweck ist die erweiterte Kürzung erst dann ausgeschlossen, wenn die Verwaltung oder Nutzung des eigenen Grundbesitzes die Grenzen zur Gewerblichkeit überschreitet (z.B. BFH, Urteil v. 17.1.2006 - VIII R 60/02).
  • Die neben der Vermögensverwaltung des Grundbesitzes erlaubten (kürzungs­unschädlichen), jedoch nicht begünstigten Tätigkeiten sind in § 9 Nr. 1 Satz 2 und 3 GewStG abschließend aufgezählt (z.B. BFH, Urteil v. 22.10.2020 - IV R 4/19). Darüber hinaus liegen nach ständiger Rechtsprechung des BFH Nebentätigkeiten dann noch innerhalb des von dem Ausschließlichkeitsgebot gezogenen Rahmens und sind ausnahms­weise kürzungs­unschädlich, wenn sie der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes im engeren Sinn dienen und als zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücks­verwaltung und -nutzung angesehen werden können. Ist der Umfang einer derartigen Nebentätigkeit gering, kommt es nicht zur Versagung der erweiterten Kürzung wegen Verstoßes gegen das Ausschließlichkeitsgebot (z.B. BFH, Urteil v. 22.10.2020 - IV R 4/19).
  • Die im Streitjahr infolge der Beendigung des Mietvertrags vereinbarte - von der Mieterin an die Klägerin zu leistende Zahlung i. H. von 4.750.000 € stellt eine den eigenen Grundbesitz betreffende Fruchtziehung aus zu erhaltender Substanz dar.
  • Die Anwendung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG setzt nicht voraus, dass die Einnahmen nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt unmittelbare Gegenleistung für die Überlassung der Nutzung des Mietobjekts sind. Anderenfalls wäre es nicht möglich, auch Einnahmen aus der gelegentlichen Veräußerung von Grundbesitz oder Einnahmen aus der Übernahme der dinglichen Haftung durch Belastung des eigenen Grundbesitzes der erweiterten Kürzung zu unterwerfen. Denn auch derartige Einnahmen sind keine Gegenleistung für die Überlassung des Gebrauchs oder der Nutzung des Mietobjekts (im engeren Sinne). Maßgeblich bleibt, dass die Einnahmen aus Tätigkeiten stammen, die der Nutzung und Verwaltung des eigenen Grundbesitzes zuzuordnen sind.
  • Ebenso bewegt sich die Geltendmachung möglicher Schadensersatzansprüche des Vermieters gegen den Mieter, aber auch umgekehrt die Begleichung möglicher Schadens­ersatz­ansprüche durch den Vermieter gegenüber dem Mieter im Rahmen der Nutzung und Verwaltung des eigenen Grundbesitzes. Eine andere Beurteilung hätte das sinnwidrige Ergebnis zur Folge, dass der Vermieter auf die Geltendmachung möglicher Schadens­ersatz­ansprüche verzichten müsste, um die erweiterte Kürzung nicht zu gefährden. Gleiches muss auch dann gelten, wenn der Schadensersatz gegebenenfalls mögliche, beim Vermieter eingetretene Substanzschäden mitumfassen sollte. Denn es kann für die Anwendung der erweiterten Kürzung keinen Unterschied machen, ob ein Grundstücksunternehmen in seiner Substanz unbeschädigt geblieben ist oder ob es sich nach Eintritt eines Substanzschadens beim Mieter schadlos hält. Einem berechtigten Schadens­ersatz­anspruch des Mieters könnte sich der Vermieter ohnehin nicht entziehen.
  • Im Übrigen verdeutlicht das BFH-Urteil v. 21.8.1990 - VIII R 17/86, dass der Eigentümer mit dem Empfang einer Abstandszahlung vor Überlassung des Mietobjekts Einkünfte nach § 24 Nr. 1 Buchst. a i. V. mit § 21 EStG erzielt und damit den Bereich der privaten Vermögensverwaltung gerade nicht verlässt. Mit Blick auf den Sinn und Zweck des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG, vermögens­verwaltende Grundstücks­unternehmen, deren Einkünfte nur kraft Rechtsform der Gewerbesteuer unterliegen, den vermögens­verwaltenden Einzel- und Personenunternehmen gleichzustellen, kann es daher auch bei gewerblich geprägten Personen­gesellschaften für die Gewährung der erweiterten Kürzung nicht entscheidend sein, ob das Mietobjekt bereits zur Nutzung überlassen ist.

 
Quelle: BFH, Urteil v. 25.5.2023 - IV R 33/19; NWB Datenbank (JT)

 
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