Online-Nachricht - Donnerstag, 03.08.2023
Einkommensteuer | Objektverbrauch bei der Begünstigung selbstbewohnter Baudenkmäler (BFH)
Die in § 10f Abs. 3 Satz 1 EStG enthaltene Beschränkung der Inanspruchnahme von Abzugsbeträgen nur "bei einem Objekt" bedeutet, dass der Steuerpflichtige von der Steuervergünstigung auf seine Lebenszeit bezogen nur für ein selbstbewohntes Baudenkmal Gebrauch machen kann. Insoweit tritt durch die Inanspruchnahme einer Steuervergünstigung nach § 10f Abs. 1 EStG ein Objektverbrauch ein. Die Vorschrift verhindert die Inanspruchnahme der Vergünstigung für mehr als ein Objekt nicht nur in demselben Veranlagungszeitraum nebeneinander, sondern auch in mehreren Veranlagungszeiträumen nacheinander (BFH, Urteil v. 24.5.2023 - X R 22/20; veröffentlicht am 3.8.2023).
Hintergrund: Nach § 10f Abs. 1 Satz 1 EStG kann der Steuerpflichtige Aufwendungen an einem eigenen Gebäude im Kalenderjahr des Abschlusses der Baumaßnahme und in den neun folgenden Kalenderjahren jeweils bis zu 9 Prozent wie Sonderausgaben abziehen, wenn die Voraussetzungen des § 7h EStG oder des § 7i EStG vorliegen. Dies gilt nur, soweit er das Gebäude in dem jeweiligen Kalenderjahr zu eigenen Wohnzwecken nutzt und die Aufwendungen nicht in die Bemessungsgrundlage nach § 10e EStG oder dem Eigenheimzulagengesetz (EigZulG) einbezogen hat (Satz 2).
Gemäß § 10f Abs. 3 Satz 1 EStG kann der Steuerpflichtige die Abzugsbeträge nur bei einem Gebäude in Anspruch nehmen. Ehegatten, bei denen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG vorliegen, können die Abzugsbeträge nach den Abs. 1 und 2 bei insgesamt zwei Gebäuden abziehen (Satz 2). Sind mehrere Steuerpflichtige Eigentümer eines Gebäudes, so ist Abs. 3 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Anteil des Steuerpflichtigen an einem solchen Gebäude dem Gebäude gleichsteht (§ 10f Abs. 4 Satz 1 EStG).
Sachverhalt: Der Kläger ist Eigentümer einer Wohnung (Wohnung I). Für im Jahr 2006 getätigte Erhaltungsmaßnahmen hatte er für die Wohnung I ab diesem Jahr eine Steuerbegünstigung nach § 10f EStG in Anspruch genommen. Im Jahr 2013 zog er aus dieser Wohnung in die in seinem hälftigen Eigentum stehende Wohnung II um.
Das FA ließ den zunächst für das Streitjahr 2015 gewährten Abzugsbetrag nach § 10f EStG für die Wohnung II außer Ansatz. Die Begünstigung des § 10f Abs. 3 Satz 1 EStG könne nur bei einem einzigen Objekt in Anspruch genommen werden; dies sei bereits bei der Wohnung I geschehen. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg (Vorinstanz: FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 27.5.2020 - 14 K 14248/17).
Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:
- Der Senat versteht die Regelungen in § 10f EStG dahingehend, dass der Steuerpflichtige von der Steuervergünstigung im Verlauf seines Lebens nur für ein einziges Gebäude beziehungsweise einen gleichstehenden Miteigentumsanteil Gebrauch machen kann.
- Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, nach dem der Steuerpflichtige die Abzugsbeträge nur bei "einem" Gebäude in Anspruch nehmen kann (vgl. § 10f Abs. 3 Satz 1 EStG).
- Auch die systematische Auslegung des § 10f Abs. 3 Satz 1 EStG bestätigt die Wortlautinterpretation: Verstünde man das "einem" in § 10f Abs. 3 Satz 1 EStG als unbestimmten Artikel, käme der Bestimmung gegenüber der Regelung in § 10f Abs. 1 Satz 1 EStG keinerlei Bedeutung zu. Sie würde nichts regeln und wäre damit redundant.
- Auch ein Vergleich mit den §§ 7h und 7i EStG stützt diese Auffassung: § 10f EStG enthält eine steuerliche Abzugsmöglichkeit für privat veranlasste Aufwendungen, die ohne diese Regelung steuerlich außer Acht zu lassen wären. Demgegenüber beinhalteten die in §§ 7h und 7i EStG geregelten Begünstigungen eine steuerlich günstigere Verteilung des ohnehin als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abzugsfähigen Aufwands. Dies macht deutlich, dass keine Veranlassung besteht, die Steuervergünstigung des § 10f Abs. 1 EStG als möglichst weitgehend zu begreifen, da der begünstigte Aufwand nicht bereits aus allgemeinen systematischen Erwägungen steuerlich beachtlich, vielmehr im Ausgangspunkt - weil privat veranlasst - unbeachtlich ist.
- Ebenfalls spricht eine historische Auslegung der Norm für einen Objektverbrauch. Eingeführt wurde die Regelung des § 10f EStG wurde durch das Wohnungsbauförderungsgesetz vom 22.12.1989 (BGBl I 1989, 2408). Mit § 10f Abs. 1 EStG sollte die bisherige (begrenzte) Abzugsmöglichkeit für Aufwendungen an eigengenutzten Baudenkmalen und Gebäuden in Sanierungsgebieten und städtebaulichen Entwicklungsbereichen nach § 52 Abs. 21 Satz 6 i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. x EStG und § 82g der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) sowie § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. y EStG und § 82i EStDV an die neu eingefügten §§ 7h und 7i EStG angepasst und als Dauerregelung ausgestaltet werden (BT-Drucks 11/5680, S. 13).
- Durch § 10f Abs. 3 EStG wurde die Inanspruchnahme der Steuervergünstigung auf ein zu eigenen Wohnzwecken genutztes Objekt "beschränkt" (BT-Drucks 11/5680, S. 13). Zudem enthält die Gesetzesbegründung den Hinweis, die Beschränkung auf ein Objekt lehne sich "an die Regelung des § 10e EStG an" (BT-Drucks 11/5680, S. 13). In § 10e Abs. 4 Satz 1 EStG war bestimmt, dass der Steuerpflichtige die Abzugsbeträge "nur für eine Wohnung oder für einen Ausbau oder eine Erweiterung abziehen" könne, was nach allgemeiner Ansicht einen Objektverbrauch regeln sollte (vgl. Pfützenreuter, EFG 2021, 629).
- Auch die teleologische Auslegung führt zu keinem anderen Ergebnis: Zwar steht der Begünstigungszweck der Norm der Förderung eines Zweitobjekts nicht entgegen. Jedoch ließe ein solches Verständnis die Regelung des § 10f Abs. 3 EStG außer Betracht, nach welcher der vom Gesetzgeber vorgesehene Förderumfang von vornherein auf ein einziges (nicht austauschbares) Gebäude beschränkt worden ist.
Quelle: BFH, Urteil v. 24.5.2023 - X R 22/20; NWB Datenbank (il)
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