Online-Nachricht - Donnerstag, 17.08.2023

Lohnsteuer | Haftung für Lohnsteuer – Zufluss von Arbeits­lohn bei Wertgut­haben (BFH)

Arbeitslohn (hier: eine Entl­assungs­entschädi­gung) fließt dem Arbeit­nehmer auch dann nicht zu, wenn die Verein­barung über die Zuführung zu einem Wertgut­haben des Arbeit­nehmers oder die verein­barungs­gemäße Über­tragung des Wertgut­habens auf die DRV Bund sozial­versiche­rungs­rechtlich unwirksam sein sollten, soweit alle Beteiligten das wirt­schaft­liche Ergebnis gleich­wohl eintreten und bestehen lassen (Anschluss an BFH-Urteile v. 22.6.2018 - VI R 17/16, BStBl II 2019, 496 und v. 4.9.2019 - VI R 39/17, BFH/NV 2020, 85: BFH, Urteil v. 3.5.2023 - IX R 25/21; veröffent­licht am 17.8.2023).

Sachverhalt: Die Klägerin schloss mit dem Betriebsrat aufgrund von Umstruk­turierungs­maßnahmen einen Interessen­ausgleich mit dem Ziel, Personal abzubauen. Darin wurde aus­scheidenden Arbeit­nehmern eine „Freiwilligen-Abfindung“ (Freiwilligen­programm) zugesagt, welche mit der Beendigung des Arbeits­verhältnisses fällig wurde. Es wurde die Möglichkeit einge­räumt, die Abfindungs­leistung in das für sie geführte Langzeit­konto einzubringen. Das aufgestockte Wertgut­haben sollte nach Ende der Beschäftigung nach § 7f SGB IV auf die Deutsche Renten­versicherung Bund (DRV) übertragen werden. Die Klägerin unterwarf die Abfindungen, soweit sie dem Langzeit­konto zugeführt wurden, nicht der Lohnsteuer und führte auch keine Beiträge zur Gesamt­sozial­versicherung ab. Das FA vertrat die Auffassung, dass die mit den Arbeit­nehmern vereinbarten Abfindungen und an die DRV zur Auszahlung gebrachten Beträge dem Lohnsteuerabzug zu unter­werfen sind. Die hiergegen gerichtete Klage hatte innerster Instanz keinen Erfolg (FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 17.6.2021 - 4 K 4206/18, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 19.10.2021).

Die Richter des BFH gaben der hiergegen gerichteten Revision statt:

  • Zugeflossen ist Arbeitslohn mit der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungs­macht. Zuflusszeitpunkt ist der Tag der Erfüllung des Anspruchs des Arbeit­nehmers, also der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber die geschuldete Leistung tatsächlich erbringt.
  • Der VI. Senat des BFH hat bereits wiederholt entschieden, dass Gutschriften auf einem Wertguthaben­konto kein gegenwärtig zufließender Arbeitslohn sind (BFH, Urteil v. 22.2.2018 - VI R 17/16, BStBl 2019 II S. 496 sowie BFH, Urteil v. 4.9.2019 VI R 39/17, BFH/NV 2020, 85). Durch die Zuführung von Arbeitslohn zu einem Wertguthaben­konto wird der Anspruch des Arbeitnehmers nicht erfüllt. Vielmehr erwirbt der Arbeitnehmer anstelle des fälligen Lohnanspruchs einen noch nicht fälligen Anspruch auf zukünftige Lohnzahlung gegen den Arbeitgeber.
  • Zum Zufluss führt auch nicht der Abschluss der Vereinbarung über die Zuführung von Lohnbestandteilen zu einem Wertguthaben­konto (Wertguthaben­vereinbarung). Darin liegt weder eine zum Zufluss führende Novation noch eine Lohn­verwendungs­abrede (vgl. BFH, Urteil v. 22.2.2018 - VI R 17/16 BStBl 2019 II S. 496, Rz 35 ff.).
  • Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung uneinge­schränkt an. Zum Zufluss von Arbeitslohn kommt es erst, wenn das Wertguthaben unter den vereinbarten Bedingungen an den Arbeitnehmer ausgezahlt wird.
  • Offenbleiben kann, ob die streitgegen­ständlichen Abfindungen (ganz oder zum Teil) den Langzeit­konten wirksam zugeführt werden konnten. Wäre dies der Fall, wäre der Zufluss beim Arbeitnehmer jedenfalls zu verneinen (vgl. BFH, Urteil v. 22.2.2018 - VI R 17/16, BStBl II 2019, 496, Rz 34 ff.).
  • Nichts anderes ergibt sich bei Anwendung der allgemeinen Voraus­setzungen, unter denen die Rechtsprechung den Zufluss von Arbeitslohn bejaht, wenn man davon ausgeht, dass Abfindungs­zahlungen, die als Entschädigung für den Verlust des Arbeits­platzes gezahlt werden, das Wertguthaben­konto nicht hätten erhöhen dürfen und die zugrunde liegenden Vereinbarungen unwirksam waren. Denn nach § 41 Abs. 1 Satz 1 AO kommt es steuerlich nicht darauf an, ob ein Rechtsgeschäft unwirksam ist oder unwirksam wird, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen.
  • Für die Frage, ob die Vereinbarungen über die Zuführung von einzelnen Lohnbestand­teilen (hier: Abfindungen) zu den Langzeitkonten zivilrechtlich wirksam waren, kann nichts anderes gelten.

 
Quelle: BFH, Urteil v. 3.5.2023 - IX R 25/21; NWB Datenbank (il)

 
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im IX. Senat des BFH Dr. Nils Trossen gelangen Sie hier (Login erforderlich).

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