Online-Nachricht - Donnerstag, 31.08.2023

Grunderwerbsteuer | Zusammen­legung von Kirchen­gemeinden kann Grund­erwerb­steuer auslösen (BFH)

Hat das Finanzamt aufgrund irriger Beurteilung des Sach­verhalts in einem Fest­stellungs­bescheid den Zeitpunkt des grund­erwerb­steuer­baren Erwerbs­vorgangs fehlerhaft angegeben und wurde der Fest­stellungs­bescheid deshalb in der Folge wegen Rechts­widrig­keit gericht­lich aufge­hoben, kann es nach § 174 Abs. 4 Satz 1 und 3 AO in einem weiteren Fest­stellungs­bescheid die richtigen steuer­lichen Folgerungen aus der Aufhebung innerhalb eines Jahres nach Aufhebung des Fest­stel­lungs­bescheides ziehen (BFH, Urteil v. 10.5.2023 - II R 24/21; veröffent­licht am 31.8.2023).

Sachverhalt und Verfahrensverlauf: Die Klägerin ist eine katholische Kirchen­gemeinde, die im Jahr 2007 aus der Zusammenlegung mehrerer anderer Kirchen­gemeinden mittels geschäftlicher Urkunde entstanden ist. Zwei dieser Gemeinden waren die einzigen Gesellschafter einer GmbH, die Grundbesitz hielt. Das Finanzamt erließ einen Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungs­grundlagen für Zwecke der Grund­erwerbsteuer, weil es von einer Anteilsvereinigung i. S. von § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG ausging. Hiergegen wandte die Klägerin ein, dass die Zusammenlegung von Kirchen­gemeinden als grundrechtlich geschützter Bereich des Selbst­bestimmungs­rechts von Religions­gemeinschaften kein grunderwerb­steuerbares Rechtsgeschäft darstellen könne. Hilfsweise sei der Vorgang steuerfrei.

Mit Urteil vom 7.6.2017 - 8 K 3992/14 GrE wies das FG Münster die Klage ab. Dieses Urteil sowie den angefochtenen Feststellungs­bescheid hob der BFH mit Urteil vom 4.3.2020 - II R 35/17 (s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 9.7.2020) auf, weil das Finanzamt die Feststellung auf einen falschen Stichtag durchgeführt habe. Die gegen die auf den richtigen Stichtag durch­geführte Feststellung erhobene Klage hat der Senat des FG Münster wiederum abgewiesen (FG Münster, Urteil v. 17.6.2021 - 8 K 364/21 GrE; s. unsere Online-Nachricht v. 15.7.2021).

Der BFH bestätigte die Auffassung des FA:

  • Führt die Errichtung einer neuen Kirchen­gemeinde durch Vereinigung anderer Kirchen­gemeinden dazu, dass sich unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % (heute: 90 %) der Anteile an grund­besitzenden Gesellschaften bei der neu errichteten Kirchen­gemeinde vereinigen, unterliegt diese Anteils­vereinigung zu dem Zeitpunkt nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG der Grunderwerb­steuer, an dem die staatliche Anerkennung wirksam erteilt wird.
  • Die Besteuerung der Vereinigung von mindestens 95 % von Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG als Folge der staatlich anerkannten Bildung oder Veränderung von Kirchengemeinden verstößt nicht gegen das verfassungsrechtlich garantierte kirchliche Selbst­bestimmungs­recht (Art. 140 GG i. V. mit Art. 137 Abs. 3 der Verfassung des Deutschen Reichs WRV) und auch nicht gegen die verfassungsrechtlich garantierte Kirchengutsgarantie (Art. 140 GG i.V.m. Art. 138 Abs. 2 WRV).
  • Erhält im Zuge der Vereinigung von Kirchen­gemeinden die neu errichtete Kirchen­gemeinde Vermögens­werte, liegt keine freigebige Zuwendung der Gesellschafts­anteile von den aufgelösten Kirchengemeinden an die neu errichtete Kirchengemeinde i. S. der Steuer­befreiungs­vorschrift des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG vor.

 
Quelle: BFH, Urteil v. 10.5.2023 - II R 24/21; NWB Datenbank (JT)

 
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im II. Senat des BFH Prof. Dr. Matthias Loose gelangen Sie hier (Login erforderlich).

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