Online-Nachricht - Donnerstag, 05.10.2023

Einkommensteuer | Abzugsverbot bei Bediensteten zwischen­staat­licher Einrich­tungen mit Wohnsitz und Beschäfti­gungs­ort im Inland (BFH)

Wenn ein Bediensteter einer zwischen­staat­lichen Einricht­ung, der seinen Wohnsitz und Beschäfti­gungs­ort im Inland hat, von der Einrich­tung Arbeitslohn bezieht, der aufgrund einer Verein­barung zwischen der Bundes­republik Deutsch­land und der Organi­sation ein­kommen­steuer­frei ist, können die damit in unmittel­barem wirtschaft­lichen Zusammen­hang stehenden, an ein eigenes Sozial­versiche­rungs­system der Einrich­tung gezahlten Vorsorge­aufwen­dungen nicht als Sonder­ausgaben abge­zogen werden (BFH, Urteil v. 11.7.2023 - X R 17/22; veröffent­licht am 5.10.2023).

Hintergrund: Voraussetzung für den Sonder­ausgaben­abzug der in § 10 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 3a EStG bezeichneten Vorsorge­aufwen­dungen ist, dass sie nicht in unmittel­barem wirtschaftlichen Zusammen­hang mit steuerfreien Einnahmen stehen, § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 1 EStG.

Sachverhalt: Der verheiratete Kläger war im Jahr 2016 nicht­selbständig bei der inter­nationalen Organisation (O) beschäftigt. O ist als zwischen­staatliche Einrichtung durch ein Übereinkommen mehrerer Vertrags­staaten errichtet worden. Deutschland hat mit O eine Vereinbarung abgeschlossen. Danach erhebt O eine eigene Steuer auf die von ihr gezahlten Gehälter. Umgekehrt sind diese Gehälter – unter Anwendung des Progressions­vorbehalts – von der deutschen Einkommen­steuer befreit. O hat ein eigenes Sozial­versicherungs­system eingerichtet; ihr Personal ist von sämtlichen Pflichtbeiträgen an deutsche Sozial­versicherungs­träger befreit.

In der Einkommensteuererklärung 2016 machte der Kläger den Abzug der an O gezahlten Beiträge zum dortigen Kranken- und Renten­versiche­rungs­system geltend, die das FA nicht anerkannte. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg (Urteil der ersten Instanz: FG Baden-Württemberg, Urteil v. 13.7.2022 - Az: 1 K 1134/22, s. hierzu Licht, IWB 11/2023 S. 459).

Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:

  • Die vom Kläger an das eigene Sozial­versicherungs­system der O gezahlten Beiträge zur Renten- und Kranken­versicherung stehen in unmittel­barem wirtschaft­lichen Zusammen­hang mit dem von O bezogenen, in Deutschland einkom­men­steuer­freien Arbeitslohn, so dass das Abzugs­verbot eingreift.
  • Selbst wenn es sich bei den vom Kläger an O gezahlten Beiträge um grundsätzlich abziehbare Vorsorge­aufwen­dungen handeln sollte, ist ein Abzug nach der Sonder­regelung des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG ausgeschlossen.
  • Die Steuerbefreiung kann im EStG, in anderen Gesetzen, in völkerrechtlichen Verträgen (zum Beispiel DBA) oder - wie hier - in einer auf einem sonstigen zwischen­staatlichen Überein­kommen beruhenden Vereinbarung, gegebenen­falls auch in einer auf einem Gesetz beruhenden Verwaltungs­anweisung, angeordnet sein.
  • Da vorliegend die Steuerbefreiung in Art. x Abs. 1 Satz 2 der Verein­barung geregelt ist und hierzu ein deutsches Zustimmungs­gesetz ergangen ist, sind die von O an ihre aktiven Bediensteten gezahlten Gehälter von der deutschen Einkommen­steuer befreit und stellen damit steuerfreie Einnahmen im Sinne des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 1 EStG dar.
  • Die an die Organisation gezahlten Vorsorgeaufwendungen des Klägers stehen auch in unmittel­barem wirtschaftlichen Zusammen­hang mit dem von O bezogenen steuer­freien Arbeitslohn.
  • Von der Anwendung des Abzugsverbots ist nicht aufgrund der Rückausnahme des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 2 EStG abzusehen, weil deren Voraus­setzungen hier nicht erfüllt sind - es fehlt an der in § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 2 Buchst. b EStG enthaltenen Voraus­setzung, wonach die Einnahmen nach einem DBA im Inland steuerfrei sein müssen. Vorliegend beruht die Steuer­befreiung nicht auf einem DBA, sondern auf einer Vereinbarung, die ihre Grundlage wiederum in einem zwischen­staatlichen Übereinkommen hat.
  • Die an die Organisation gezahlten Renten- und Kranken­versicherungs­beiträge können auch nicht im Rahmen des – für den steuer­freien Arbeitslohn geltenden – Progressions­vorbehalts bei der Ermittlung des auf das steuerpflichtige Einkommen anzu­wendenden Steuersatzes als Abzugsposten berücksichtigt werden.

 
Quelle: BFH, Urteil v. 11.7.2023 - X R 17/22; NWB Datenbank (il)

 
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im X. Senat des BFH Prof. Dr. Gregor Nöcker gelangen Sie hier (Login erforderlich).

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