Online-Nachricht - Donnerstag, 05.10.2023

Einkommensteuer | Keine agB bei Auf­wendun­gen im Zusammen­hang mit einer Ersatz­mutter­schaft (BFH)

Aufwendungen eines gleich­geschlecht­lichen (Ehe-)Paares im Zusammen­hang mit einer Ersatz­mutter­schaft sind nicht als außer­gewöhn­liche Belastung zu berück­sichti­gen (BFH, Urteil v. 10.8.2023 - VI R 29/21; veröffent­licht am 5.10.2023).

Sachverhalt: Die Kläger, zwei verheiratete Männer, nahmen die Dienste einer in Kalifornien (USA) lebenden Leihmutter in Anspruch. Diese wurde dort in einer Leih­mutter­klinik künstlich befruchtet, wobei die Eizelle von einer anderen Frau und die Samenzellen von einem der Kläger stammten. Das hieraus entstandene Kind lebt seit seiner Geburt bei den Klägern in Deutschland. Die Kläger machten die im Zusammen­hang mit der Leihmutter­schaft angefallenen Aufwendungen (Agentur-, Reise-, Beratungs- und Unter­suchungs­kosten sowie Kosten für Nahrungs­ergänzungs­mittel zur Steigerung der Fertilität) in Höhe von ca. 13.000 € als außer­gewöhn­liche Belastungen geltend. Dies lehnte das Finanzamt ab, weil eine Leihmutter­schaft nach dem Embryonen­schutz­gesetz (ESchG) in Deutschland verboten sei.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg (Vorinstanz: FG Münster, Urteil v. 7.10.2021 - 10 K 3172/19 E, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 17.1.2022).

Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:

  • Die Kosten der Kläger im Zusammenhang mit der Ersatzmutter­schaft stellen keine krank­heits­bedingten Aufwendungen i.S. des § 33 Abs. 1 EStG dar. Denn die ungewollte Kinder­losigkeit der Kläger gründet nicht auf einem regelwidrigen Zustand eines oder beider Partner, sondern auf den biologischen Grenzen der Fortpflanzung.
  • Nichts anderes folgt aus dem Krankheitsbegriff der Welt­gesundheits­organisation (WHO) betreffend die ungewollte Kinder­losigkeit. Zwar wurde 1967 die ungewollte Kinderlosigkeit (Zeugungs- und/oder Empfängnis­unfähigkeit) durch die Scientific Group on the Epidemiology of Infertility der WHO als Krankheit anerkannt. Der WHO-Definition entsprechend ist eine Infertilität/Sterilität zu diagnostizieren, wenn bei einem Paar entgegen seinem expliziten Willen nach mehr als 24 Monaten trotz regelmäßigem, ungeschütztem Sexualverkehr keine Schwanger­schaft eintritt (ICD-10 Diagnosen: Sterilität der Frau [N97.x], männliche Sterilität [N46]; www.gbe-bund.de, Suchbegriff: Ungewollte Kinderlosigkeit [Gesundheits­bericht­erstattung - Themenhefte, April 2004]). Auch danach kommt dem Umstand, dass aus der Ehe der Kläger kein Kind hervorgehen kann, kein Krankheitswert zu.
  • Ebenfalls kann ein im Wege der Ersatzmutterschaft reproduziertes Kind nicht als eine medizinisch indizierte Heilbehand­lung zur Vermeidung, Linderung oder Beseitigung einer seelischen Erkrankung angesehen werden, auch wenn diese auf einer ungewollten Kinderlosigkeit gründet.
  • Die geltend gemachten Aufwendungen sind den Klägern auch nicht aus anderen Gründen zwangsläufig erwachsen. Denn der Entschluss, eine Ersatzmutter­schaft zu begründen, beruht nicht auf einer rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Zwangslage, sondern auf der freiwilligen Entscheidung, ein Kind zu haben.
  • Im Übrigen ist weitere Voraus­setzung für den Abzug als außer­gewöhnliche Belastung nach § 33 EStG, dass die den Aufwendungen zugrunde liegenden Maßnahmen mit der inner­staatlichen Rechtsordnung im Einklang stehen, was vorliegend aufgrund der Regelungen des Embryonen­schutz­gesetzes (ESchG) nicht der Fall ist.

 
Quelle: BFH, Urteil v. 10.8.2023 - VI R 29/21; NWB Datenbank (il)

 
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im VI. Senat des BFH Dr. Stephan Geserich gelangen Sie hier (Login erforderlich).

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