Online-Nachricht - Donnerstag, 26.10.2023

Verfahrensrecht/Erbschaft­steuer | U.a. Antrag auf Termin­aufhebung trotz Möglich­keit der Video-Zuschal­tung (BFH)

Die Aufhebung eines Termins zur münd­lichen Verhand­lung wegen kurz­fristigen Ausfalls eines geplanten Flugs ist jeden­falls dann nicht geboten, wenn der Prozess­bevoll­mächtigte weder darlegt noch glaub­haft macht, dass er kein alter­natives Verkehrs­mittel nutzen konnte, und es ihm zudem möglich gewesen wäre, an der münd­lichen Verhand­lung durch Video-Zuschal­tung teilzu­nehmen (BFH, Urteil v. 26.7.2023 - II R 4/21; veröffent­licht am 26.10.2023).

Sachverhalt: Die Mutter der Klägerin wurde von der im Jahr 2010 verstor­benen Erblasserin testamen­tarisch als Allein­erbin bedacht. Der Klägerin wurde in dem Testament vermächtnis­weise eine Eigentums­wohnung zuerkannt. Die Erblasserin hatte noch im Dezember 2009 die Sanierung der Eigentums­wohnung bei mehreren Unternehmen in Auftrag gegeben. Der Ehemann der Erblasserin war kurz vor ihr verstorben und von der Erblasserin als Alleinerbin beerbt worden. Die Mutter der Klägerin erfüllte die gegen die Erblasserin geltend gemachten Pflichtteils­ansprüche der Kinder des vorverstorbenen Ehemanns der Erblasserin.

Eine Übereignung der Eigentumswohnung an die Klägerin erfolgte nicht. Die Mutter der Klägerin verkaufte mit deren Einverständnis die Wohnung durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 18.04.2011. Den Verkaufserlös kehrte sie an die Klägerin aus. In derselben Urkunde vereinbarten die Klägerin und ihre Mutter, dass sich die Klägerin im Falle der Erschöpfung des Nachlasses im wertanteiligen Verhältnis wie ihr ebenfalls vermächtnis­berechtigter Bruder an Pflichtteils , Verfahrens- und sonstigen Nachlass­verbindlich­keiten beteiligen müsse.

Das Finanzamt setzte gegenüber der Klägerin Erbschaftsteuer fest. Den Abzug der von der Klägerin geltend gemachten Sanierungs­kosten, Nachlass­regelungs­kosten und Kosten in Bezug auf Vermächtnisse Dritter, die aus der Vereinbarung mit ihrer Mutter herrührten, erkannte das FA im Wesentlichen nicht an. Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Das FG der ersten Instanz vertrat die Auffassung, dass die Klägerin als Vermächtnis­nehmerin nicht für Erblasserschulden hafte. Zudem fehle es an einem unmittelbaren Zusammen­hang zwischen den Kosten und dem Erwerb der Klägerin, sodass auch ein Abzug als Erbfallkosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG ausscheide (FG München, Urteil v. 20.1.2021 - 4 K 1586/19).

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem BFH war die Klägerin nicht vertreten. Ihr Prozess­vertreter hatte am Vorabend beantragt, den am 26.7.2023 auf 09:30 Uhr anberaumten Termin aufzuheben. Der an diesem Tag für 06:30 Uhr vorgesehene Flug von Düsseldorf nach München sei annulliert worden. Es sei ihm nicht möglich gewesen, einen anderen Flug zu buchen, mit dem er rechtzeitig nach München reisen konnte, um an der mündlichen Verhandlung vor dem BFH teilzunehmen. Der Prozess­bevollmächtigte wurde auf die Möglichkeit der Teilnahme per Video-Zuschaltung hingewiesen. Er lehnte dies ab, weil der beteiligte Steuerberater nicht zugeschaltet werden könnte. Am Termin zur mündlichen Verhandlung nahm für die Klägerin niemand teil.

Die Richter des BFH lehnten den Antrag auf Aufhebung des Termins zur mündlichen Verhandlung ab und wiesen die Revision als unbegründet zurück:

  • Die Voraussetzungen für eine Terminsverlegung aus erheblichem Grund i.S.d § 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO haben nicht vorgelegen.
  • Der Prozessbevollmächtigte hat weder dargelegt noch hinreichend glaubhaft gemacht, dass er nach Bekannt­werden des Flugausfalls am Vorabend keine andere Möglichkeit der Anreise hätte wählen können. Das gilt umso mehr, als zu diesem Zeitpunkt eine Anreise zumindest mit der Bahn oder mit dem Auto, möglicher­weise auch mit einem späten Flug möglich gewesen wäre.
  • Darüber hinaus wäre es dem Prozess­bevoll­mächtigten möglich gewesen, an der mündlichen Verhandlung durch Video-Zuschaltung teilzunehmen. Die Teilnahme eines Beteiligten an der mündlichen Verhandlung per Video-Zuschaltung ist in § 91a FGO im Einzelnen geregelt und ein mittlerweile anerkanntes und vielfältig genutztes Verfahren. Der Senat hat dem Prozess­bevoll­mächtigten die Zuschaltung ausdrücklich angeboten. Die Zuschaltung wäre nach dessen eigenen Angaben auch technisch möglich gewesen.
  • Auf die Teilnahme des Steuerberaters der Klägerin kam es nicht an, da er kein Prozess­bevollmächtigter war. Ungeachtet dessen hat der Prozess­bevollmächtigte weder dargelegt, noch glaubhaft gemacht, warum es dem Steuerberater statt der offenbar gemeinsam geplanten Anreise nach München nicht möglich war, sich stattdessen in die Kanzleiräumlichkeiten des Prozessvertreters zu begeben.
  • Die geltend gemachten und noch nicht berücksichtigten Kosten sind nicht als Nachlass­verbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 ErbStG abzuziehen.
  • Ein Abzug nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG scheidet aus, da die von der Klägerin beglichenen Kosten der Sanierung der vermachten Eigentums­wohnung nicht im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG von der Erblasserin "herrühren": Zu deren Begleichung war nach § 1967 BGB die Mutter der Klägerin als Alleinerbin verpflichtet. Testamentarisch war eine Kostentragung durch die Klägerin nicht angeordnet. Dass die Klägerin sich gegenüber ihrer Mutter verpflichtete, sich an den Nachlass­verbindlich­keiten zu beteiligen, und schließlich die entsprechenden Beträge beglich, beruhte vielmehr auf ihrem freien Entschluss.
  • Für einen Abzug nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG fehlt es an dem hierfür erforderlichen engen zeitlichen und sachlichen Zusammen­hang zwischen den Kosten und dem Erwerb der Klägerin. Die Übernahme der Sanierungskosten durch die Klägerin hatte ihren Grund nicht in dem vermächtnis­weisen Erwerb, sondern beruhte auf einer nach dem Erbfall aus freien Stücken getroffenen Vereinbarung der Klägerin mit ihrer Mutter.

 
Quelle: BFH, Urteil v. 26.7.2023 - II R 4/21; NWB Datenbank (il)

 
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