Online-Nachricht - Donnerstag, 26.10.2023
Verfahrensrecht | Verfassungsmäßigkeit von Säumniszuschlägen (BFH)
Gegen die Höhe des Säumniszuschlags nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO bestehen auch für Zeiträume nach dem 31.12.2018 keine verfassungsrechtlichen Bedenken (BFH, Beschluss v. 13.9.2023 - X B 52/23 (AdV); veröffentlicht am 26.10.2023).
Hintergrund: Gem. § 240 Abs. 1 Satz 1 AO ist, wenn eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet wird, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 % des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten; abzurunden ist auf den nächsten durch 50 € teilbaren Betrag.
Sachverhalt: Auf Antrag des Antragstellers erließ das Finanzamt (FA) am 25.10.2022 einen Abrechnungsbescheid über Säumniszuschläge zur Einkommensteuer und zum Solidaritätszuschlag 2020 sowie zum vierten Quartal 2021 i. H. von insgesamt 2.482 €. Dem war eine Steuerfestsetzung vorausgegangen, die zu Nachzahlungen geführt hatte. Gegen den Abrechnungsbescheid legte der Antragsteller Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV). Zur Begründung machte er geltend, zur Frage der Verfassungsmäßigkeit von Säumniszuschlägen nach dem 31.12.2018 seien beim BFH mehrere Revisionsverfahren anhängig. Das FA stellte daraufhin das Einspruchsverfahren ruhend, lehnte allerdings den Antrag auf AdV mit Bescheid vom 4.1.2023 ab.
Der BFH sah die Beschwerde als unbegründet an:
- § 240 Abs. 1 Satz 1 AO verstößt weder gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) noch gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG).
- Bereits mit BFH, Urteil v. 23.8.2022 - VII R 21/21 (s. unsere Online-Nachricht v. 9.2.2023) und BFH, Urteil v. 15.11.2022 - VII R 55/20 (s. unsere Online-Nachricht v. 30.3.2023) wurde entschieden, dass auch bei einem strukturellen Niedrigzinsniveau gegen die in § 240 Abs. 1 Satz 1 AO festgelegte Höhe des Säumniszuschlags keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen.
- Insbesondere lassen sich den genannten Urteilen zufolge weder die vom BVerfG, Beschluss v. 8.7.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17 herausgearbeiteten Grundsätze, nach denen die Verzinsung von Steuernachforderungen und -erstattungen nach §§ 233a, 238 AO in Höhe von 0,5 % pro Monat für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2014 mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist, auf den Säumniszuschlag übertragen, noch verstößt die Höhe des Säumniszuschlags gegen das Übermaßverbot und verletzt daher auch nicht das Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG.
- Zwar betreffen die genannten Entscheidungen Zeiträume vor dem 1.1.2019. Die tragenden Gründe der vom VII. Senat vorgenommenen eigenständigen verfassungsrechtlichen Prüfung gelten aber gleichermaßen für Zeiträume nach dem 31.12.2018.
Quelle: BFH, Beschluss v. 13.9.2023 - X B 52/23 (AdV); NWB Datenbank (JT)
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im X. Senat des BFH Prof. Dr. Gregor Nöcker gelangen Sie hier (Login erforderlich).