Online-Nachricht - Donnerstag, 02.11.2023
Verfahrensrecht | Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten im Besteuerungsverfahren gemäß § 29b AO (BFH)
§ 29b der Abgabenordnung (AO) legitimiert die Finanzbehörde, unter den dort genannten Voraussetzungen für sämtliche das Steuerverfahrensrecht betreffende Maßnahmen personenbezogene Daten zu verarbeiten. § 29b AO genügt den Vorgaben des Art. 6 Abs. 3 der Datenschutz-Grundverordnung und verletzt nicht das unionsrechtliche Normwiederholungsverbot (BFH, Urteil v. 5.9.2023 - IX R 32/21; veröffentlicht am 2.11.2023).
Hintergrund: Nach Art. 17 Abs. 1 Buchst. d DSGVO hat die betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass sie betreffende personenbezogene Daten unverzüglich gelöscht werden, sofern jene Daten unrechtmäßig verarbeitet wurden. Nach § 29b Abs. 1 AO ist die Verarbeitung personenbezogener Daten durch eine Finanzbehörde zulässig, wenn sie zur Erfüllung der ihr obliegenden Aufgabe oder in Ausübung öffentlicher Gewalt, die ihr übertragen wurde, erforderlich ist. Die Verarbeitung der in Art. 9 Abs. 1 DSGVO genannten ‑ besonderen (sensiblen) ‑ personenbezogenen Daten durch eine Finanzbehörde ist zulässig, soweit die Verarbeitung aus Gründen eines erheblichen öffentlichen Interesses erforderlich ist und soweit die Interessen des Verantwortlichen an der Datenverarbeitung die Interessen der betroffenen Person überwiegen, § 29b Abs. 2 AO.
Sachverhalt: Das Finanzamt ordnete beim Kläger, einem Rechtsanwalt, eine Außenprüfung zur Einkommen- und Umsatzsteuer für die Jahre 2017 bis 2019 an. Zugleich forderte das FA den Kläger auf, bis zum Prüfungsbeginn die Auszüge seines betrieblichen Bankkontos zu übersenden.
Nachdem der Kläger dieser Aufforderung nicht nachgekommen war, ersuchte das FA das kontoführende Geldinstitut (G) unter Hinweis auf § 97 Abs. 1 Satz 1 und 3 i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 3 AO um Vorlage der Kontoauszüge. Diesem Ersuchen kam G nach.
Der Kläger wandte sich gegen das Vorlageersuchen und machte geltend, § 97 AO genüge nicht den Anforderungen des Art. 6 Abs. 3 DSGVO. Es fehle daher an einer rechtmäßigen Verarbeitung der ihn betreffenden persönlichen Daten. Seine Klage, mit der er u.a. die Löschung seiner personenbezogenen Daten gemäß Art. 17 Abs. 1 Buchst. d DSGVO verfolgt, hatte in erster Instanz keinen Erfolg (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil v. 23.8.2021 - 5 K 42/21).
Die Richter des BFH weisen die Revision als unbegründet zurück:
- § 29b AO legitimiert die Finanzbehörde, unter den dort genannten Voraussetzungen für sämtliche das Steuerverfahrensrecht betreffende Maßnahmen personenbezogene Daten zu verarbeiten. /li>
- § 29b AO genügt den Vorgaben des Art. 6 Abs. 3 DSGVO und verletzt nicht das unionsrechtliche Normwiederholungsverbot. /li>
- § 29b AO verstößt weder gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) noch gegen das Recht auf Schutz personenbezogener Daten gemäß Art. 8 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.
Quelle: BFH, Urteil v. 5.9.2023 - IX R 32/21; NWB Datenbank (il)
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