Online-Nachricht - Donnerstag, 09.11.2023
Einkommensteuer | Höhe nachträglicher Anschaffungskosten für Darlehen nach § 17 Abs. 2a EStG (BFH)
Ein in der Krise stehen gelassenes Darlehen ist im Anwendungsbereich des § 17 Abs. 2a EStG mit dem zum Zeitpunkt des Eintritts der Krise bestehenden Teilwert zu bewerten (BFH, Urteil v. 18.7.2023 - IX R 21/21; veröffentlicht am 9.11.2023).
Hintergrund: Nach § 17 Abs. 1 und 4 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb unter den dort genannten Voraussetzungen der Gewinn aus der Auflösung von Kapitalgesellschaften. Steuerbar ist auch ein aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft entstehender Verlust (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Urteil v. 20.8.2013 - IX R 1/13, Rz 13). Auflösungsverlust i. S. von § 17 Abs. 1, 2 und 4 EStG ist der Betrag, um den die im Zusammenhang mit der Auflösung der Gesellschaft vom Steuerpflichtigen (persönlich) getragenen Kosten (Auflösungskosten entsprechend § 17 Abs. 2 EStG) und seine Anschaffungskosten den gemeinen Wert des zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft übersteigen (BFH, Urteil v. 4.3.2008 - IX R 80/06). Anschaffungskosten sind auch die nachträglichen Anschaffungskosten (§ 255 Abs. 1 Satz 2 HGB).
Sachverhalt: Streitig ist im Wesentlichen, ob der Verlust aus einem in der Krise stehen gelassenen Gesellschafterdarlehen nach § 17 Abs. 2a Satz 3 Nr. 2 EStG mit dem Nennwert oder Teilwert zu nachträglichen Anschaffungskosten des Gesellschafters an seiner Beteiligung führt.
Das BMF war dem Revisionsverfahren beigetreten. Es führte im Wesentlichen an, durch die Einführung von § 17 Abs. 2a EStG habe sich keine Änderung zur früheren Verwaltungsauffassung ergeben, wonach in der Krise stehen gelassene Darlehen nur in Höhe des im Zeitpunkt des Eintritts der Krise werthaltigen Teils zu nachträglichen Anschaffungskosten i. S. von § 17 Abs. 2a Satz 3 Nr. 1 oder 2 EStG führten.
Der BFH hat die Revision der Kläger zurückgewiesen:
- Zutreffend hat das FG eine Berücksichtigung des Darlehensverlusts bei den Einkünften aus § 17 EStG versagt. Vielmehr war das Darlehen mit dem zum Zeitpunkt des Eintritts der Krise bestehenden Teilwert anzusetzen. Dieser Wert betrug im Streitfall 0 €.
- Mit dem durch das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (WElektroMobFördG) v. 12.12.2019 (BGBl I 2019, S. 2451) eingeführten § 17 Abs. 2a EStG hat der Gesetzgeber erstmals eine gesetzliche Grundlage für die im Rahmen der Einkünfteermittlung des § 17 EStG zu berücksichtigenden Anschaffungskosten geschaffen. Mit dem durch das Gesetz WElektroMobFördG eingeführten § 17 Abs. 2a EStG hat der Gesetzgeber erstmals eine gesetzliche Grundlage für die im Rahmen der Einkünfteermittlung des § 17 EStG zu berücksichtigenden Anschaffungskosten geschaffen.
- Die in § 17 Abs. 2a Satz 3 Nr. 2 EStG verwendete Formulierung "soweit" verdeutlicht, dass Darlehensverluste nur in dem Umfang zu berücksichtigen sind, wie sie gesellschaftsrechtlich veranlasst sind.
- § 17 Abs. 2a Satz 3 EStG dient der Verwirklichung des objektiven Nettoprinzips und der Finanzierungsfreiheit der Gesellschafter, indem die Vorschrift nach dem Vorgesagten eine steuermindernde Berücksichtigung bestimmter Darlehensverluste in Abweichung von BFH, Urteil v. 11.7.2017 - IX R 36/15 und BFH, Urteil v. 20.7.2018 - IX R 5/15 und in Anknüpfung an die bis dahin gültigen Rechtsprechungsgrundsätze als nachträgliche Anschaffungskosten bei Verlusten aus gesellschaftsrechtlich veranlassten Darlehen gewährleistet (vgl. BRDrucks 356/19, S. 122).
- Sowohl das objektive Nettoprinzip als auch die Finanzierungsfreiheit setzen mithin für eine Berücksichtigung eines Darlehensverlusts als nachträgliche Anschaffungskosten bei den Einkünften aus § 17 EStG einen Veranlassungszusammenhang zwischen der Beteiligung und den Aufwendungen voraus. Dieser ist in dem Erfordernis einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung nach § 17 Abs. 2a Satz 3 Nr. 2 und Abs. 2a Satz 4 EStG festgeschrieben. Eine solche Veranlassung besteht bei stehen gelassenen Darlehen jedoch nur in Höhe ihres Teilwerts bei Eintritt in die Krise. Bei einem stehen gelassenen Darlehen fehlt es zunächst an einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung. Vielmehr tritt diese erst ein, wenn ein fremder Dritter das Darlehen bei Eintritt in die Krise zurückgefordert hätte (§ 17 Abs. 2a Satz 4 EStG; BFH, Urteil v. 4.11.1997 - VIII R 18/94). Daher liegt auch nur in Höhe des Teilwerts des Darlehens zu diesem Zeitpunkt die für eine steuermindernde Berücksichtigung erforderliche gesellschaftsrechtliche Veranlassung vor.
Quelle: BFH, Urteil v. 18.7.2023 - IX R 21/21; NWB Datenbank (JT)
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