Online-Nachricht - Donnerstag, 09.11.2023
Insolvenzordnung | Zahlung von Arbeitslohn als anfechtbare Rechtshandlung (BFH)
Die Zahlung von Arbeitslohn stellt eine anfechtbare Rechtshandlung i. S. der §§ 129 ff. der Insolvenzordnung dar (BFH, Urteil v. 18.4.2023 - VII R 35/19; veröfffentlicht am 9.11.2023).
Hintergrund: Gem. § 218 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 AO ergeht unter anderem dann ein Abrechnungsbescheid, wenn die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) und ihr Erlöschen (§ 47 AO) durch Aufrechnung (§ 226 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 387 ff. BGB) streitig sind (vgl. z.B. BFH, Urteil v. 18.2.2020 - VII R 39/18, Rz 22).
Sachverhalt: Die Klägerin ist Insolvenzverwalterin über das Vermögen der A AG (Schuldnerin). Die Schuldnerin meldete in 2015 Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer an. Die gesamten Nettolöhne überwies die Schuldnerin , die angemeldete Lohnsteuer zahlte sie nicht. In 2016 setzte das FA, die Körperschaftsteuer für 2014 fest. Nach Abzug der im Jahr 2014 geleisteten Vorauszahlungen ergab sich ein Guthaben, welches das FA auf die Lohnsteuerverbindlichkeiten umbuchte.
2016 erklärte die Klägerin gegenüber dem FA, dass sie die Aufrechnung für unzulässig halte, und bat um Überweisung des Guthabens zur Masse nebst Zinsen. Da das FA an der Umbuchung festhielt, beantragte die Klägerin 2017 den Erlass eines Abrechnungsbescheids. Mit Abrechnungsbescheid aus 2017 rechnete das FA entsprechend seiner Umbuchungsmitteilung über Lohnsteuer sowie Nebenabgaben zur Lohnsteuer für2015 ab. Angaben zur begehrten Zinsfestsetzung enthielt der Bescheid nicht. Mit Einspruchsentscheidung aus 2017 wies das FA den Einspruch der Klägerin gegen den Abrechnungsbescheid zurück, weil die Aufrechnung nicht gem. § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unzulässig sei.
Der BFH wies die Revision des FA zurück:
- Im Streitfall hat das FA zu Recht einen Abrechnungsbescheid erlassen, weil streitig ist, ob der Anspruch der Schuldnerin auf Erstattung von Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer durch Aufrechnung erloschen ist. Die Klägerin machte keinen Rückgewähranspruch nach § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO geltend, für den der ordentliche Rechtsweg eröffnet wäre.
- Die allgemeinen Voraussetzungen für eine Aufrechnung gemäß § 226 AO i.V.m. §§ 387 ff. BGB waren erfüllt.
- Das FG hatte zu Recht angenommen, dass der Aufrechnung ein Aufrechnungsverbot im Sinne von § 96 Abs. 1 Nr. 3 i. V. mit § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO entgegenstand.
Quelle: BFH, Urteil v. 18.4.2023 - VII R 35/19; NWB Datenbank (JT)
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im VII. Senat des BFH Dr. Fabian Schmitz-Herscheidt gelangen Sie hier (Login erforderlich).