Online-Nachricht - Donnerstag, 16.11.2023
Verfahrensrecht | Haftung des GmbH-Geschäftsführers für Biersteuer (BFH)
Die Entnahme von Bier aus einem Steuerlager mit der Folge der Entstehung der Biersteuer nach § 14 Abs. 1 i.V.m. § 14 Abs. 2 Nr. 1 des Biersteuergesetzes stellt für sich betrachtet noch keine objektive Pflichtverletzung dar, auf die eine Haftungsinanspruchnahme des Geschäftsführers einer GmbH nach § 69 Satz 1 AO gestützt werden kann (BFH, Urteil v. 29.8.2023 - VII R 47/20; veröffentlicht am 16.11.2023).
Hintergrund: Gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 AO kann, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden. Gemäß § 69 Satz 1 AO, § 34 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG haftet der Geschäftsführer einer GmbH, soweit deren Verbindlichkeiten aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihm auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden.
Sachverhalt: Streitig ist, ob von der Entnahme eines Steuergegenstands aus dem Steuerlager abgesehen werden muss, wenn abzusehen ist, dass die dadurch entstehende Verbrauchsteuer nicht entrichtet werden kann. Im Streitfall konnte eine Produktions-GmbH, die verschiedene Biersorten braute und deren Liquidator der Kläger ist, einen Teil der Biersteuer für November 2014 nicht zahlen. Für den ausstehenden Betrag nahm das HZA den Kläger gemäß § 191 Abs. 1 AO i.V.m. § 69 AO in Haftung. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz Erfolg (FG München, Urteil v. 23.7.2020 - 14 K 1208/17). Zwar habe der Kläger die Pflicht zur Entrichtung der Biersteuer bei Fälligkeit objektiv verletzt. Dies sei ihm aber nicht vorzuwerfen, weil zu diesem Zeitpunkt keine ausreichenden Mittel mehr vorhanden gewesen seien. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass ab dem Fälligkeitszeitpunkt am 20.12.2014 überhaupt noch Zahlungen erfolgt seien. Somit sei nicht zu klären, ob der Grundsatz der anteiligen Tilgung zur Anwendung komme. Eine Pflicht, von der Entnahme des Bieres aus dem Steuerlager abzusehen, weil die dadurch entstehende Biersteuer voraussichtlich nicht habe entrichtet werden können, habe nicht bestanden. Denn die steuerliche Pflicht zur Mittelvorsorge bereits vor Fälligkeit betreffe allein die künftige Erfüllung entstandener Steueransprüche des Fiskus, nicht aber deren Begründung.
Die Richter des BFH wiesen die hiergegen gerichtete Revision des HZA zurück:
- Die Entnahme von Bier aus einem Steuerlager mit der Folge der Entstehung der Biersteuer nach § 14 Abs. 1 i.V.m. § 14 Abs. 2 Nr. 1 des Biersteuergesetzes stellt für sich betrachtet noch keine objektive Pflichtverletzung dar, auf die eine Haftungsinanspruchnahme des Geschäftsführers einer GmbH nach § 69 Satz 1 der Abgabenordnung gestützt werden kann.
- Der Geschäftsführer hat dafür zu sorgen, dass die Biersteuer bei Fälligkeit aus den von ihm verwalteten Mitteln entrichtet wird, wobei ihm aufgrund des auf Abwälzung ausgerichteten Verbrauchsteuersystems die Möglichkeit eingeräumt wird, das Bier in Ausübung seiner unternehmerischen Freiheit zu verkaufen und damit Einnahmen zu erzielen.
- Sofern jedoch bereits bei der Entnahme des Bieres aus dem Steuerlager für den Geschäftsführer klar erkennbar ist, dass im Zeitpunkt der Fälligkeit der Biersteuer keine Mittel für deren Begleichung vorhanden sein werden, liegt in der Entnahme ein Verstoß gegen die Mittelvorsorgepflicht vor.
- Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze hat der Kläger seine Mittelvorsorgepflicht nicht verletzt.
- Zwar bestand vorliegend eine Mittelvorsorgepflicht bereits im Zeitpunkt der Entnahme des Bieres aus dem Steuerlager. Allerdings widerspräche es der unternehmerischen Freiheit des Klägers, wenn er wegen der - bereits im November 2014 - bestehenden finanziellen Schwierigkeiten gezwungen gewesen wäre, von der Entnahme von Bier aus dem Steuerlager abzusehen, um die Steuerentstehung gemäß § 14 Abs. 1 BierStG zu verhindern. Dies hätte dazu geführt, dass die Produktions-GmbH praktisch gezwungen gewesen wäre, ihren Geschäftsbetrieb einzustellen.
- Der Kläger war auch nicht verpflichtet, bereits im Zeitpunkt der Entstehung der Biersteuer infolge der Entnahmen aus dem Steuerlager die Mittel für die Entrichtung der Biersteuer aus anderen Einnahmen abzuzweigen und für die spätere Entrichtung der Biersteuer zurückzulegen oder den Anteil aus den Verkaufserlösen, der der Biersteuer entspricht, zweckgebunden zur Entrichtung der Biersteuerschuld zurückzulegen. Er hatte lediglich dafür zu sorgen, dass die Mittel für die Entrichtung der Biersteuer im Fälligkeitszeitpunkt vorhanden sein würden. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger Gelegenheit, die Biersteuer auf seine Abnehmer als eigentliche Belastungsträger abzuwälzen und entsprechende Einnahmen zu erzielen.
Quelle: BFH, Urteil v. 29.8.2023 - VII R 47/20; NWB Datenbank (il)
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