Online-Nachricht - Donnerstag, 14.12.2023
Erbschaftsteuer | Anwendung des 90 %-Einstiegstests bei Handelsunternehmen (BFH)
§ 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG ist dahingehend auszulegen, dass bei Handelsunternehmen, deren begünstigungsfähiges Vermögen aus Finanzmitteln i. S. des § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG besteht und nach seinem Hauptzweck einer Tätigkeit i. S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 EStG dient, für den dort verankerten sog. 90 %-Einstiegstest die betrieblich veranlassten Schulden von den Finanzmitteln in Abzug zu bringen sind (BFH, Urteil v. 13.9.2023 - II R 49/21; veröffentlicht am 14.12.2023).
Hintergrund: § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG regelt den sog. „Einstiegstest“: Danach ist die Inanspruchnahme der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Begünstigungen für Betriebsvermögen von vornherein ausgeschlossen, wenn der nach dieser Vorschrift modifizierte Wert des Verwaltungsvermögens mindestens 90 % des gemeinen Werts des grundsätzlich begünstigungsfähigen Vermögens beträgt.
Sachverhalt: Der Vater der Klägerin des Streitfalls schenkte dieser im Jahr 2017 alle Anteile an einer GmbH, die ein Unternehmen für den Vertrieb von Arzneimitteln und Medizinprodukten betrieb und auch forschend tätig war. Das Geschäftsleitungsfinanzamt stellte den Wert der Anteile an der GmbH auf 555.975 €, die Summe der gemeinen Werte der Finanzmittel auf 2.517.649 €, die Summe der gemeinen Werte des Verwaltungsvermögens auf 0 € und die Summe der gemeinen Werte der Schulden auf 3.138.504 € fest. Das Finanzamt versagte wegen des sog. Einstiegstests die Begünstigungen gem. § 13a Abs. 1 und Abs. 2 ErbStG (s. unsere Online-Nachricht v. 17.1.2022).
Im Revisionsverfahren hat die Klage erneut Erfolg:
- Die Schenkungsteuer wird auf 0 € festgesetzt. Bei den GmbH-Anteilen handelt es sich um begünstigtes Vermögen, das mit Ausnahme der jungen Finanzmittel dem Verschonungsabschlag i. S. des § 13a Abs. 1 ErbStG unterliegt und auf das der Abzugsbetrag nach § 13a Abs. 2 ErbStG anwendbar ist. Der Begünstigung steht der 90 %-Einstiegstest i. S. des § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG nicht entgegen, da dessen Voraussetzungen nicht erfüllt sind.
- § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG ist dahingehend auszulegen, dass bei Handelsunternehmen, deren begünstigungsfähiges Vermögen aus Finanzmitteln i. S. des § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG besteht und deren Hauptzweck einer Tätigkeit i. S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 EStG dient, für den dort verankerten 90 %-Einstiegstest die betrieblich veranlassten Schulden von den Finanzmitteln in Abzug zu bringen sind. Dies ist aus systematischen und verfassungsrechtlichen Gründen geboten und widerspricht auch nicht dem Anliegen/Ziel des Gesetzgebers, durch den 90 %-Einstiegstest den Missbrauch der Begünstigung von Betriebsvermögen nach § 13a ErbStG zu verhindern.
- Bei der Anwendung des 90 %-Einstiegstests nach § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG sind nach der von dem Senat vorgenommenen Auslegung von der Summe der gemeinen Werte der Finanzmittel in Höhe von 2.517.649 € zuzüglich der Summe der gemeinen Werte der jungen Finanzmittel in Höhe von 60.000 € die im Feststellungsbescheid vom 13.1.2023 ebenfalls festgestellten Schulden in Höhe von 3.138.504 € abzuziehen, sodass keine steuerschädlichen Finanzmittel vorliegen. Da im Feststellungsbescheid vom 13.1.2023 nachrichtlich angegeben wurde, dass der Hauptzweck der GmbH eine Tätigkeit i. S. des § 13 Abs. 1, des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder des § 18 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG war, sind die Voraussetzungen für eine einschränkende Auslegung des § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG vorliegend erfüllt.
Quelle: BFH, Urteil v. 13.9.2023 - II R 49/21; NWB Datenbank (JT)
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im II. Senat des BFH Prof. Dr. Matthias Loose gelangen Sie hier (Login erforderlich).