Online-Nachricht - Donnerstag, 21.12.2023
Abgabenordnung | Wirksame Bekanntgabe durch Weiterleitung an Bevollmächtigten (BFH)
Für die elektronische Übermittlung von Vollmachtsdaten an die Finanzbehörden sind zwingend die amtlich bestimmten Formulare zu verwenden. Der angefochtene Bescheid ist nicht schon mit der Übersendung an den Kläger, sondern erst mit der Weiterleitung an die Prozessbevollmächtigte wirksam bekanntgegeben (BFH, Urteil v. 8.11.2023 - II R 19/21; veröffentlicht am 21.12.2023).
Sachverhalt: Der Kläger bevollmächtigte seine Prozessbevollmächtigte, ihn in allen steuerlichen und sonstigen Angelegenheiten i. S. des § 1 StBerG zu vertreten, indem er das amtliche Muster "Vollmacht zur Vertretung in Steuersachen" in der damaligen Fassung (BMF, Schreiben v. 10.10.2013, BStBl I 2013, 1258) unterzeichnete. Die Vollmacht erstreckte sich auch auf die Entgegennahme von Steuerbescheiden und sonstigen Verwaltungsakten (Bekanntgabevollmacht). Auf dem Formular, gem. dessen Fußnote 3 die Steuernummern des Vollmachtgebers in der Vollmachtsdatenbank zu erfassen waren, war hinter der Steueridentifikationsnummer eine die Einkommensteuer betreffende Steuernummer des Klägers angegeben. Unter der Zeile "Diese Vollmacht gilt nicht für:" war keine Steuerart angekreuzt. Das im BMF-Schreiben vom 1.8.2016 (BStBl I 2016, 662, Anlage 3) vorgesehene "Beiblatt zur Vollmacht zur Vertretung in Steuersachen" enthielt die Vollmacht nicht. Die Vollmacht wurde in der Vollmachtsdatenbank hinterlegt und war seitdem für das FA abrufbar.
Am 27.6.2018 wurde dem Kläger ein Grunderwerbsteuerbescheid bekanntgegeben, der ihn am 9.9.2019 der Prozessbevollmächtigten zuleitete. Diese beantragte mit Schriftsatz vom 12.9.2019 beim FA eine Kürzung der Bemessungsgrundlage. Die Bevollmächtigte trug vor, sie habe den Bescheid erst am 9.9.2019 erhalten.
Mit Einspruchsentscheidung v. 20.11.2019 verwarf das FA den Einspruch als unzulässig, da die Einspruchsfrist bereits am 2.8.2018 geendet habe. Der Grunderwerbsteuerbescheid sei zu Recht dem Kläger bekanntgegeben worden, weil in die übermittelte Empfangsvollmacht keine für die Grunderwerbsteuer geltende Steuernummer eingetragen gewesen sei.
Der BFH wies die Revision des FA zurück:
- Das FG hat zutreffend erkannt, dass der angefochtene Bescheid nicht schon mit der Übersendung an den Kläger, sondern erst mit der Weiterleitung an die Prozessbevollmächtigte wirksam bekanntgegeben worden ist und der Einspruch deshalb rechtzeitig erfolgte. Die Grunderwerbsteuer ist in der Höhe, wie das FG entschieden hat, festzusetzen.
- Der Einspruch nach § 347 Abs. 1 Satz 1 AO ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts einzulegen (§ 355 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Einspruchsfrist läuft bei Verletzung zwingender Bekanntgabevorschriften erst in dem Zeitpunkt an, in dem der Empfangsberechtigte den Verwaltungsakt tatsächlich erhalten hat (vgl. BFH, Urteil v. 9.6.2005 - IX R 25/04).
- Das FA hat durch die Bekanntgabe des Bescheids an den Kläger die Vorgaben des § 122 Abs. 1 Satz 4 AO verletzt.
- Das im Schreiben des BMF v. 1.8.2016 (BStBl I 2016, 662, Anlage 3) enthaltene "Beiblatt zur Vollmacht zur Vertretung in Steuersachen" ist nicht Bestandteil des amtlich bestimmten Formulars. Seine Verwendung ist nicht Voraussetzung für die elektronische Übermittlung von Vollmachtsdaten an die Finanzbehörden für die Grunderwerbsteuer.
Quelle: BFH, Urteil v. 8.11.2023 - II R 19/21; NWB Datenbank (JT)
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