Online-Nachricht - Donnerstag, 29.02.2024
Einkommensteuer | Behandlung von Prozesskosten zur Erlangung nachehelichen Unterhalts beim Realsplitting (BFH)
Prozesskosten zur Erlangung nachehelichen Unterhalts sind privat veranlasst und stellen keine (vorweggenommenen) Werbungskosten bei späteren Unterhaltseinkünften im Sinne des § 22 Nr. 1a EStG dar. Erst der mit Zustimmung des Empfängers gestellte Antrag des Gebers gemäß § 10 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 EStG bewirkt eine Umqualifizierung der Unterhaltsleistungen zu Sonderausgaben beim Geber und steuerbaren Einkünften beim Empfänger und überführt sie rechtsgestaltend in den steuerrechtlich relevanten Bereich (BFH, Urteil v. 18.10.2023 - X R 7/20; veröffentlicht am 29.2.2024).
Hintergrund: Sonstige Leistungen im Sinne des § 22 Nr. 1a EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung sind Einkünfte aus Leistungen und Zahlungen nach § 10 Abs. 1a EStG, soweit für diese die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug beim Leistungs- oder Zahlungsverpflichteten nach § 10 Abs. 1a EStG erfüllt sind. Nach § 10 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 EStG sind Sonderausgaben unter anderem Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Ehegatten bis zu 13.805 € im Kalenderahr, wenn der Geber dies mit Zustimmung des Empfängers beantragt.
Sachverhalt: Mit Beschluss des Amtsgerichts von September 2014 wurde die Ehe der Klägerin geschieden, der Versorgungsausgleich vorgenommen und ihr früherer Ehemann (B) verpflichtet, ab Rechtskraft der Scheidung nachehelichen Unterhalt in Höhe von 582,50 € monatlich zu zahlen. Das von der Klägerin geführte Beschwerdeverfahren, in dessen Rahmen B Anschlussbeschwerde auf Nichtzahlung nachehelichen Unterhalts einlegte, wurde im März 2015 vor dem Oberlandesgericht durch einen Vergleich beendet, in welchem sich B zur Zahlung eines höheren nachehelichen Unterhalts von 900 € monatlich verpflichtete. Die Verfahrenskosten wurden in beiden Verfahren jeweils gegeneinander aufgehoben. Die Klägerin entrichtete Gerichts- und Anwaltskosten im Jahre 2015.
In dem Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 2015 erfasste das FA die von der Klägerin erklärten Einnahmen aus Unterhaltsleistungen abzüglich des Werbungskosten-Pauschbetrags als sonstige Einkünfte. Die von der Klägerin als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachten Anwalts- und Gerichtskosten ließ es dagegen außer Ansatz. Das FG der ersten Instanz gab der Klage auf steuerliche Berücksichtigung der auf den nachehelichen Unterhalt entfallenden anteiligen Prozesskosten dagegen statt (FG Münster, Urteil v. 3.12.2019 - 1 K 494/18 E, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 3.1.2020).
Die Richter des BFH dagegen hoben das Urteil auf und wiesen die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück:
- Das FG hat rechtsfehlerhaft entschieden, dass die anteiligen Prozesskosten der Klägerin betreffend nachehelichen Unterhalt als Werbungskosten bei ihren sonstigen Einkünften zu berücksichtigen sind.
- Prozesskosten zur Erlangung nachehelichen Unterhalts sind privat veranlasst und stellen keine (vorweggenommenen) Werbungskosten bei späteren Unterhaltseinkünften im Sinne des § 22 Nr. 1a EStG dar.
- Erst der mit Zustimmung des Empfängers gestellte Antrag des Gebers gemäß § 10 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 EStG bewirkt eine Umqualifizierung der Unterhaltsleistungen zu Sonderausgaben beim Geber und steuerbaren Einkünften beim Empfänger und überführt sie rechtsgestaltend in den steuerrechtlich relevanten Bereich.
- Die Umqualifizierung markiert die zeitliche Grenze für das Vorliegen abzugsfähiger Erwerbsaufwendungen - zuvor verursachte Aufwendungen des Unterhaltsempfängers können keine Werbungskosten darstellen.
- Die Sache ist an die Vorinstanz zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen: Denn das FG hat keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob die streitbetroffenen Prozesskosten gegebenenfalls als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können.
Quelle: BFH, Urteil v. 18.10.2023 - X R 7/20; NWB Datenbank (il)
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im XI Senat des BFH Prof. Dr. Gregor Nöcker gelangen Sie hier (Login erforderlich).