Online-Nachricht - Donnerstag, 21.03.2024

Gewerbesteuer | Einbringungs­bedingter Über­gang des Gewerbe­verlustes von einer Kapital­gesell­schaft auf eine Personen­gesell­schaft (BFH)

Bringt eine Kapital­gesell­schaft ihren gesamten Betrieb nach § 24 UmwStG in eine GmbH & Co. KG ein und beschränkt sich ihre Tätig­keit fortan auf die Ver­wal­tung der Mit­unter­nehmer­stel­lung an der auf­nehmen­den Gesell­schaft sowie das Halten der Beteili­gung an der Kom­plemen­tär-GmbH, steht § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG der An­nahme von Unter­nehmens­identi­tät im Sinne des § 10a GewStG auf der Ebene der über­nehmen­den Personen­gesell­schaft nicht ent­gegen (BFH, Urteil v. 1.2.2024 - IV R 26/21; veröf­fent­licht am 21.3.2024).

Hintergrund: Nach § 10a Satz 1 GewStG wird der maß­gebende Gewerbe­ertrag bis zu einem Betrag in Höhe von 1 Mio. € um die Fehlbeträge gekürzt, die sich bei der Ermitt­lung des maß­gebenden Gewerbe­ertrags für die voran­gegange­nen Erhebungs­zeiträume nach den Vorschriften der §§ 7 bis 10 GewStG ergeben haben, soweit die Fehl­beträge nicht bei der Ermitt­lung des Gewerbe­ertrags für die voran­gegange­nen Erhebungs­zeiträume berück­sichtigt worden sind. Der 1 Mio. € über­steigende maß­gebende Gewerbe­ertrag ist nach § 10a Satz 2 GewStG bis zu 60 % um nicht berück­sichtigte Fehlbeträge der voran­gegangenen Erhebungs­zeiträume zu kürzen. Die Höhe der vortrags­fähigen Fehlbeträge ist gesondert festzustellen (§ 10a Satz 6 GewStG).

Die Geltendmachung eines Gewerbe­verlustes setzt nach höchst­richterlicher Recht­sprechung sowohl Unter­nehmens­identität als auch Unter­nehmer­identität voraus (vgl. zum Ganzen BFH, Urteil v. 17.1.2019 - III R 35/17, BStBl II 2019, 407, Rz 18 ff.).

Sachverhalt: Streitig ist, ob der für eine Kapital­gesellschaft festgestellte Gewerbe­verlust im Fall der Einbringung ihres Betriebs in eine Personen­gesell­schaft auf diese übergeht:

Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG. Gesell­schafter der Klägerin sind die im US-Bundesstaat Delaware gegründete und ansässige G Limited Liability Company (LLC) - G - als alleinige Komman­ditistin sowie die G GmbH als Komple­mentärin, die nicht am Gewinn und Verlust der Klägerin beteiligt ist. Allein­gesell­schafterin der Komple­mentärin ist ebenfalls die G.

Im Oktober 2011 brachte die G ihre im Handels­register eingetragene Betriebs­stätte mit Sitz in B in die Klägerin ein. Hierbei übertrug die G das gesamte Aktiv- und Passiv­vermögen der Betriebs­stätte einschließlich der immate­riellen und nicht bilanzierten Vermögens­gegen­stände (z.B. Kundenstamm, Geschäfts- und Firmenwert, gewerb­liche Schutzrechte) auf die Klägerin, die zugleich in alle bestehenden Dauer­schuld­verhältnisse, Arbeits­verhältnisse und sonstigen Vertrags­verhältnisse der Betriebs­stätte eintrat.

Nach der Einbringung führte die Klägerin den Betrieb der einge­tragenen deutschen Betriebs­stätte der G vollum­fänglich fort. Die eingetragene Betriebs­stätte der G wurde gelöscht. Neben der Mit­unter­nehmer­stellung als Komman­ditistin der Klägerin sowie dem Halten der Anteile an der Komple­mentärin entfaltete die G keine weiteren operativen gewerb­lichen Aktivitäten in Deutschland mehr.

Das FA B hatte auf den 31.12.2010 für die eingetragene deutsche Betriebs­stätte der G einen vortrags­fähigen Gewerbe­verlust nach § 10a GewStG in Höhe von 1.481.837 € festgestellt. Aufgrund eines Gewinns der G im Jahr 2011 in Höhe von 2.843 € wurde der vortrags­fähige Gewerbeverlust auf den 31.12.2011 mit Fest­stellungs­bescheid des Finanzamts A vom 29.1.2014 mit 1.478.994 € festgestellt. Im Jahr 2012 ergab sich für die G ein Verlust in Höhe von 8.107 €, sodass sich der zum 31.12.2012 festzustellende vortragsfähige Gewerbeverlust der G mit Feststellungsbescheid des Finanzamts A vom 20.02.2014 auf 1.487.101 € erhöhte. Für die Jahre 2013 bis 2018 ergingen Gewerbe­steuer­mess­bescheide jeweils ausgehend von einem Gewinn in Höhe von 0 €, sodass für die Folgejahre jeweils der identische vortragsfähige Gewerbe­verlust festgestellt wurde.

Nach Einbringung der Betriebsstätte der G und ihrer Fortführung durch die Klägerin beantragte diese im Rahmen ihrer Gewerbe­steuer­erklärungen für die Erhebungszeiträume ab 2011 die Nutzung beziehungs­weise Fortführung des entstandenen Gewerbe­verlustes. Dieser wurde sowohl im Rahmen der Ermittlung des Gewerbe­steuermess­betrags als auch im Rahmen der Feststellung des vortrags­fähigen Gewerbe­verlustes auf den 31.12.2011 nicht berücksichtigt., da keine Unternehmensidentität bestehe.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz Erfolg (FG Köln, Urteil v. 27.10.2021 - 3 K 2815/16).

Die Richter des BFH wiesen die Revision des FA zurück:

  • Der für die G auf den 31.12.2010 festgestellte vortrags­fähige Gewerbe­verlust kann aufgrund von Unter­nehmens­identität mit dem im Erhebungszeitraum 2011 von der Klägerin erzielten Gewerbeertrag verrechnet werden. Das Merkmal der Unter­nehmens­identität ist gegeben.
  • Da es sich bei der Klägerin um eine Personengesellschaft handelt, ist das Merkmal der Unternehmens­identität im Ausgangspunkt nach den für Personen­gesell­schaften geltenden (allgemeinen) Rechtsgrundsätzen zu beurteilen.
  • Nach allgemeinen Grundsätzen ist Unternehmens­identität in Fällen wie dem vorliegenden zu bejahen. Ob die Betätigung unverändert geblieben ist, muss nach dem Gesamtbild der Tätigkeit unter Berücksichtigung ihrer wesent­lichen Merkmale beurteilt werden, wie insbesondere der Art der Betätigung, des Kunden- und Lieferanten­kreises, der Arbeit­nehmer­schaft, der Geschäfts­leitung, der Betriebsstätten sowie der Zusammen­setzung des Aktivvermögens. Unter Berück­sichtigung dieser Merkmale muss ein wirtschaftlicher, organisatorischer und finanzieller Zusammen­hang zwischen den Betätigungen bestehen (z.B. BFH, Urteil v. 11.10.2012 - IV R 38/09, BStBl II 2013, 958, Rz 24). Einen solchen Zusammen­hang hat die Vorinstanz vorliegend in revisions­rechtlich nicht zu beanstandender Weise bejaht.
  • Der Nutzung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes durch die Mitunter­nehmer­schaft steht nicht entgegen, dass der Verlust in der Person einer (fort­bestehenden) Kapital­gesellschaft entstanden ist, für die § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG gilt.
  • Überträgt die Kapitalgesellschaft ihren gesamten Betrieb auf eine Personen­gesell­schaft, unterhält sie nach der Einbringung gewerbe­steuerr­echtlich keinen (identischen) Gewerbe­betrieb im Sinne des Merkmals der Unter­nehmens­identität mehr. Ihre zivilrechtliche Existenz reicht dafür nicht aus. Im Fall einer solchen "Totalausgliederung" tritt die (rechtliche) Gewerblichkeits­fiktion des § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG hinter die tatsächliche identitäts­wahrende Fortführung des Unter­nehmens durch die Mitunter­nehmer­schaft zurück. Führt die Übernehmerin das "gleiche Unternehmen" fort, steht ihr der Abzug des Gewerbe­verlustes zu.
  • Dem steht nicht entgegen, dass die Kapitalgesellschaft im Zuge der Einbringung des Betriebs Mitunter­nehmer­anteile erwirbt. Hierin liegt - mit Blick auf das Merkmal der Unter­nehmens­identität - keine relevante Tätigkeit. Der Betrieb der Kapital­gesellschaft ist nach der Einbringung nur noch eine "leere Hülle".
  • Nur diese Sichtweise wird dem Objektsteuercharakter der Gewerbe­steuer (vgl. BVerfG, Beschluss v. 15.1.2008 - 1 BvL 2/04, Rz 5) gerecht, auf dem auch das Merkmal der Unter­nehmens­identität gründet. Dieser gebietet es, auf die tatsächliche Fortführung der gewerblichen Betätigung abzustellen, nicht auf eine rechts­technische Fiktion.
  • Der Umstand, dass die G eine Beteiligung an der Komplementär-GmbH hält, führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Beteiligung stellt sog. Sonder­betriebsv­ermögen II der G bei der Klägerin dar und gehört damit - auch gewerbe­steuer­rechtlich - nicht zum Betriebs­vermögen der G (vgl. BFH, Urteil v. 16.4.2015 - IV R 1/12, BStBl II 2015, 705, m.w.N.). Sie begründet keine relevante Tätigkeit der G.

 
Quelle: BFH, Urteil v. 1.2.2024 - IV R 26/21; NWB Datenbank (il)

 
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