Online-Nachricht - Donnerstag, 04.04.2024
Gewerbesteuer | Umfang der Fiktion des § 7 Satz 3 GewStG (BFH)
§ 7 Satz 3 GewStG fingiert keinen Gewerbebetrieb, sondern setzt das Bestehen eines solchen voraus. Gewinne aus Sondervergütungen i.S. des § 5a Abs. 4a Satz 3 EStG, die auf den Zeitraum nach der Einstellung der werbenden Tätigkeit einer Personengesellschaft entfallen, gehören daher nicht zum Gewerbeertrag (BFH, Urteil v. 22.2.2024 - IV R 14/21; veröffentlicht am 4.4.2024).
Hintergrund: Nach § 5a EStG können Gewerbebetriebe mit Geschäftsleitung im Inland ihren Gewinn aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr auf Antrag nach der im Betrieb geführten Tonnage ermitteln. Dieser nach § 5a EStG ermittelte Gewinn gilt als Gewerbeertrag i.S. von § 7 Satz 1 GewStG. Der BFH zählte in ständiger Rechtsprechung hierzu auch die nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HS 2 EStG hinzuzurechnenden Sondervergütungen. Nachdem der BFH mit drei Entscheidungen vom 25.10.2018 - IV R 35/16; IV R 40/16 und IV R 41/16 seine Rechtsprechung hinsichtlich der Hinzurechnung der Unterschiedsbeträge gem. § 5a Abs. 4 EStG geändert hatte und nunmehr die Hinzurechnung eines Unterschiedsbetrages nicht mehr zum „nach § 5a EStG ermittelten Gewinn“ i.S. von § 7 Satz 3 GewStG zählte, ergänzte der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften - WElektroMobFördG (sog. JStG 2019) § 7 Satz 3 GewStG um den Zusatz "einschließlich der Hinzurechnungen nach § 5a Abs. 4 und 4a EStG" mit Rückwirkung auf die Erhebungszeiträume ab 2008.
Sachverhalt: Streitig ist, ob die Haftungsvergütung der Komplementärin einer nach der Tonnage besteuerten Schifffahrtsgesellschaft auch insoweit Bestandteil des fiktiven Gewerbeertrags im Sinne von § 7 Satz 3 Alternative 1 GewStG ist, als sie auf die Zeit nach Einstellung der werbenden Tätigkeit der Gesellschaft entfällt. Das FA vertrat die Auffassung, dass § 7 Satz 3 GewStG nicht nur den Gewerbeertrag, sondern auch einen Gewerbebetrieb fingiert mit der Folge, dass die nach Einstellung der werbenden Tätigkeit entstandenen Sondervergütungen hinzuzurechnen sind. Die Klägerin war dagegen der Ansicht, dass ihr Gewerbebetrieb mit der Veräußerung des Schiffs beendet worden sei, sodass die auf den Zeitraum nach der Veräußerung entfallende Haftungsvergütung nicht mehr der Gewerbesteuer unterliege. Ihre Klage hatte in allen Instanzen Erfolg (Vorinstanz: FG Hamburg, Urteil v. 4.5.2021 - 2 K 61/19, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 30.9.2021).
Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:
- Die streitgegenständliche Sondervergütung - d.h. jener Teil der Haftungsvergütung, der auf die Zeit nach dem Ende der sachlichen Gewerbesteuerpflicht der KG entfällt - zählt nicht zum Gewerbeertrag, da § 7 Satz 3 Alternative 1 GewStG keinen Gewerbebetrieb fingiert, sondern das Bestehen eines solchen voraussetzt.
- Entgegen der Auffassung des FA fingiert § 7 Satz 3 GewStG i.d.F. des WElektroMobFördG keinen Gewerbebetrieb, sondern setzt - wie allgemein für die Ermittlung des Gewerbeertrags - das Bestehen eines solchen voraus (ebenso Franke in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann, GewStG, 2. Aufl., § 7 Rz 117; Specker in Glanegger/Güroff, GewStG, 11. Aufl., § 7 Rz 14; vgl. BFH-Urteil v. 30.8.2012 - IV R 54/10, BStBl II 2012, 927, Rz 27, zu § 7 Satz 2 GewStG; a.A. Bruns, DStR 2018, 441).
- § 7 Satz 3 GewStG i.d.F. des WElektroMobFördG enthält - wie bereits § 7 Satz 3 GewStG a.F. - für den Bereich der Besteuerung nach der Tonnage eine Fiktion des Gewerbeertrags, wie der Wortlaut ("gilt") zeigt. Dass die Norm darüber hinaus - wie das FA meint - für den Bereich der Besteuerung nach der Tonnage das Bestehen eines Gewerbebetriebs fingiert, ist dem Wortlaut nicht zu entnehmen.
- § 7 Satz 3 GewStG i.d.F. des WElektroMobFördG erwähnt die sachliche Gewerbesteuerpflicht (§ 2 GewStG) nicht und lässt auch im Übrigen nicht erkennen, dass eine Regelung zum Beginn oder zum Ende der sachlichen Gewerbesteuerpflicht getroffen werden soll. Stattdessen verweist § 7 Satz 3 GewStG i.d.F. des WElektroMobFördG (unverändert) auf § 7 Satz 1 GewStG, der nach allgemeiner Auffassung das Bestehen eines Gewerbebetriebs voraussetzt. Nach dem Ende der werbenden Tätigkeit des Betriebs entstehende Gewinne oder Verluste zählen dementsprechend nicht mehr zum Gewerbeertrag nach § 7 Satz 1 GewStG (vgl. z.B. BFH, Urteil v. 18.5.2017 - IV R 30/15, Rz 18).
- Gegen das vom FA für zutreffend erachtete Normverständnis spricht zudem die systematische Stellung der Vorschrift, die im (zweiten) Abschnitt über die Bemessung der Gewerbesteuer angesiedelt ist, während die Regelungen zum Gewerbebetrieb als sachlichem Steuergegenstand dem ersten Abschnitt des Gewerbesteuergesetzes zugeordnet sind.
- Der Gesetzesbegründung kann ebenfalls nicht entnommen werden, dass § 7 Satz 3 GewStG i.d.F. des WElektroMobFördG - neben einem fiktiven Gewerbeertrag - auch einen fiktiven Gewerbebetrieb bestimmt.
- Darüber hinaus widerspricht das vom FA für zutreffend erachtete Normverständnis dem Wesen der Gewerbesteuer als einer auf den tätigen Gewerbebetrieb bezogenen Sachsteuer (vgl. BFH, Urteil v. 12.5.2016 - IV R 1/13, BStBl II 2017, 489, Rz 25). Gegenstand der Gewerbesteuer ist nur der auf den laufenden Betrieb entfallende, durch eigene gewerbliche Leistungen entstandene Gewinn (BFH, Urteile v. 30.8.2022 - X R 17/21, BStBl II 2023, 396, Rz 17; v. 12.5.2016 - IV R 1/13, BStBl II 2017, 489, Rz 25).
Quelle: BFH, Urteil v. 22.2.2024 - IV R 14/21; NWB Datenbank (il)
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