Online-Nachricht - Freitag, 10.05.2024

Lohnsteuer | Pauscha­lierung bei Betriebs­veran­stal­tungen, die nicht allen Betriebs­ange­hörigen offen­stehen (BFH)

Nach der ab dem VZ 2015 geltenden Legal­defini­tion in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 1 EStG kann eine Betriebs­veran­stal­tung auch dann vor­liegen, wenn sie nicht allen Ange­hörigen eines Betriebs oder eines Betriebs­teils offen­steht. Das Tat­bestands­merkmal Betriebs­veran­stal­tung in § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG ent­spricht der Legal­defini­tion in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 1 EStG (BFH, Urteil v. 27.3.2024 - VI R 5/22; veröf­fent­licht am 10.5.2024).

Hintergrund: Nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG kann der Arbeit­geber die Lohnsteuer mit einem Pausch­steuersatz von 25 % erheben, wenn er Arbeitslohn aus Anlass von Betriebs­veranstal­tungen zahlt. Maßgebend für das Vorliegen von Arbeitslohn ist für den Streitzeit­raum 2015 § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG i.d.F. des Gesetzes zur Anpas­sung der Abgaben­ordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuer­licher Vorschriften vom 22.12.2014 (BGBl I 2014, 2417).

Sachverhalt: Die Klägerin veranstaltete im Jahr 2015 in eigenen Räumlich­keiten eine Weihnachts­feier, zu der nur die Vorstands­mitglieder eingeladen waren. Die von ihr hierfür aufgewendeten Kosten betrugen insgesamt rund 8.000 €.

Darüber hinaus richtete die Klägerin im selben Jahr eine Weihnachts­feier für Mitarbeiter aus, die zum sog. oberen Führungskreis beziehungs­weise Konzern­führungskreis gehörten. Dabei handelte es sich um Mitarbeiter, die eine bestimmte Karrierestufe erreicht hatten, aber keinen eigen­ständigen Betriebsteil bildeten. Für diese Veranstal­tung wendete die Klägerin insgesamt rund 168.500 € auf.

Die ihren Vorstandsmitgliedern und dem Führungskreis mit den jeweiligen Weihnachts­feiern zugewandten Vorteile unterwarf die Klägerin nicht dem Lohnsteuer­abzug.

Das FA vertrat die Auffassung, die Klägerin habe die Lohnver­steuerung zu Unrecht unterlassen. Die beantragte Lohnsteuer­pauscha­lierung könne nicht gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG mit einem Pauschsteuersatz von 25 % erfolgen. Denn der Begriff der Betriebsveranstaltung setze ungeachtet der Einfügung einer Legaldefinition in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 1 EStG mit Wirkung vom 1.1.2015 weiterhin voraus, dass die Teilnahme an der Veranstaltung allen Arbeit­nehmern des Betriebs oder des Betriebsteils offenstehe. Entsprechend dieser Rechtsauf­fassung erließ das FA einen Nach­forderungs­bescheid.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz keinen Erfolg (FG Köln, Urteil v. 27.1.2022 - 6 K 2175/20).

Die Richter des BFH dagegen hoben das erstinstanz­liche Urteil auf und gaben der Klage statt:

  • Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass die Klägerin den Arbeitslohn, den sie ihren Vorstands­mitgliedern und den Führungskräften mit der Teilnahme an den Weihnachts­feiern als Sachbezug zugewandt hat, nicht gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG mit einem Pausch­steuersatz von 25 % versteuern kann.
  • Bei den Weihnachtsfeiern des Vorstands und der Führungskräfte handelt es sich um Betriebs­veranstal­tungen im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 1 EStG. Dass die Veranstaltungen nicht allen Betriebs­angehörigen offenstanden, steht dem nicht entgegen.
  • Betriebsveranstaltungen sind nach der mit Wirkung zum 1.1.2015 durch das Gesetz zur Anpassung der Abgaben­ordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften eingefügten Legal­definition in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 1 EStG Veranstaltungen auf betrieblicher Ebene mit gesell­schaftlichem Charakter.
  • Bis zu der gesetzlichen Neuregelung hat der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung unter den Begriff der Betriebs­veranstal­tung nur Veranstaltungen auf betrieblicher Ebene mit gesellschaft­lichem Charakter subsumiert, bei denen die Teilnahme grundsätzlich allen Betriebs­angehörigen offenstand (z.B. BFH, Urteile v. 16.5.2013 - VI R 94/10, 519, BStBl II 2015, 186, Rz 18 und v. 16.5.2013 - VI R 7/11, BFHE 241, 525, BStBl II 2015, 189, Rz 19).
  • Das bisherige Begriffsverständnis des Senats greift § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 1 EStG jedoch nur teilweise auf. So hat das auf der Rechtsprechung des Senats gründende Tatbestands­merkmal des Offenstehens in der gesetzlichen Legal­definition der Betriebs­veranstaltung keinen Niederschlag gefunden. Diese Voraussetzung findet sich (nunmehr) vielmehr in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 3 EStG und steht damit nur noch in Verbindung mit der Gewährung des Freibetrags in Höhe von 110 €.
  • Unter Heranziehung des Wortlauts des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 1 EStG setzt eine Betriebs­veranstaltung ab dem VZ 2015 mithin nur noch eine Veranstal­tung auf betrieblicher Ebene mit gesellschaftlichem Charakter voraus. Eine Veranstaltung, an der - wie im Streitfall an den Weihnachts­feiern - ausschließlich Beschäftigte des Betriebs und deren Begleit­personen teilnehmen können, ist vom Wortsinn her eine solche Betriebs­veranstaltung, auch wenn diese Veranstaltung nicht allen Ange­hörigen eines Betriebs offensteht.
  • Davon geht offensichtlich auch die Finanzverwaltung aus und sieht Veranstal­tungen auf betrieblicher Ebene mit gesellschaft­lichem Charakter ‑ wie beispielsweise Betriebs­ausflüge, Weihnachts­feiern und Jubiläums­feiern ‑ als Betriebs­veranstaltungen an, wenn der Teilnehmer­kreis sich überwiegend aus Betriebs­angehörigen, deren Begleitpersonen und gegebenen­falls Leiharbeit­nehmern oder Arbeit­nehmern anderer Unternehmen im Konzern­verbund zusammen­setzt. Ein Offen­stehen der Veranstal­tung für alle Beschäftigten wird anders als in den bis zum Veranlagungs­zeitraum 2014 geltenden Lohnsteuer-Richtlinien R 19.5 Abs. 2 Satz 1 nicht mehr gefordert (vgl. BMF, Schreiben v. 14.10.2015, BStBl I 2015, 832, unter 1.).
  • Diese Auslegung am Wortlaut der Vorschrift wird durch die Gesetzes­systematik bestätigt: die historische Auslegung steht dem ebenfalls nicht entgegen.
  • Schließlich gebieten auch Sinn und Zweck der Vorschrift kein vom Wortlaut abweichendes Verständnis des Begriffs der Betriebs­veranstaltung. Die Neuregelung in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG dient der Steuervereinfachung und insbe­sondere auch der Überschreibung der früheren Senatsrecht­sprechung zur Bewertung der Leistungen nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG (hierzu vgl. BFH, Urteile v. 16.5.2013 - VI R 94/10, BStBl II 2015, 186, Rz 19 ff. und v. 16.5.2013 - VI R 7/11, BStBl II 2015, 189, Rz 21 ff.), nach der Gemeinkosten insbe­sondere für den äußeren Rahmen einer Veranstaltung ebenso wenig zu einem geldwerten Vorteil des Arbeitnehmers führten wie Zuwendungen an dessen Begleitpersonen.

 
Quelle: BFH, Urteil v. 27.3.2024 - VI R 5/22; NWB Datenbank (il)

 
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im VI. Senat des BFH Dr. Stephan Geserich gelangen Sie hier (Login erforderlich).

Cookies erforderlich

Um fortfahren zu können, müssen Sie die dafür zwingend erforderlichen Cookies zulassen. Diese gewährleisten den vollen Funktionsumfang unserer Seite, ermöglichen die Personalisierung von Inhalten und können für die Ausspielung von Werbung oder zu Analysezwecken genutzt werden. Lesen Sie auch unsere Datenschutzerklärung.