Digitalisierung, Klimaschutz und Corona-Pandemie – Zeitenwende im Steuerrecht

Das Steuerrecht ist tief in unsere Marktwirtschaft eingebettet und erfährt durch die Digitalisierung einen stetig zunehmenden strukturellen Wandel. Digitalisierung und Transformation sind letztlich mehr als nur Schlagworte.

Scheinbar unaufhaltsam durchdringen algorithmenbasierte Systeme sämtliche Bereiche unseres Lebens und führen zu einer momentan noch unvorhersehbaren technologisch-ökonomisch-gesellschaftlichen Transformation. So enthält der am 24.11.2021 vorgestellte Koalitionsvertrag für die 20. Legislaturperiode zahlreiche steuerpolitische Vorhaben, die sich schwerpunktmäßig mit der Digitalisierung des Steuersystems, der Modernisierung der Steuerprüfung und der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und aggressiver Steuervermeidung befassen. Dementsprechend wollen die Koalitionsparteien die Digitalisierung des Besteuerungsverfahrens konsequent vorantreiben und dafür Sorge tragen, „dass steuerliche Regelungen grundsätzlich auch digital umsetzbar sind“ (SPD/Bündnis 90/Die Grünen/FDP, Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit, Koalitionsvertrag 2021-2025, S. 166). Eine solche Verknüpfung von Informationstechnologie und (Steuer-)Recht schafft gerade im Lohnsteuerabzugsverfahren neue Möglichkeiten der Datenverknüpfung und -auswertung. Auch die weltweite Corona-Pandemie hat den Transformationsdruck nochmals erhöht und in der personalwirtschaftlichen Prozessgestaltung tiefe Spuren hinterlassen. Es verwundert deshalb nicht, dass New-Work-Konzepte (Homeoffice, Crowdworking etc.) und IT-gestützte Automatisierungen veränderte Anforderungen an die Arbeitnehmerbesteuerung stellen. So wurde bspw. mit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 4 EStG eine sog. Homeoffice-Pauschale eingeführt, die pandemiebedingt die bis dato bestehenden Hürden des steuerlichen Arbeitszimmerregimes reduzierte. Vor diesem Hintergrund ist das Steuerrecht nicht nur dazu aufgefordert, übergeordnete Ziele wie den Klimaschutz, die Chancengleichheit und die Steuergerechtigkeit zu adressieren, sondern auch dazu, den technologisch-gesellschaftlichen Wandel mitzugestalten.

1. Der Arbeitnehmer als Steuerbürger

Für Staat, Gesellschaft und Bürger ist das Steuerrecht von größter praktischer Relevanz. Wohl in keinem anderen Rechtsgebiet begegnen wir dem Staat häufiger als im Steuerrecht. Bereits mit unserer Geburt treten wir in ein Steuerrechtsverhältnis ein und bekommen eine Steueridentifikationsnummer zugewiesen (§ 139a AO). Mit Eintritt ins Erwerbsleben verdichtet sich dieses Rechtsverhältnis schließlich zu einem Schuldverhältnis, welches fortan prägend auf unser jeweiliges Handeln einwirkt. Indem Preise beeinflusst und Gewinne abgeschöpft werden, entfaltet der steuerliche Eingriff eine regulierende Wirkung; die Einflussnahme auf Wirtschaftsprozesse ist letztlich allgegenwärtig. Vor diesem Hintergrund nimmt die Höhe der Steuerlast Einfluss darauf, ob wir unser Einkommen investieren, ob wir konsumieren oder doch lieber sparen. Im Ergebnis durchdringt das Steuerrecht die Vermögens- und Privatsphäre eines jeden Einzelnen, weshalb der Staat auch für eine gerechte Aufteilung der Steuerlast zu sorgen hat (Kälberer/Gölz-Kälberer, Besteuerung der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, 2021, S. 1 m. w. N.).

2. Bedeutung der Arbeitnehmerbesteuerung

Die Lohnsteuer gehört zu den ergiebigsten Steuerarten in Deutschland. Gemessen an ihrem Aufkommen steht sie indes häufig im Schatten des Unternehmen-, Erbschaft- und Umsatzsteuerrechts. Angesichts demografischer Veränderungen und des Bedarfs an hochqualifizierten Arbeitnehmern rückt die Arbeitnehmerbesteuerung jedoch immer mehr in den Fokus des steuerpolitischen Interesses. Vorrangig geht es hier um die Wahrung eines stabilen Steueraufkommens. Da die Finanzverwaltung einen erheblichen Teil des Veranlagungsverfahrens auf die Arbeitgeber übertragen hat, sind diese auf eine reibungslose Abwicklung der Lohnbesteuerung angewiesen (Kälberer/Gölz-Kälberer, a. a. O., S. 9 f. m. w. N.). Gleichwohl müssen Arbeitgeber und ihre steuerlichen Berater regelmäßig neue Rechtsvorschriften bzw. -änderungen anwenden, wie sie z. B. jüngst durch die Erhöhung des Grundfreibetrags auf 9.984 € bzw. auf 19.968 € bei Zusammenveranlagung, die Erhöhung der steuerfreien Zuwendung bei Sachbezügen gem. § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG von 44 € auf 50 € oder die dauerhafte Erhöhung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende gem. § 24b Abs. 2 EStG auf 4.008 € zum Ausdruck kamen (Kälberer, Die Steuerfachangestellten 02/2022 S. 22). Weitere Impulse ergeben sich nun aus dem „Vierten Corona-Steuerhilfegesetz“ oder dem geplanten „Steuerentlastungsgesetz 2022“, das laut Referentenentwurf

  • die Anhebung des Arbeitnehmer-Pauschbetrags um 200 € auf 1.200 €,
  • die Anhebung des Grundfreibetrags für 2022 von derzeit 9.984 € um 363 € auf 10.347 € und
  • das Vorziehen der bis 2026 befristeten Anhebung der Entfernungspauschale für Fernpendler (ab dem 21. Kilometer) auf 38 Cent

rückwirkend zum 1.1.2022 vorsieht.

Angesichts dieser Entwicklungen mag man von der „Zeitlichkeit“ des Steuerrechts sprechen, dessen Befolgbarkeit und Vorhersehbarkeit von permanenten Änderungen gefährdet wird (Kälberer/Gölz-Kälberer, a. a. O., S. 1 und 8 m. w. N.). Vor diesem Hintergrund bietet das jüngst im NWB Verlag erschienene Praktiker-Handbuch zur „Besteuerung der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit“ eine wichtige Orientierungshilfe für die Steuerrechtspraxis. Steuerfachangestellte erhalten darin nicht nur eine Aufarbeitung des theoretischen Hintergrundwissens, sondern auch eine konkrete Arbeitshilfe für ihren Praxisalltag. Zahlreiche Hinweise, Tipps und Beispiele vervollständigen dabei das Bild und liefern eine verständliche und zugleich praxisnahe Aufbereitung der Arbeitnehmerbesteuerung. Damit richtet sich das Werk auch an diejenigen, die einen ersten Zugang zu dieser Materie suchen.

Autoren

Dipl.-Kffr. Beate Gölz-Kälberer ist als Steuerberaterin in eigener Kanzlei tätig. Nach der mit Prädikat abgeschlossenen Ausbildung zur „Fachgehilfin in steuer- und wirtschaftsberatenden Berufen“ studierte sie Betriebswirtschaftslehre an der Universität Regensburg und der Eberhard Karls Universität Tübingen. Mit der Qualifizierung als „Landwirtschaftliche Buchstelle“, der Teilnahme an der Fortbildung zum „Fachberater für Sanierung und Insolvenzverwaltung (DStV e. V.)“ sowie der Zertifizierung als Testamentsvollstreckerin durch die „Arbeitsgemeinschaft Testamentsvollstreckung und Vermögenssorge (AGT) e. V.“ erwarb sich Frau Gölz-Kälberer weitere fachspezifische Kenntnisse. Sie wird zudem vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) als Unternehmensberaterin geführt.

Prof. Dr. Daniel R. Kälberer lehrt an der IU Internationale Hochschule in Berlin Steuern und Rechnungswesen. Er ist leitender Gesellschafter einer Unternehmensberatung und wird vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) als Unternehmensberater geführt. Er ist zudem zertifizierter Tax Compliance Officer (C.H.BECK). Prof. Dr. Kälberer studierte Economics and Business Administration (B. Sc.) an der Eberhard Karls Universität Tübingen sowie Betriebswirtschaftslehre (M. Sc.) mit Vertiefung im Bereich Finance, Accounting, Taxation (FACT) an der Universität Bayreuth. Neben Tätigkeiten im In- und Ausland war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre und Prüfungswesen von Herrn Prof. Dr. Holger Kahle an der Universität Hohenheim tätig.

Besteuerung der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit

Besteuerung der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit

Praxisleitfaden für Steuerfachangestellte

Von Dr. oec. Daniel R. Kälberer und Dipl.-Kffr. Beate Gölz-Kälberer, Steuerberaterin

1. Auflage. 2021. XVIII, 188 Seiten. Broschur.
ISBN: 978-3-482-67931-5

Preis: 39,90 €

Cookies erforderlich

Um fortfahren zu können, müssen Sie die dafür zwingend erforderlichen Cookies zulassen. Diese gewährleisten den vollen Funktionsumfang unserer Seite, ermöglichen die Personalisierung von Inhalten und können für die Ausspielung von Werbung oder zu Analysezwecken genutzt werden. Lesen Sie auch unsere Datenschutzerklärung.