Einheitsbewertung – Bemessung der Grundsteuer verfassungswidrig (BVerfG)

Ein Beitrag von Tobias Schneider (Steuerberater und Partner bei CMS Hasche Sigle, Stuttgart, ist auf die steuerliche Begleitung von Immobilientransaktionen sowie nationalen und internationalen Unternehmenstransaktionen spezialisiert. Dabei verfügt er vor allem über langjährige Erfahrung in der Beratung von Immobilienfonds)

Am 10.4.2018 hat das BVerfG entschieden, dass die Einheitsbewertung gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes (Art. 3 Abs. 1 GG) verstößt und somit verfassungswidrig ist. Diese Entscheidung kam im Ergebnis wenig überraschend. Die Argumente des BFH, welcher immerhin drei der anhängigen Verfahren dem BVerfG vorgelegt hatte, ließen wenig Raum für eine valide Gegenargumentation. Die „Wertverzerrungen“, des aus dem überlangen Hauptfeststellungszeitraum, welcher in den alten Bundesländern seit dem 1.1.1964 und in den neuen Bundesländern seit dem 1.1.1935 läuft, sind für die Verfassungswidrigkeit der Ein-heitsbewertung ursächlich. Ebenfalls verwirft das BVerfG die vielleicht noch ehesten denkbaren Rechtfertigungsargumente der allgemeinen Unterbewertung der Immobilien sowie die vergleichsweise geringe Belastung durch die Grundsteuer. Auch diese Argumente vermochten in den Augen der Richter also nicht die verfassungswidrige Ungleichheit zu heilen.

Das Gericht hat dem Gesetzgeber nun aufgegeben, bis spätestens Ende 2019 die verfassungs-widrige Rechtslage zu beseitigen und eine entsprechend verfassungskonforme Neuregelung zu schaffen. Wenn der Gesetzgeber diese Frist einhält, hat das Gericht darüber hinaus eine Fortgeltung der Einheitswerte bis längstens zum 31.12.2024 angeordnet. Ab 2025 dürfen jedoch keine Belastungen mehr auf die verfassungswidrigen Regelungen gestützt werden.

Zur Reform der Grundsteuer hat es in der Vergangenheit mehrfach gesetzgeberische Bemü-hungen gegeben. Diese werden nun sicherlich nochmals politisch zu diskutieren sein. Zur zukünftigen Ausgestaltung der Grundsteuer macht das BVerfG keine konkreten Vorgaben, sondern verweist vielmehr auf die breiten Gestaltungsoptionen des Gesetzgebers und dessen Möglichkeiten zur Vereinfachung und Pauschalierung. So hält das BVerfG sowohl eine Aktu-alisierung des bisherigen Systems als auch deutlich einfachere Methoden für gangbar im Lichte des Grundgesetzes.

Welche Option sich nun politisch durchsetzen wird, ist aus heutiger Sicht nicht vorherzusagen. Auf dem Tisch liegen die Vorschläge des Bundesrates aus dem Jahr 2016, nach welchen eine Neubewertung anhand eines Kostenwertmodells durchgeführt werden könnte. In jedem Fall wird man sich bei zukünftigen Modellen mehr an den tatsächlichen Verhältnisse orientieren müssen. Zu diesen gehören, so auch die Erkenntnis aus der Entscheidung des BVerfG, auch die tatsächlichen Wertverhältnisse.

Der Vorschlag des Bundesrates aus dem Jahr 2016 sah eine Anpassung bzw. Überprüfung des Einheitswerts in Sechs-Jahres-Abständen vor. Nachdem gerade diese Anpassung in der Vergangenheit aufgrund des damit einhergehenden Verwaltungsaufwands gescheut wurde bzw. für nicht realistisch erachtet wurde, wird der Gesetzgeber gut beraten sein, die Durchführbarkeit und Administrierbarkeit des Gesetzes entsprechend in die Betrachtung einzubeziehen.

Das BVerfG hat keinen Zweifel daran gelassen, dass spätestens ab 2025 keine Belastungen mehr auf die verfassungswidrigen Einheitswerte gestützt werden dürfen. Das bedeutet, dass die Exekutive zügig wird ans Werk gehen müssen, um die Bewertungsaufgabe zu stemmen. Auch bei einem vereinfachten Bewertungsverfahren ist davon auszugehen, dass die Immobilieneigentümer hierzu erneut Feststellungserklärungen bei den Ämtern werden einreichen müssen. Abzuwarten bleibt insoweit, wie das genaue Zusammenspiel zwischen Erklärungsstichtag und den Angaben laut Steuererklärung ausgestaltet werden wird. Wird beispielsweise die Neubewertung auf den 1.1.2022 vorgenommen, so könnten denklogisch die Erklärungen für diesen Stichtag erst nach diesem Datum verlangt, vorbereitet und eingereicht werden. Eine Steuererhebung wäre dann ab 2025 nach den Maßgaben des BVerfG zwingend nur noch auf Basis dieser neuen Werte möglich.

Für den Steuerbürger stellt sich möglicherweise die Frage, ob man sich diesen Schutz der Grundrechte durch das BVerfG in dieser Form gewünscht hat. Denn trotz aller politischen Beteuerungen für eine aufkommensneutrale Reform der Grundsteuer, bleibt abzuwarten, ob die Grundsteuerreform ab (spätestens) 2025 tatsächlich aufkommensneutral erfolgen wird. Wesentliche Voraussetzung einer Aufkommensneutralität wäre es wohl, dass die einzelne Kommune den Hebesatz entsprechend neu justiert. Die Bürger haben also hier durchaus lokale Einwirkungsmöglichkeiten im Rahmen der kommunalen demokratischen Entscheidungsprozesse. Hierbei sei darauf hingewiesen, dass bereits heute die kommunalen Hebesätze stark voneinander abweichen. So wird in manchen Kommunen die Grundsteuer mit einem Hebesatz von 300 % oder gar weniger erhoben, während in anderen Kommunen der Hebesatz bei annähernd 1.000 % liegt. Auch insoweit bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten.

Quelle: BVerfG, Urteil v. 10.4.2018 - 1 BVL 11/14, 1 BvL 12/14, 1 BvL 1/15, 1 BvR 639/11, 1 BvR 889/12
Zitierungshinweis: Schneider, NWB-EV 5/2015 S. 150.


Bei diesem Beitrag handelt es sich um eine Vorabveröffentlichung aus der Ausgabe NWB-EV 5/2018.

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