Besser gewappnet für typische betriebswirtschaftliche Fragen Ihrer Mandanten

Häufig stellen Mandanten neben steuerlichen mittlerweile auch betriebswirtschaftliche Fragen und erwarten entsprechende Antworten. Das erfordert entsprechendes betriebswirtschaftliches Know-how. Sie können das betriebswirtschaftliche Know-how natürlich auch proaktiv nutzen, indem Sie Verbesserungsvorschläge für typische betriebswirtschaftliche Bereiche anbringen, die Sie vorher weniger im Blick hatten. Im Folgenden zeigen wir Ihnen am Beispiel des Themas Kontoüberziehungen, wie Sie dieses Thema in Ihrer Beratung nutzen und damit die Bindung zu Ihren Mandanten stärken können.

Das Thema „Kontoüberziehung als Gesprächsthema mit der Bank“

Eine Kontoüberziehung ist das Überschreiten der mit der Bank vereinbarten Kreditlinie auf dem Geschäftsgirokonto. Oder: Es ist keine Kreditlinie vereinbart und der Saldo des Kontos rutscht trotzdem ins Soll, also in eine Kreditinanspruchnahme. Damit ist eine Kontoüberziehung ein nicht vertragsgemäßer Zustand und der Kunde befindet sich rechtlich gesprochen im Verzug. Das sollte nun wirklich nicht sein.

Die Realität zeigt aber oft etwas anderes: Durch verschiedene Umstände kommt es eben doch immer wieder mal zu Kontoüberziehungen. Die Gründe dafür können vielfältig sein, beispielsweise: verspäteter Geldeingang seitens der Kunden, Vorfinanzierung von Aufträgen, in der Disposition des Kontos einfach nicht darauf geachtet, für den Geschäftsumfang nicht ausreichende Kontokorrentkreditlinien.

Bedeutung des Themas „Kontoüberziehung als Gesprächsthema mit der Bank“

Die Bedeutung des Themas resultiert aus der Reaktion der Bank auf eine Kontoüberziehung: Selbst wenn die Bank eine Überziehung der vereinbarten Kreditlinien toleriert, ist ein Verzug entstanden. Dieser wird sich beispielsweise negativ auf die Bonitätsbewertung des Kunden im Rahmen des Ratings auswirken. Die in den Ratingverfahren gestellten Fragen machen diese automatische Erfassung deutlich, wie z. B.:

  • Zahl der Überziehungstage?
  • Überziehungstage der letzten zwölf Monate?
  • Aktuelle Limit-Überziehung (in % der letzten zwölf Monate)?

Verfügbare Daten

Die für dieses Beratungsthema benötigten Daten liegen im Unternehmen vor:

  • Höhe des Anlagevermögens und Höhe der langfristigen Finanzierungsmittel,
  • Kreditverträge zu den vereinbarten Kontokorrentkreditlinien,
  • Inanspruchnahme der bestehenden Kontokorrentkreditlinien im Zeitverlauf,
  • Zahl, Höhe und Dauer der zurückliegenden Kontoüberziehungen,
  • Ergebnisse der Ratingverfahren bei allen Bankverbindungen.

Darüber hinaus sind Einschätzungen zur weiteren Unternehmensentwicklung wichtig: Welches Wachstum ist geplant mit welchen Auswirkungen auf die langfristige und kurzfristige Fremdfinanzierung?

Konkretes Vorgehen in der Beratung

1. Ist die Finanzierungsstruktur ausgewogen?

Der Einstieg ist der Abgleich der langfristigen Finanzierungsmittel (Eigenkapital und langfristige Darlehen) mit dem Anlagevermögen: Die langfristigen Finanzierungsmittel sollten höher sein als das Anlagevermögen. Damit besteht ein langfristiger Finanzierungsüberschuss, der einen Teil des Umlaufvermögens mitfinanziert.

Sollte diese Kennzahl (von den Kreditinstituten „Anlagendeckung“ genannt) kleiner als „1“ sein und damit eine langfristige Finanzierungslücke vorhanden sein, besteht Handlungsbedarf.

Checkliste: Maßnahmen bei entdeckter Finanzierungslücke

  • Prüfen der Ursache: Welche Investitionen in das Anlagevermögen sind wann nicht fristenkongruent finanziert worden?
  • Wie hoch ist die Finanzierungslücke?
  • Welche weiteren Investitionen stehen in den kommenden ein bis zwei Jahren an?
  • Wie können diese finanziert und gleichzeitig die bestehende langfristige Finanzierungslücke geschlossen werden? Die Zusammenfassung dieser beiden Themen ist mit Blick auf die zur Verfügung stehenden freien Vermögenswerte als Sicherheiten für die Kreditgeber sinnvoll. Für die künftigen Investitionen sind öffentliche Förderdarlehen und Leasing/Mietkauf zu berücksichtigen. Ob zum Beheben einer großen langfristigen Unterfinanzierung auch Sale-and-Lease-Back eine eventuell sinnvolle Gestaltung sein könnte, wäre ergänzend zu prüfen.
  • Erarbeiten einer die Anforderungen erfüllenden Finanzierungs- und Sicherheitenstrategie und deren Umsetzung.

2. Sind die Kontokorrentlinien ausreichend?

Bei vielen Unternehmen sind die vereinbarten Kontokorrentkreditlinien nicht ausreichend, um das aktuelle Geschäftsvolumen oder zukünftig geplantes Wachstum zu finanzieren. Indikatoren für eine solche Situation sind u. a.:

  • Es können nicht alle Skontoangebote der Lieferanten zu 100 % genutzt werden.
  • Die Inanspruchnahme der vereinbarten Kontokorrentlinien erfolgt häufig oder sogar immer fast zu 100 %. Auch dies ist ein Warnsignal in den Ratingsystemen.
  • Es muss immer mal wieder oder gar ständig überlegt werden, welche Zahlungen mit Priorität durchgeführt werden sollen, da nicht für alle anstehenden Zahlungen Platz in den vereinbarten Kontokorrentkreditlinien vorhanden ist.
  • Es sind in der Vergangenheit Kontoüberziehungen vorgekommen bzw. diese kommen auch aktuell immer wieder vor.

Selbst wenn nur einer dieser Indikatoren anschlägt, besteht Handlungsbedarf.

 

Checkliste: Maßnahmen bei nicht ausreichenden Kontokorrentlinien

  • Prüfen der bestehenden Kontokorrentkreditverträge mit Blick auch auf die vereinbarten Sicherheiten.
  • Abschätzen des zusätzlichen Kontokorrentkreditbedarfs insgesamt. Dies kann auf Basis der Erfahrungsdaten geschehen. Verlässlicher ist dafür das Erstellen einer Liquiditätsplanung.
  • Überlegung zur Verteilung des erforderlichen zusätzlichen Kontokorrentkreditbedarfs auf die bestehenden Bankverbindungen oder auch ggf. neue Kreditgeber – auch wieder mit Blick auf die Sicherheiten (siehe dazu auch Punkt 1).
  • Dabei sollte auch die Finanzierungsalternative Factoring für den gesamten oder Teile des Forderungsbestandes geprüft werden.
  • Führen der entsprechenden Kreditverhandlungen.

Ein spezielles Thema besteht dabei häufig bei Unternehmen mit ausgeprägt saisonaler Umsatzverteilung oder auch hohem zeitlichem Vorlauf auf der Materialseite. Solche Konstellationen führen häufig zu saisonalen Bedarfsspitzen in der Kontokorrentinanspruchnahme und damit oftmals auch zu Überziehungssituationen. In diesen Fällen sollten nach Möglichkeit entsprechend „saisonal atmende“ Kontokorrentkreditlinien vereinbart werden.

 

3. Werden die Geschäftsgirokonten gezielt disponiert?

Die bereits fast vollständige Inanspruchnahme eines vereinbarten Kontokorrentkredites sendet ein Warnsignal in die Ratingsysteme der Kreditinstitute und Kontoüberziehungen tun dies erst recht. Damit gilt es, durch eine gezielte Disposition der Geschäftsgirokonten beide Phänomene zu vermeiden. Dazu hat sich die Arbeit mit „Reservelinien“ bewährt: Es wird im Unternehmen ein Teilbetrag der vereinbarten Kontokorrentkreditlinie festgelegt, bis zu dem in der Tagesdisposition ohne weitere Rücksprachen Verfügungen getätigt werden können. Wird diese Reservelinie in der Kreditinanspruchnahme erreicht, wird innegehalten:

  • Die aktuell und in den kommenden Tagen anstehenden Verfügungen werden geprüft. Dies gilt für die selbst auszulösenden Überweisungen wie die von Dritten auszulösenden Lastschrifteinzüge.
  • Dagegen werden die erwarteten Zahlungseingänge gestellt. Hier ist ggf. ein erfahrungsbedingter Sicherheitsabschlag mit zu berücksichtigen.
  • Auf dieser Basis wird entschieden, welche selbst auszulösenden Zahlungen wann durchgeführt werden mit dem Ziel, keine Inanspruchnahme auszulösen, die in Richtung der vereinbarten Kontokorrentkreditlinien oder gar zu Überziehungen führt.

Diese Vorgehensweise gilt übrigens auch dann, wenn gar keine Kontokorrentkreditlinien vereinbart sind, weil diese für die laufende Finanzierung des Unternehmens aufgrund der vorhandenen Finanzierungsstruktur gar nicht benötigt werden. Die Geschäftsgirokonten werden also auf Guthabenbasis geführt. In diesen Fällen besteht die Reservelinie in einem Mindestguthaben, dessen Unterschreiten das „Innehalten“ auslöst.

Die Höhe der Reservelinien wird unternehmensindividuell festgelegt. Dabei können die Daten aus den Inanspruchnahmen der Vergangenheit (siehe Abschnitt IV) eine Richtschnur sein. Weitere Überlegungen könnten sich am monatlichen Gesamtaufwand oder Umsatz orientieren.

Praxishinweis: Oft ist ein praktikabler Einstieg schlicht das Festlegen eines Prozentsatzes der vereinbarten Kontokorrentkreditlinien (wie z. B. 70 %) bzw. eines Eurobetrages für das Mindestguthaben. Diese Festlegung wird dann im Zeitverlauf mit den Erfahrungen aus den täglichen Dispositionen überprüft und ggf. modifiziert.

 

4. Was tun, wenn sich eine Kontoüberziehung „trotz allem“ nicht vermeiden lässt?

Zur Beratungsaufgabe „Kontoüberziehung“ gehört auch, dem Mandanten eine Vorgehensweise für den „Fall der Fälle“ mit auf den Weg zu geben. Denn natürlich ergeben sich immer mal Situationen, bei denen trotz ausgewogener Finanzierungsstruktur und ausreichender Kontokorrentlinien Spitzen im Kontokorrentkreditbedarf auftreten, die sich aufgrund ihrer Einmaligkeit oder Kurzfristigkeit dann doch ggf. zügig und am einfachsten durch eine Kontoüberziehung bewältigen lassen. Solche Situationen können z. B. entstehen durch

  • einmalig verzögerten und von daher begründeten späteren Zahlungseingang eines größeren Kunden,
  • die Vorfinanzierung des Materialeinkaufs für einen (einmaligen, untypischen) größeren Auftrag,
  • die Nutzung einer günstigen Einkaufsmöglichkeit für Standardmaterial.

Wenn sich also Überziehungen im Einzelfall als kurzfristige Finanzierungsalternative sozusagen anbieten (oder auch: nicht vermeiden lassen), dann kommt es auf eine rechtzeitige und offene Kommunikation mit der Bank  an! Das bedeutet: Das Unternehmen spricht seinen Firmenkundenbetreuer bereits an, wenn absehbar wird, dass es möglicherweise eine Überziehung benötigen könnte. Dabei gibt das Unternehmen dem Betreuer die folgenden vier Informationen :

  1. Grund der Kontoüberziehung: Warum reicht die bestehende Kreditlinie aktuell nicht aus (siehe oben)?
  2. Wie hoch wird die Überziehung maximal ausfallen – also um wieviel Euro wird die Kreditinanspruchnahme voraussichtlich über die vereinbarte Kontokorrentkreditlinie maximal hinausgehen?
  3. Wie lange wird diese Kontoüberziehung maximal andauern?
  4. Aus welchen erwarteten und sicheren Geldeingängen wird die Kontoüberziehung zurückgeführt werden, so dass die Kreditinanspruchnahme wieder im vereinbarten Rahmen liegen wird?

Auf dieser Basis kann der Firmenkundenbetreuer dann entscheiden, ob er diese Überziehung zusagt. Entweder kann er das in eigener Kompetenz oder er wird sich dazu in der Bank abstimmen. Auf jeden Fall sollten Unternehmen nicht ohne eine Zusage die vereinbarte Kreditlinie überziehen.

Aber auch wenn ein Unternehmen eine solche Zusage für die Kontoüberziehung von seiner Bank erhält, sollte es noch eine Frage stellen: Kann das Unternehmen davon ausgehen, dass diese genehmigten Überziehungstage nicht im Basel-II-Kriterium „90 Tage“ mitgezählt werden? Dies ist nämlich leider nicht selbstverständlich und könnte dazu führen, dass selbst eine von der Bank genehmigte und zugesagte Überziehung zu einer Ratingverschlechterung führt. Natürlich empfiehlt es sich, diese Zusage einer Überziehungsmöglichkeit auch im Austausch mit der Bank zu dokumentieren.

Umsetzungsbegleitung

Dieser Beratungsansatz wird in vielen Unternehmen die Frage nach der Begleitung bei der Umsetzung auslösen: Wie gehen wir jetzt konkret an die erkannten Themen heran? Dies kann bei allen angesprochenen Themenbereichen der Fall sein. Oft werden sich weitere Fragen vor allem in den Themen Finanzierungsstrategie, Sicherheitenstrategie, Liquiditätsplanung, Verhandlungsmachtposition gegenüber den Kreditgebern und Führen der Kreditgespräche ergeben.

Das aktuelle Themen-Special „Praktische Beratungsansätze für Einsteiger und Profis“ greift neben dem Thema Kontoüberziehungen weitere typische Fallkonstellationen auf, die häufig in der Praxis vorkommen., z. B. der Umgang mit

  • der BWA-Qualifizierung,
  • der Abhängigkeit von Großkunden,
  • unterschiedlichen Kundengruppen,
  • dem Gewinnbedarf als Zielgröße für die Unternehmenssteuerung,
  • Ratingfragen.

Die Beiträge eignen sich sowohl für Beratungs-Einsteiger als Basis-Wissen als auch für Beratungs-Profis zur Überprüfung und Ergänzung des eigenen Vorgehens. Beispielhaft zeigt Ihnen das Themen-Special Special „Praktische Beratungsansätze für Einsteiger und Profis“, welche Bandbreite NWB Betriebswirtschaftliche Beratung Ihnen bietet und wie das Themenpaket Ihre betriebswirtschaftliche Kompetenz erweitert.

Mit der Kombination aus erprobtem Fachwissen und den im Themenpaket enthaltenen praxisgerechten Arbeitshilfen decken Sie den Beratungsbedarf für Ihre Mandanten aus dem Mittelstand zuverlässig ab

Sie können das Themen-Special „Praktische Beratungsansätze für Einsteiger und Profis“ hier kostenlos anfordern.

Praktische Beratungsansätze für Einsteiger und Profis

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