Drittpersonaleinsatz – Voraussetzungen und Grenzen der Arbeitnehmerüberlassung

Die Arbeitnehmerüberlassung stellt eine besondere Form des flexiblen Personaleinsatzes dar. Bei der Arbeitnehmerüberlassung werden Leiharbeitnehmer von ihrem Arbeitgeber (Verleiher) temporär einem Dritten (Entleiher) zur Arbeitsleistung überlassen. Dabei werden Leiharbeitnehmer in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert und unterliegen seinen Weisungen. Der Beitrag stellt dar, was dabei arbeitsrechtlich zu beachten ist.

I. Einleitung

Im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung werden betriebliche Aufgaben nicht durch eigene Arbeitnehmer, sondern durch Leiharbeitnehmer verrichtet. § 1 Abs. 1 Satz 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) enthält seit dem  eine Legaldefinition der Arbeitnehmerüberlassung: Eine Arbeitnehmerüberlassung liegt vor, wenn ein Arbeitgeber als Verleiher einem Dritten (Entleiher) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zur Arbeitsleistung überlässt. § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG statuiert das Erfordernis der Eingliederung des Leiharbeitnehmers in die Arbeitsorganisation des Entleihers und verlangt eine Weisungsunterworfenheit.

Der Leiharbeitnehmer steht in einem Arbeitsverhältnis zum Verleiher (= Vertragsarbeitgeber). Er wird auf Grund der Arbeitnehmerüberlassung aber bei dem Entleiher nach dessen Vorstellungen und Vorgaben in dessen Betrieb eingesetzt. Zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer besteht lediglich ein gesetzliches Schutzpflichtenverhältnis. Der Verleiher überträgt dem Entleiher dabei – auf Zeit – sein Direktionsrecht (§ 106 GewO) insoweit, dass der Entleiher dem Arbeitnehmer in seinem Betrieb arbeitsbezogene Weisungen erteilen kann.

Mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes zur Verhinderung von Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung wollte der Gesetzgeber einigen in der Praxis aufgetretenen Fällen des missbräuchlichen Einsatzes von Arbeitnehmerüberlassung entgegenwirken und zugleich die Vorgaben der Richtlinie 2008/104/EG umzusetzen. Mit Wirkung zum  wurde das AÜG erneut geändert. Die Überlassungsdauer ist seitdem zeitlich auf 18 Monate und die gesetzliche Öffnungsklausel zur Gleichstellung bei der Vergütung auf neun Monate begrenzt. Ferner hat der Gesetzgeber Offenlegungs- und Konkretisierungspflichten eingeführt (§ 1 Abs. 1 Satz 5 und 6 AÜG).

II. Allgemeine Grundlagen

1. Wirtschaftliche Tätigkeit

Voraussetzung für die Anwendbarkeit des AÜG ist, dass die Arbeitnehmerüberlassung im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeit des Verleihers erfolgt. Unter wirtschaftlicher Tätigkeit ist jede Tätigkeit zu verstehen, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten; auf eine Gewinnerzielungsabsicht kommt es nicht an.

2. Höchstüberlassungsdauer

Der Verleiher darf denselben Leiharbeiternehmer nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate demselben Entleiher überlassen und auch der Entleiher darf denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 Monate tätig werden lassen (vgl. § 1 Abs. 1b AÜG); der Begriff des Entleihers ist (wohl) unternehmensbezogen, d. h. es kommt auf den Rechtsträger und nicht auf den Betrieb an; der Leiharbeitnehmer kann daher nach Ablauf der Höchstüberlassungsdauer nicht in einem anderen Betrieb desselben Unternehmens eingesetzt werden (a.A. aber Lembke, NZA 2017, 1 ff.).

Hinweis:

Gemäß § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG ist die Höchstüberlassungsdauer kollektivvertragsdispositiv, so dass die gesetzliche Überlassungshöchstdauer durch einen Tarifvertrag der Einsatzbranche für tarifgebundene Entleiher gekürzt oder erhöht werden kann. Die tariflichen Regelungen müssen aber ihrerseits eine zeitlich bestimmte Überlassungsdauer enthalten, da ansonsten der vorübergehende Charakter der Arbeitnehmerüberlassung nicht gegeben ist. Unzulässig ist ein unbefristeter resp. dauerhafter Einsatz von Leiharbeitnehmern durch oder aufgrund von Tarifverträgen.

3. Rechtsfolgen einer Fristüberschreitung

Die Überschreitung der Überlassungshöchstgrenze hat die Unwirksamkeit des Leiharbeitsvertrags zur Folge (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 b AÜG). Diese Rechtfolge kann verhindert werden, indem der Leiharbeitnehmer eine form- und fristgemäße Festhaltenserklärung abgibt. Macht der Leiharbeitnehmer von seinem Widerspruchsrecht keinen Gebrauch, entsteht nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher und damit kommt es zu einem Arbeitgeberwechsel.

Hinweis:

Wenn im Entleiherbetrieb ein Betriebsrat vorhanden ist, steht diesem ein Zustimmungsverweigerungsrecht nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG zu. Eine Überschreitung der Höchstüberlassungsdauer ist gem. § 16 Abs. 1 Nr. 1e AÜG eine Ordnungswidrigkeit.

4. Ausnahme von der Erlaubnispflicht

§ 1 AÜG sieht Ausnahmen von der Erlaubnispflicht vor. Konkret sind dies folgende Tatbestände:

  • Arbeitsgemeinschaft,

  • Vermeidung von Kurzarbeit,

  • konzerninterne Überlassung,

  • gelegentliche Überlassung,

  • Personalgestellung,

  • Arbeitnehmerüberlassung zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts und

  • Kollegenhilfe.

5. Keine Erlaubisfähigkeit

Die Arbeitnehmerüberlassung in Betrieben des Baugewerbes ist gem. § 1b AÜG für Arbeiten, die üblicherweise von Arbeitern verrichtet werden, nicht erlaubnisfähig. Dieses Verbot der Arbeitnehmerüberlassung im Baugewerbe gilt als lex specialis für alle Bestimmungen des AÜG zur Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 AÜG§ 1b Satz 2 AÜG gestattet allerdings die Arbeitnehmerüberlassung im Baugewerbe, wenn für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge die Arbeitnehmerüberlassung für diese Betriebe zulassen oder wenn der verleihende Baubetrieb nachweislich seit mindestens drei Jahren von denselben Rahmen- und Sozialkassentarifverträgen oder von deren Allgemeinverbindlichkeit erfasst wird.

6. Versagungsgründe (§ 3 AÜG)

Die Versagungsgründe des § 3 Abs. 1 AÜG sollen Leiharbeitnehmer vor unzuverlässigen Verleihern schützen und bestehende Dauerarbeitsplätze im Entleiherbetrieb sicherstellen:

Der Versagungsgrund der fehlenden Zuverlässigkeit kann auch durch eine Nichteinhaltung der Überlassungshöchstgrenze vorliegen. Eine geringfügige Überschreitung in einem Einzelfall ist für sich genommen regelmäßig nicht zur Bejahung der Unzuverlässigkeit ausreichend. Ausschlaggebend sind für die Erlaubnisversagung die Gesamtumstände und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

7. Rücknahme der Erlaubnis

Eine bereits erteilte Überlassungserlaubnis kann mit Wirkung für die Zukunft gem. § 4 AÜG zurückgenommen werden, wenn die Erlaubnis zum Zeitpunkt der Entscheidung rechtswidrig erteilt wurde.

Dies ist der Fall, wenn Versagungsgründe gem. § 3 AÜG vorlagen oder die Behörde sonstige zwingende gesetzliche Bestimmungen bei der Erteilung missachtet hat. Dabei ist unerheblich, worauf die falsche Entscheidung zurückzuführen ist. Die Rücknahme ist nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt zulässig, in dem die Erlaubnisbehörde von den Tatsachen Kenntnis erhalten hat, die den Widerruf der Erlaubnis rechtfertigen. Eine Rückwirkung der Rücknahme scheidet aus.

Hinweis:

Gemäß § 4 Abs. 2 AÜG steht dem Verleiher, dessen Erlaubnis zurückgenommen wird, ein Nach­teilsausgleichsanspruch zu, wenn sein Vertrauen auf den Fortbestand der Erlaubnis unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Dies wird meist dann bejaht, wenn die Erlaubnisbehörde die Erlaubnis unter Missachtung ihrer Prüfungspflichten trotz Kenntnis des korrekten Sachverhaltes erteilt hat.

8. Erlöschen der Erlaubnis

Die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung erlischt nach einem Jahr, wenn nicht drei Monate vor Ablauf des Jahres ein Verlängerungsantrag vom Verleiher gestellt wird (§ 2 Abs. 4 Satz 2 AÜG). Sofern – nach drei Jahren – die Erlaubnis unbefristet erteilt wird, erlischt diese (vgl. § 2 Abs. 5 Satz 2 AÜG), wenn der Verleiher von der Erlaubnis drei Jahre lang keinen Gebrauch macht.

Hinweis:

Die Erlaubnis ist grundsätzlich personengebunden. Bei einem Betriebsübergang (§ 613a BGB) muss der Erwerber eine eigene Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung innehaben, andernfalls wird die Arbeitnehmerüberlassung beim Betriebserwerber unzulässig.

III. Rechtsverhältnis Verleiher – Leiharbeitnehmer

1. Arbeitsvertrag

Der Arbeitsvertrag zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer verpflichtet den Leiharbeitnehmer, seine Arbeitsleistung bei einem Dritten zu erbringen. Die zu übernehmende Arbeitsaufgabe wird dabei regelmäßig ihrer Art nach im Leiharbeitsvertrag näher dargelegt. Der Inhalt des Arbeitsvertrages zwischen Verleiher und Arbeitnehmer bestimmt die Einsatzmöglichkeit des Arbeitnehmers bei dem Entleiher. Der Verleiher ist nach dem Arbeitsvertrag berechtigt, das Weisungsrecht auf andere Arbeitgeber zu übertragen. Die Übertragbarkeit des Weisungsrechtes auf den Entleiher setzt voraus, dass der Verleiher den Arbeitnehmer auf die Tätigkeit im Rahmen wirtschaftlicher Überlassung hinweist.

Hinweis:

Gemäß § 11 AÜG ist der Verleiher berechtigt, den Nachweis der Vertragsbedingungen des Leiharbeitsverhältnisses nach den Bestimmungen des Nachweisgesetzes in eine von ihm zu unterzeichnende Urkunde aufzunehmen und dem Leiharbeitnehmer diese Urkunde vor Beginn der Beschäftigung, bei einer Auslandstätigkeit spätestens vor der Abreise, auszuhändigen. Dabei müssen zusätzlich zu den im Nachweisgesetz genannten Angaben auch die Firma und Anschrift des Verleihers, die Erlaubnisbehörde, Ort und Datum der Erlaubnis sowie Art und Höhe der Leistungen für Zeiten, in denen der Leiharbeitnehmer nicht verliehen ist, angegeben werden. Entsprechendes gilt für Änderungen.

2. Gleichbehandlungsgrundsatz und Ausnahmen

a) Equal pay/equal treatment

Grundsätzlich müssen dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung die im Entleiherbetrieb für vergleichbare Arbeitnehmer geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts gewährt werden. Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 AÜG wird vermutet, dass das Arbeitsentgelt des Leiharbeitnehmers mit dem Gleichstellungsgrundsatz übereinstimmt, wenn dieser ein Arbeitsentgelt erhält, was dem tarifvertraglichen Arbeitsentgelt eines vergleichbaren Arbeitnehmers des Entleihers entspricht. Die Einhaltung der Gleichstellung wird nach der zweiten Alternative auch dann vermutet, wenn der Leiharbeitnehmer in einem nicht tarifgebundenen Einsatzunternehmen, das für vergleichbare Arbeitnehmer in der Einsatzbranche geltende tarifvertragliche Arbeitsentgelt erhält.

Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 AÜG sind Vereinbarungen, die für den Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung schlechtere als die ihm nach § 8 AÜG zustehenden Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts vorsehen, unwirksam. § 13 AÜG gewährt dem Leiharbeitnehmer einen Auskunftsanspruch über die wesentlichen Arbeitsbedingungen im Unternehmen des Verleihers; dieser hat die entsprechenden Informationen im schriftlichen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zu erteilen (§ 12 Abs. 1 Nr. 4 AÜG).

b) Ausnahmen

Es gibt aber wesentliche Ausnahmen, die in der Praxis die Regel sind: Unterschreitungen der Arbeitsbedingungen des Entleihers oder ein geringeres Entgelt sind durch einen anwendbaren Tarifvertrag möglich (§ 8 Abs. 2 Satz 1 AÜG). Im Geltungsbereich eines wirksamen Tarifvertrags kann auch zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern die Anwendung eines solchen arbeitsrechtlich im Rahmen einer Bezugnahmeklausel vereinbart werden (§ 8 Abs. 2 Satz 3 AÜG). Diese Bezugnahme ist auch für Mischunternehmen ohne überwiegende Arbeitnehmerüberlassung zulässig.

Rückausnahmen von der Abweichungsmöglichkeit durch Tarifvertrag erfolgen durch die Drehtürklausel gem. § 8 Abs. 3 AÜG sowie durch die zeitliche Begrenzung der tarifdispositiven Senkung des Arbeitsentgeltes eines Leiharbeitnehmers gegenüber dem des Stammpersonals (§ 8 Abs. 4 AÜG).

IV. Rechtsverhältnis Entleiher – Leiharbeitnehmer

Zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer besteht kein vertragliches Verhältnis; vielmehr ist der Leiharbeitnehmer „Vertragsgegenstand“ der Vereinbarung zwischen Entleiher und Verleiher (Arbeitnehmerüberlassungsvertrag). Allerdings wirken gesetzliche Regelungen auf das Rechtsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer ein.

Zunächst hat der Entleiher einen ggf. vorhandenen Betriebsrat gem. § 99 Abs. 1 BetrVG zu beteiligen; die Beschäftigung im Betrieb stellt eine „Einstellung“ dar.

Hinweis:

Widerspricht der Betriebsrat der Beschäftigung, kann der Verleiher die Maßnahme gem. § 100 BetrVG vorläufig durchführen. Ein Zustimmungsersetzungsverfahren (§ 99 Abs. 4 BetrVG) wird sich in der Regel durch Zeitablauf erledigen.

V. Gestaltungsmöglichkeiten

Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz beinhaltet durch die Erlaubnispflicht, die Höchstüberlassungsdauer und den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht unerhebliche Beschränkungen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach alternativen Gestaltungen.

Denkbar ist eine Beschäftigung von „Fremdpersonal“ im Rahmen eines Gemeinschaftsbetriebs: Arbeitnehmerüberlassung und Beschäftigung im Rahmen eines Gemeinschaftsbetriebs schließen sich aus (Exklusivitätsverhältnis, vgl. ). Denn bei der Arbeitnehmerüberlassung überträgt der Vertragsarbeitgeber sein Direktionsrecht auf den Entleiher; seine Mitarbeiter werden im Betrieb des Entleihers zur Erfüllung von dessen unternehmerischen Zielen tätig. Ein Gemeinschaftsbetrieb ist demgegenüber dadurch gekennzeichnet, dass die Unternehmer einen gemeinen Zweck verfolgen; die Mitarbeiter werden – ohne Rücksicht auf die Zuordnung zum jeweiligen Vertragsarbeitgeber – von den beteiligten Unternehmern einheitlich geführt.

Das Bundesarbeitsgericht hat sich zur Abgrenzung von Gemeinschaftsbetrieb und Arbeitnehmerüberlassung wie folgt positioniert (vgl. ):

„Eine Überlassung zur Arbeitsleistung i. S. des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG liegt nicht vor, wenn der Arbeitnehmer in einem Gemeinschaftsbetrieb beschäftigt wird, zu dessen gemeinsamer Führung sich sein Arbeitgeber und ein Dritter rechtlich verbunden haben. An der Wahrnehmung der maßgeblichen Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten durch eine einheitliche Leitung, die für einen Gemeinschaftsbetrieb erforderlich ist, fehlt es, wenn sich die Beteiligung eines Arbeitgebers darauf beschränkt, seine Arbeitnehmer einem anderen Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen.“

Beschränkt sich die Beteiligung eines Unternehmens auf das bloße Zurverfügungstellen von Arbeitnehmern, ohne, dass die Arbeitgeberfunktion in personellen und sozialen Angelegenheiten einheitlich stattfindet, liegt nur eine Personalgestellung vor, die regelmäßig als Arbeitnehmerüberlassung zu qualifizieren ist.

VI. Unwirksamkeitstatbestände und Rechtsfolgen

1. Unwirksamkeit gem. § 9 AÜG

§ 9 AÜG regelt die privatrechtliche Rechtsbeziehung zwischen Verleiher und Entleiher und zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer. Es besteht aber eine untrennbare Wechselwirkung mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften des AÜG. Die Bestimmung stellt sicher, dass Arbeitnehmerüberlassung nur von zuverlässigen Verleihern betrieben wird, die auch den sozialen Schutz der Leiharbeitnehmer beachten. Die Sanktion der Unwirksamkeit des Überlassungsvertrags und des Leiharbeitsvertrags zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer soll die Verleiher dazu veranlassen, sich gesetzeskonform zu verhalten. Die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher (§ 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG) bei einer Überlassung ohne Erlaubnis dient dem Schutz des Arbeitnehmers, dessen Arbeitsvertrag mit dem Verleiher unwirksam ist. Gleiches gilt für die Unwirksamkeitstatbestände bei verdeckter Arbeitnehmerüberlassung sowie bei Überschreitung der Überlassungshöchstdauer. Das Offenlegungsgebot soll die Vertragsparteien dazu veranlassen, sich klar zu der von ihnen gewählten Vertragsgestaltung Arbeitnehmerüberlassung zu bekennen. Zudem ordnet die Vorschrift die Unwirksamkeit von Vereinbarungen an, die den Gleichstellungsgrundsatz oder das Zugangsrecht des Leiharbeitnehmers zu Gemeinschaftseinrichtungen und -diensten im Unternehmen des Entleihers einschränken oder ausschließen.

2. Festhaltenserklärung

Der überlassene Arbeitnehmer hat die Möglichkeit, ein Festhalten am Arbeitsvertrag mit dem Verleiher zu erklären. Eine solche Erklärung kann sinnvoll sein, wenn nur im Betrieb des Verleihers wegen der Betriebsgröße das Kündigungsschutzgesetz greift (§ 23 KSchG). Die Unwirksamkeit des Arbeitsverhältnisses zwischen Leiharbeitnehmer und Verleiher trifft nicht ein, wenn der Leiharbeitnehmer innerhalb eines Monats erklärt, dass er an dem Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festhält. Es wird dann kein Arbeitsverhältnis gem. § 10 Abs. 1 AÜG begründet (vgl. ).

3. Fiktionswirkung (§ 10 AÜG)

§ 10 Abs. 1 bis 3 AÜG regeln die Folgen der Unwirksamkeit des Leiharbeitsvertrags gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 bis 1b, d. h. im Falle illegaler Arbeitnehmerüberlassung (Nr. 1), verdeckter Arbeitnehmerüberlassung (Nr. 1a) und bei Überschreiten der Überlassungshöchstdauer (Nr. 1b). Anstelle des unwirksamen Leiharbeitsvertrags mit dem Verleiher wird zum selben Zeitpunkt aufgrund zwingender gesetzlicher Fiktion ein neues Arbeitsverhältnis zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher begründet. Das fingierte Arbeitsverhältnis entspricht einem normalen Arbeitsverhältnis.

Hinweis:

Der Leiharbeitnehmer kann im Wege der allgemeinen Feststellungsklage vor dem Arbeitsgericht feststellen lassen, ob zwischen ihm und dem Entleiher ein (fingiertes) Arbeitsverhältnis besteht. Die dreiwöchige Klagefrist bei Kündigungsschutzklagen (§§ 313 KSchG) greift nicht. Ist das Arbeitsverhältnis befristet, muss der Leiharbeitnehmer auch bzgl. des fingierten Arbeitsverhältnisses die Frist gem. § 17 TzBfG einhalten.

VII. Auskunfts- und Teilhaberechte

§ 13 AÜG normiert den Auskunftsanspruch des Leiharbeitnehmers. Der Anspruch auf Auskunft soll es dem überlassenen Arbeitnehmer erleichtern, seinen Gleichstellungsanspruch (vgl. § 8 AÜG) durchzusetzen. Denn ohne die Auskunft weiß er oft nicht, ob und in welchem Umfang der Gleichstellungsanspruch besteht. § 13a AÜG statuiert die Informationspflicht des Entleihers über freie Arbeitsplätze und Übernahmegesuch des Leiharbeitnehmers. Schließlich beinhaltet § 13b AÜG das Recht des Zugangs des Leiharbeitnehmers zu Gemeinschaftseinrichtungen oder -diensten.

VIII. Mitbestimmung

§ 14 Abs. 1 AÜG stellt klar, dass Leiharbeitnehmer auch während der Zeit ihrer Arbeitsleistung bei einem Entleiher Angehörige des entsendenden Betriebs des Verleihers sind. Bei der Wahl der Arbeitnehmervertretung in den Aufsichtsrat im Entleiherunternehmen und bei der Wahl der betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmervertretungen im Entleiherbetrieb sind Leiharbeitnehmer nicht wählbar.

§ 14 Abs. 3 AÜG regelt, dass vor der Übernahme eines Leiharbeitnehmers zur Arbeitsleistung der Betriebsrat des Entleiherbetriebs gem. § 99 BetrVG zu beteiligen ist. Dabei hat der Entleiher dem Betriebsrat auch die schriftliche Erklärung des Verleihers nach § 12 Abs. 1 Satz 3 AÜG vorzulegen.

IX. Ordnungswidrigkeit

§ 16 AÜG regelt verschiedene Ordnungswidrigkeitentatbestände. Den Bußgeldrahmen für die verschiedenen Ordnungswidrigkeiten legt § 16 Abs. 2 AÜG fest. Die Höhe entspricht dem jeweiligen Unrechtsgehalt: Die höchste Geldbuße von bis zu 500.000 € ist für den Entleih ausländischer Leiharbeitnehmer ohne Arbeitsgenehmigung und der Nichtgewährung vergleichbarer Arbeitsbedingungen sowie Mindestentgeltverstöße vorgesehen. Ein Bußgeld bis zu 30.000 € droht bei illegaler Arbeitnehmerüberlassung. Gleiches gilt bei einer unzulässigen Arbeitnehmerüberlassung in Betriebe des Baugewerbes und bei allen Verstößen gegen die Aufbewahrungs-, Mitteilungs-, Mitwirkungs- und Duldungspflichten gegenüber der Zollverwaltung. Bei einer fehlerhaften Anzeige nach § 16 Abs. 1 Nr. 1a AÜG und der Nichterfüllung von Auflagen (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 AÜG) beträgt die Geldbuße bis zu 2.500 €.

X. Fazit

Die Arbeitnehmerüberlassung ist stark reglementiert und unterliegt engen Voraussetzungen. Verstöße sind bußgeldbewährt und können teuer werden. Die Arbeitnehmerüberlassung eignet sich nicht dazu, Stammarbeitsplätze dauerhaft zu substituieren. Vom Equal-Pay kann auf der Grundlage eines Tarifvertrags abgewichen werden. Als mögliches Gestaltungsinstrument zur Etablierung unterschiedlicher Vergütungssysteme kann sich ggf. die Implementierung eines Gemeinschaftsbetriebs empfehlen. Damit geht allerdings eine Ausweitung der Beteiligungsrechte des beim Entleiher ggf. vorhandenen Betriebsrats einher: Dieser ist für die „verliehenen“ Beschäftigten vollumfänglich zuständig. Zu beachten ist insoweit, dass ein gemeinsamer Leitungsapparat nicht allein dadurch hergestellt wird, dass ein Trägerunternehmen seine Mitarbeiter zur Verfügung stellt.

Autor

Dr. Henning-Alexander Seel, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, ist in eigener Kanzlei und als Justiziar einer Unternehmensgruppe tätig. Er ist für das Landesjustizprüfungsamt Niedersachsen als Prüfer im ersten und zweiten Staatsexamen aktiv und hält gelegentlich Vorträge zu Fachthemen.

Fundstelle(n):
Lohn und Gehalt direkt digital 2/2023 Seite 12
NWB DAAAJ-31417

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