Schalten Sie ab!

Urlaub sollte der Erholung dienen, darin sind sich Psychologen und Wissenschaftler einig. Richtig abschalten können viele Steuerberater aber auch am Strand nicht: Sie lesen E-Mails, telefonieren, bleiben erreichbar. Das muss nicht sein: Wir haben acht Tipps gesammelt, mit denen der nächste Urlaub richtig erholsam wird.

Steuerberaterin Cornelia Kisslinger-Popp aus München macht aus der Sicht von Experten alles richtig. Ihr Grundprinzip: Im Notfall kann jeder ihrer Mitarbeiter so selbstständig arbeiten, dass die Chefin nicht unbedingt draufschauen muss. So kann Kisslinger-Popp problemlos drei Wochen in die Türkei, an den Gardasee oder nach Berchtesgaden fahren, ohne dass es in der Kanzlei zu Engpässen kommt. Sie muss in ihrer Abwesenheit nicht einmal ihre E-Mails lesen oder gar ans Telefon gehen. Ihre zehn Mitarbeiter betreuen in dieser Zeit ihre jeweiligen Mandanten und arbeiten selbstständig. „Wenn ich weg bin, ist das überhaupt kein Problem“, sagt die Steuerberaterin. Jedes Jahr fährt sie für fünf Wochen in den Urlaub, in dieser Zeit werden alle persönlichen Mails direkt an das Sekretariat der Kanzlei weitergeleitet. Dort werden die Anliegen an den zuständigen Mitarbeiter geschickt, der sich darum kümmert – die Steuerberaterin hat so in ihrem Urlaub die Gelegenheit, sich tatsächlich ausgiebig zu erholen. Was nur die Chefin selbst beantworten kann, muss warten.

Richtige Erholung ist für Steuerberater nur möglich, wenn sie mindestens zwei Wochen am Stück nicht arbeiten. „Nicht arbeiten“ bedeutet: keine E-Mails lesen, keine Anrufe entgegennehmen, sich nicht mit der Arbeit beschäftigen. Nur wer in seinem Urlaub tatsächlich abschaltet, hat die Chance, sich zu erholen, darin sind sich fast alle Arbeitspsychologen einig.

Manuela PonikwarAllerdings halten sich viele Berufsträger nicht daran. Und sind damit in bester Gesellschaft: Unabhängig von Branche und Position beschäftigen sich die meisten Deutschen in ihrem Urlaub mit ihrer Arbeit. Der Branchenverband Bitkom hat sich dieses Phänomen genauer angesehen und dafür rund 1000 Menschen befragt. Das Ergebnis: 72 Prozent reagieren in ihrem Urlaub auf dienstliche Anrufe, auf SMS, Whatsapp-Nachrichten oder E-Mails. Die meisten wollen zumindest im Notfall erreich bar sein. Nur jeder Vierte ist in seinem Urlaub tatsächlich nur damit beschäftigt, sich zu erholen. Tendenziell neigen vor allem Ältere dazu, auch außerhalb des Büros erreichbar zu sein: Bei den Befragten unter 29 Jahren ist die Bereitschaft, im Urlaub für Kollegen oder Kunden zu sprechen zu sein, viel niedriger.

Dabei sind auch Steuerberater keine Ausnahme. Vielen Kanzleiinhabern fällt es schwer, über mehrere Wochen hinweg abzuschalten, Mails nicht zu lesen und Mitarbeitern oder Partnern die ganze Verantwortung zu überlassen. Dabei wäre eigentlich genau das notwendig, um sich im Urlaub zu erholen. Was können Steuerberater tun, damit die Erholung eintritt und lange bleibt?

1. Kündigen Sie Ihren Urlaub rechtzeitig an.

Damit sich Mandanten und Mitarbeiter rechtzeitig auf die Abwesenheit einstellen können, sollten Steuerberater möglichst lange im Voraus ankündigen, in welchem Zeitraum sie nicht erreichbar sein werden. Langfristig bedeutet: Eine Woche genügt in der Regel nicht, zwei Monate sind ausreichend, noch mehr Vorlauf ist noch besser. Nur mit einer ausreichenden Vorbereitungszeit haben alle Beteiligten die Chance, sich auf die Abwesenheit einzustellen: Mitarbeiter können mit Kollegen vereinbaren, wer Ansprechpartner ist, welche Aufgaben anstehen und wer sich in der Urlaubszeit darum kümmert.

2. Informieren Sie Ihre Mandanten.

Mandanten sollten in jedem Fall rechtzeitig Bescheid wissen, wann ihr Berater nicht erreichbar ist. So können wichtige Anliegen noch rechtzeitig erledigt werden, die nur der Steuerberater selbst bearbeiten kann. Kanzleiinhaber sollten hier die richtige Methode wählen. Wer seinen Mandaten eine Rundmail schreibt, geht den Kunden damit auf die Nerven. Besser ist es, nebenbei zu informieren: über die Homepage der Kanzlei, in Briefen mit einer Randnotiz oder in E-Mails, die man wegen anderer Themen schreibt. So macht es auch Steuerberaterin Manuela Ponikwar aus Vaterstetten bei München. In ihrer Kanzlei beschäftigt sie zehn Mitarbeiter. Sie betreut vor allem deutsche Töchter ausländischer Großkonzerne und mittelständische Unternehmen. Sie informiert ihre Mandanten etwa einen Monat im Voraus, in einer Fußnote in E-Mails, Briefen und auf ihrer Website. So haben alle Mandanten rechtzeitig die Gelegenheit, dringende und wichtige Anliegen vorher mit der Beraterin zu klären, und stehen während des Urlaubs nicht vor verschlossenen Türen.

3. Entwickeln Sie mit Ihren Mitarbeitern Urlaubsregelungen.

Grundsätzlich gilt: Jeder Mitarbeiter sollte jemanden benennen, der ihn im Urlaub vertritt – gleiches gilt natürlich auch für Kanzleiinhaber. Vertretung meint: Es ist nicht notwendig, dass ein Mitarbeiter die komplette Arbeit des Chefs übernimmt, das wäre meist auch gar nicht machbar. Allerdings sollte es jemanden geben, an den wichtige E-Mails weitergeleitet werden und der sich in der Urlaubszeit um akute Anliegen kümmert. Steuerberater sollten darauf achten, dass es solche Vertretungsregelungen gibt. Wer mit seinen Mitarbeitern nichts vereinbart, muss davon ausgehen, dass in der Urlaubszeit wichtige Fragen liegen bleiben und sich niemand verantwortlich fühlt.

Comic4. Richten Sie eine Umleitung für Ihre Mails ein.

Damit die Vertretung auch tätig werden kann, müssen Steuerberater vor jedem Urlaub mindestens eine Abwesenheitsnotiz einrichten. Hier sollte vermerkt sein, wann der Mandant seinen Ansprechpartner wieder erreichen kann und an wen er sich wenden kann, wenn es wirklich dringend ist. Besser ist es, wenn Berufsträger grundsätzlich alle E-Mails während des Urlaubs umleiten lassen. Für die Kanzlei entsteht dadurch ein höherer Arbeitsaufwand – den Mandanten meist aber zu schätzen wissen. Wenn es ein Sekretariat gibt, empfiehlt es sich, E-Mails dorthin umzuleiten. Dort können die Mitarbeiter alles sortieren und entweder weiterleiten, wenn es dringend ist, oder die E-Mail zurückstellen, bis der Chef aus seinem Urlaub zurückgekehrt ist.

Alternativ ist es auch möglich, eine Notfall-E-Mail-Adresse einzurichten, an die sich Mandanten in dringenden Fällen wen den können. Für dieses Postfach sollte es immer einen zuständigen Mitarbeiter geben.

5. Prüfen Sie, ob eine Vertretung für Sie in Betracht kommt.

Einige Steuerberater mit einer kleinen Kanzlei lassen sich während ihres Urlaubs von anderen befreundeten Steuerberatern vertreten, kündigen ihren Mandanten das langfristig an und geben der Vertretung alle wichtigen Informationen. Das hat den Vorteil, dass zu jeder Zeit auch ein kompetenter Berater erreichbar ist, selbst wenn der Kanzleichef gerade am Strand liegt. Es hat die Nachteile, dass Steuerberater anderen Kanzleien komplett vertrauen müssen, dass sie interne Informationen weitergeben müssen, dass sie sich auf die Kompetenz anderer verlassen müssen. Steuerberater, die einen längeren Urlaub planen, müssen sich in jedem Fall um eine Vertretung in ihrer Abwesenheit kümmern, das schreibt das Steuerberatungsgesetz so vor. Längere Abwesenheit bedeutet: mehr als ein Monat. Wer sich für eine Vertretung entscheidet, sollte die Kollegen in jedem Fall persönlich kennen, das schafft Vertrauen. Ob die Kanzlei direkt nebenan oder 100 Kilometer entfernt sitzt, ist letztendlich nur bedingt von Bedeutung: Per Mail, Telefon und Cloud-Lösungen ist es kein Problem, auch größere Entfernung zu überwinden. Und: Im Idealfall vertreten sich Kanzleien gegenseitig. So profitieren alle Beteiligten.

6. Überlegen Sie, ob und wann Sie Ihre Kanzlei komplett schließen wollen.

Ob, wann und wie lange Kanzleien komplett schließen sollten, ist unter Steuerberatern umstritten. Einige Kanzleien schließen zwischen Weihnachten und Neujahr, andere in den Sommermonaten für einige Wochen. So macht es auch Manuela Ponikwar: „Meine Kollegin und ich haben Kinder im Kindergartenalter, deshalb sind wir darauf angewiesen, unseren Urlaub während der Schulferien zu nehmen“, sagt die Steuerberaterin. Am einfachsten ist es deshalb, die Kanzlei in dieser Zeit für zwei Wochen zu schließen. Ansonsten wird sichergestellt, dass in der restlichen Zeit immer mindestens eine der beiden Beraterinnen im Büro ist und alle fachlichen Fragen der Mandanten beantworten kann. Allerdings sind im Normalfall selbst während der Kanzleiferien immer einige Mitarbeiter da, die sich um eventuelle Notfälle kümmern können. Die Steuerberaterin möchte so auch ihren Angestellten entgegenkommen: Niemand ist verpflichtet, sich in dieser Zeit Urlaub zu nehmen. Gerade in diesen ruhigeren zwei Wochen nutzen manche ohnehin gerne die Gelegenheit, um in Ruhe Sachen zu erledigen, die sich vielleicht angestaut haben und zu denen sonst die Zeit fehlt. „Das bietet sich an, weil während der Kanzleiferien keine Termine anstehen und niemand anruft“, sagt Ponikwar.

7. Sorgen Sie dafür, dass sich nach dem Urlaub die Arbeit nicht staut.

Der Autohersteller Daimler sorgte vor zwei Jahren international für Schlagzeilen. Der Grund: Die Mitarbeiter des Konzerns durften während des Urlaubs alle E-Mails automatisch löschen lassen. Die Idee dahinter: Viele Mitarbeiter kommen aus dem Urlaub und finden einige tausend Mails in ihrem Postfach. Dadurch entsteht Stress, der Erholungseffekt verpufft innerhalb weniger Tage. „Unsere Mitarbeiter sollen in ihrem Urlaub keine geschäftlichen E-Mails lesen und nach ihrer Rückkehr keinen Stau im Postfach vorfinden“, sagte Daimler-Personalchef Wilfried Porth. So sollen die Angestellten emotional entlastet werden. Für Steuerberaterkanzleien ist das eigentlich nicht umsetzbar. Kein Berater möchte seine Mandanten verärgern, indem er Mails rigoros löscht. Die Intention ist aber dennoch richtig: Kanzleiinhaber sollten in jedem Fall verhindern, dass sie nach dem Urlaub an einen hoffnungslos überladenen Schreibtisch zurückkehren. Wer sich konsequent um Vertretungen kümmert und für seine E-Mails Regelungen findet, kann dem vorbeugen.

8. Disziplinieren Sie sich selbst.

Der wohl wichtigste Hinweis: Jeder Steuerberater sollte seinen Urlaub diszipliniert und konsequent zur Erholung nutzen. Wer sich rechtzeitig für alle denkbaren Fälle wappnet, wer seinen Mitarbeitern und Kollegen vertraut und seine Abwesenheit gut vorbereitet hat, sollte im Urlaub bewusst keine E-Mails lesen, keine Anrufe beantworten und die Zeit zum Abschalten nutzen. Ob Steuerberater ihre Auszeit am Strand, auf dem heimischen Balkon oder in einem Kloster in der Region verbringen, spielt dabei keine Rolle. Mit der richtigen Vorbereitung ist es kein Problem, sich vorübergehend völlig aus dem Arbeitsalltag zurückzuziehen. Nur wer seine Auszeiten nutzt, um die Batterien wieder aufzuladen, bleibt lange fit und gesund, das bestätigen Studien immer wieder. Steuerberater sollten ihren Urlaub deshalb nicht verschenken.


Cornelia Kisslinger-Popp„Eigentlich müsste ich keine einzige Mail lesen“

Steuerberaterin Cornelia Kisslinger-Popp hat alle Voraussetzungen geschaffen, um sich in ihrem Urlaub nicht mit der Kanzlei zu beschäftigen. Trotzdem klappt das nicht immer: Bei ihr überwiegt meist die Neugier.

Frau Kisslinger-Popp, Gibt es in Ihrer Kanzlei Regeln, wie lange im Voraus ein Urlaub angekündigt werden muss?
Kisslinger-Popp: Grundsätzlich planen wir alle so langfristig wie möglich. Ich versuche, für meine Mitarbeiter ein gutes Vorbild zu sein.

Wie klappt das?
Kisslinger-Popp: Meistens sehr gut, aber leider eben nicht immer. Meinen letzten Urlaub habe ich drei Tage vorher angekündigt, das geht eigentlich nicht.

Haben Sie das immer so gehandhabt oder gab es früher Schwierigkeiten, wenn Sie Urlaubszeiten koordiniert haben?
Kisslinger-Popp: Vor einigen Jahren kam es mal zu einem Engpass in meiner Kanzlei. Fast alle Mitarbeiter fuhren gleichzeitig in den Urlaub, das Büro war geradezu verwaist. Zeitweise war nur ein Angestellter da, der Besucher an der Tür und das Telefon gleichzeitig koordinieren musste und damit überfordert war. Seitdem hängt in der Kanzlei ein großer Kalender, in dem wir alle eintragen, wann wir in den Urlaub fahren wollen. So werden Überschneidungen eigentlich immer verhindert.

Sind Sie in Ihrem Urlaub denn für Mandanten und Mitarbeiter erreichbar?
Kisslinger-Popp: Grundsätzlich werden während des Urlaubs alle E-Mails, die an mich gerichtet sind, direkt an das Sekretariat weitergeleitet. Dort sortieren die Mitarbeiter und schicken alles Wichtige intern weiter, sodass ich im Urlaub eigentlich kein einziges Mail lesen müsste. Allerdings bin ich nicht immer diszipliniert genug: Ich kann in das Postfach schauen und tue das auch regelmäßig. Ich bin einfach zu neugierig. Am Anfang werde ich dazu noch häufiger verleitet, irgendwann wird es deutlich weniger.

Gab es schon Situationen, in denen sich Ihre Neugier gelohnt hat?

Kisslinger-Popp: Ja, wenn auch selten. Als ich vor einigen Monaten im Urlaub war, kam eine Mail von der Kriminalpolizei. Die Beamten baten um Rückruf, ich sollte zu einem meiner Mandanten aussagen. Es war wohl ziemlich eilig. Hätte ich nicht ausnahmsweise in meine E-Mails geschaut, wäre die Anfrage womöglich liegen geblieben.


Arbeitsrecht: Was Sie beim Urlaub ihrer Mitarbeiter beachten müssen

Der Gesetzgeber hat ganz genau geregelt, wie viele Tage Angestellte pro Jahr Urlaub machen müssen, was in dieser Zeit erlaubt ist und was nicht. Es gilt: Wer im Urlaub ist, darf in dieser Zeit nicht arbeiten. Einige Arbeitsrechtler legen diese Definition besonders streng aus und kommen dementsprechend zu dem Schluss, dass selbst ein einziger dienstlicher Anruf oder eine einzige dienstliche E-Mail einem Arbeitstag entspricht, selbst wenn der Mitarbeiter anschließend am Strand liegt. Dementsprechend stünde dem Mitarbeiter also ein weiterer Urlaubstag als Ausgleich zu. Steuerberater sollten ihre Mitarbeiter daher möglichst nicht im Urlaub kontaktieren. Überhaupt gilt: Wenn der Arbeitgeber sich bei seinen Mitarbeitern während des Urlaubs meldet, sollte die Luft tatsächlich brennen. Das Bundesarbeitsgericht hat sich in einem Urteil auf eine Formulierung geeinigt und spricht von „zwingenden Notwendigkeiten, welche einen anderen Ausweg nicht zulassen“. Eine Nachfrage oder ein betrieblicher Engpass reichen dementsprechend nicht aus.

 

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