Auf dem Vormarsch

Die Steuerberaterbranche wird immer noch von Männern dominiert, auch wenn sich allmählich immer mehr Berufsträgerinnen einen Namen machen. Wollen Steuerberaterinnen erfolgreich sein, müssen sie noch mehr als Männer lernen, sich durchzusetzen, selbstbewusst Honorare einzufordern und souverän zu sein.

Vor einigen Jahren saß Steuerberaterin Franziska Bessau in einem Vortrag zum „Tag der kleinen Kanzlei“ und wunderte sich. Im Rahmen der Branchenveranstaltung stellten die Redner Studien zur Situation und zum Leistungsangebot kleiner Steuerberaterkanzleien vor. Es ging um die Beziehung zwischen Steuerberater und Mandant, um Strukturen, Ziele, Herausforderungen und Trends der Branche. „Die Studie war eigentlich sehr interessant“, sagt Bessau. „Nur: Es war immer nur von Steuerberatern und Mandanten die Rede, nie von Steuerberaterinnen und Mandantinnen. Auch auf den Illustrationen zur Studie waren ausschließlich Männer abgebildet.“ Die Steuerberaterin schaute sich im Saal um: Es waren außer ihr auch noch andere Frauen anwesend, wenn auch die Männer deutlich in der Mehrzahl waren. Die aber schienen in der Studie weder weibliche Begriffe noch Bilder von Frauen zu vermissen. Bessau hob schließlich die Hand. „Ich habe gefragt, ob für die Studie auch Steuerberaterinnen befragt wurden und wo die denn mal auftauchen“, erzählt sie. Die Reaktion ihrer Kollegen hat sie noch in guter Erinnerung: „Die Frage kam nicht sehr gut an.“ Eine Steuerberaterin habe betont, sie sei stolz darauf, „Steuerberater“ zu sein – die weibliche Form würde den Beruf nur abwerten. Und ein männlicher Zuhörer im Publikum habe gut vernehmbar „Feministin“ gezischt, berichtet Bessau.

Noch ist wirkliche Gleichheit nicht erreicht

Franziska Bessau ist tatsächlich überzeugte Feministin. „Deshalb habe ich die Bemerkung auch nicht als Beleidigung aufgefasst, sondern als Kompliment. Gemeint war sie aber definitiv anders.“ Die Steuerberaterin ist Inhaberin einer Ein-Frau-Kanzlei im nordrhein-westfälischen Euskirchen. Schon die Adresse ihrer Webseite ist vielsagend: Sie lautet steuerberaterinnenbuero.de. Auf der Seite finden sich Zitate berühmter Frauen, etwa der französischen Philosophin und Feministin Simone de Beauvoir. Bessau bietet ihre Dienste unter anderem Freiberuflern und Unternehmern an – auf ihrer Website steht „FreiberuflerInnen und KleinunternehmerInnen“, mit Binnen-I. „Ich betreue auch männliche Mandanten, der Großteil meiner Mandantschaft ist aber weiblich, und so soll es auch sein“, sagt Bessau.

Die Steuerberaterin ist für Frauenthemen äußerst sensibilisiert. Ihr ist es wichtig, Frauen zu mehr Selbstständigkeit in Finanzdingen zu führen. Und vor allem legt sie Wert auf eine Gleichheit der Geschlechter. Deshalb hat sie sowohl im Privaten als auch im Beruflichen einen Blick für Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen. Und auch in der eigenen Branche fallen ihr immer wieder Missstände auf, obwohl alle ihrer Mitarbeiterinnen und viele der Mandanten weiblich sind. „Ich bemerke immer dann, wenn ich Branchenveranstaltungen oder Fortbildungen besuche: Es ist auch im Jahr 2016 immer noch so, dass Steuerberaterinnen von ihren männlichen Kollegen oft anders wahrgenommen werden, sich mehr beweisen und stärker durchsetzen müssen, wenn sie vorwärtskommen wollen“, sagt sie. Zum Teil nähmen auch Mandanten weibliche Steuerberater immer noch weniger ernst als männliche. „Als Exoten gelten Frauen in der Branche zwar nicht mehr. Aber es gibt trotzdem noch viel zu tun“, sagt Bessau.

Tatsächlich ist die Steuerberaterbranche eine Männerdomäne. Immer noch. Laut Berufsstatistik für das Jahr 2015 sind nur etwa 35 Prozent der etwa 82.000 Berufsträger in Deutschland Frauen. Die Tendenz ist allerdings steigend, im Jahr 2010 waren es 32 Prozent. Auch in den Hierarchien ist das spürbar: Vor allem in den obersten Führungsetagen großer Steuerberatungssozietäten sind noch kaum Frauen zu finden. Gleiches gilt für die Gremien des Berufsstandes.

In der Branche ist immer noch schwer, sich zu behaupten, berichten viele Berufsträgerinnen. Das heißt für Steuerberaterinnen: Sie müssen besonders viel Kraft aufwenden, um sich durchzusetzen, selbstbewusst Honorare einzufordern, souverän zu sein und immer wieder mit Fachwissen und Kompetenz zu überzeugen. Auf der anderen Seite sind sie auf ein Umfeld angewiesen, in dem sie genau das einbringen und in dem sie gegebenenfalls auch Familie und Beruf unter einen Hut bringen können.“

Auf das Umfeld kommt es an

Martina Zendath ist Steuerberaterin und Fachberaterin für Sanierung und Insolvenzverwaltung. Sie leitet gemeinsam mit Erich und Helmut Bäuerle – die beiden sind Vater und Sohn – die Steuerberaterkanzlei Bäuerle in Stuttgart. Zendath hat auf ihrem Karriereweg einige Stationen durchlaufen: Nach der Ausbildung beim Finanzamt wechselte sie zunächst in eine große Beratungsgesellschaft, arbeitete in der Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung, wurde schließlich selbst Berufsträgerin. Im Anschluss war sie nacheinander bei zwei Industriekonzernen tätig: Im einen Unternehmen stieg sie als Steuerberaterin in die Steuerabteilung ein, im anderen baute sie die Steuerabteilung selbst auf. In dieser Zeit kam ihre Tochter zur Welt. Zendath arbeitete deshalb zeitweise in Teilzeit. Damals habe sie zum ersten Mal zu spüren bekommen, dass der Weg nach oben für Mütter oft besonders schwer ist: „Bei meinem damaligen Arbeitgeber hieß es, dass ich auf der Karriereleiter im Konzern noch weiter nach oben hätte kommen können – wenn ich nicht schwanger geworden wäre und weiterhin Vollzeit gearbeitet hätte.“ Zendath stieß an die berühmte „gläserne Decke“: Der Begriff ist eine Metapher für das Phänomen, dass qualifizierte Frauen in Unternehmen selten in Top-Positionen vordringen. Letztlich sei der versperrte Weg nach oben bei ihrem damaligen Arbeitgeber aber nicht so schlimm gewesen, sagt Zendath: „Die Strukturen, die Arbeitsweise, der Umgang miteinander in einem großen Konzern waren letztendlich nicht mein Ding.“

Martina ZendathIm Jahr 2008 kam sie schließlich zur Kanzlei Bäuerle. Dort wurde sie mit offenen Armen empfangen: „Als ich in die Führungsriege der Kanzlei eingestiegen bin, haben sich viele Mitarbeiter gefreut, dass endlich mal eine Frau dabei ist“, erzählt sie. Auch die Mandanten der Kanzlei hießen sie herzlich willkommen. Zendath hat heute den Eindruck, dass sich im Vergleich zu früher etwas verändert hat: „Inzwischen achten nicht mehr ganz so viele Mandanten darauf, dass in ihrer Steuerberaterkanzlei vor allem Männer mit an Bord sind.“ Im Gegenteil, manche Mandanten würden sogar Wert darauf legen, von einer Frau beraten zu werden. „Das sind natürlich vor allem Frauen, weil sie sich von einer Beraterin vom gleichen Geschlecht einfach besser verstanden und im Endeffekt auch besser beraten fühlen.“ Über gewisse Themen, etwa ihre Scheidung, sprächen viele Frauen eben lieber mit jemandem vom gleichen Geschlecht. Nicht zuletzt hätten Frauen oft auch eine andere Herangehensweise als Männer, findet Zendath: „Sie sind emotionaler und können sich in manche Probleme einfach mehr einfühlen.“ Fachlich sehe sie zwischen sich und ihren männlichen Kollegen allerdings keine Unterschiede: „Hier weiß jeder, was der andere kann und leistet, und das wird auch anerkannt.“

In ihrer eigenen Kanzlei hat Martina Zendath bislang keinerlei schlechte Erfahrungen gemacht. Beruf und Familie kann sie hier bestens miteinander vereinbaren – auch, weil es bei Bäuerle kein Problem ist, wenn jemand in Teilzeit oder von zu Hause aus arbeiten will. Letztlich bräuchten Frauen in der Steuerberaterbranche das passende Umfeld und die richtigen Kollegen, um erfolgreich zu sein, sagt Zendath. Noch wichtiger sei es, immer authentisch zu sein und zu lernen, sich durchzusetzen: „Es geht darum, eine eigene Linie zu haben und dieser treu zu bleiben.“

Gute Erfahrungen in ihrer Kanzlei hat auch Sabine Schell gemacht. Die Steuerberaterin ist Partnerin und Geschäftsführerin der Steuerberatungsgesellschaft Claus & Richter im baden-württembergischen Bietigheim-Bissingen. Schell, Jahrgang 1966, arbeitet seit 25 Jahren in der Steuerberaterbranche. Sie hat schon früh festgestellt, dass Berufsträgerinnen am besten mit Fachwissen punkten können: „Schon ganz am Anfang meiner Laufbahn habe ich in einer Kanzlei gearbeitet, in der auch eine Frau das Sagen hatte. Sie war Steuerberaterin und Wirtschaftsprüferin und war bei ihren männlichen Kollegen voll anerkannt“, sagt Schell. Fernab aller Diskussionen um Geschlechtergleichheit steht für sie fest: „Wenn man seinen Beruf in dieser Branche gut macht, wird man auch anerkannt und hat keine Probleme, beruflich voranzukommen.“.

Frauen werden kritischer beäugt

Sabine SchelGewisse Ungleichgewichte stellt Schell in der Branche aber trotzdem fest. „Die Hilfskräfte in Steuerberaterkanzleien sind fast ausschließlich Frauen. Wenn die Teams etwas gemischter wären, könnte das sicher nicht schaden“, sagt sie. Es gebe es auch in der Steuerberaterbranche „die üblichen Benachteiligungen, die Frauen in allen Branchen begegnen“: Also zum Beispiel niedrigere Gehälter für gleiche Arbeit. Tatsächlich verdienten weibliche Steuerberater im vergangenen Jahr ganze 42 Prozent weniger als männliche Berufsträger, zeigt eine Auswertung des Statistischen Bundesamts – wobei der Teilzeit-Effekt bei dieser Zahl nicht herausgerechnet wurde. Vor zehn Jahren betrug der Gehaltsunterschied sogar noch 47 Prozent.

Auch Sylvia Schöke, Steuerberaterin aus Köln, sieht es nicht als Nachteil, in der Steuerberaterbranche einer Minderheit anzugehören. „Viele Frauen bringen Eigenschaften mit, die sehr vorteilhaft für den Berufsalltag sind: Zum Beispiel Empathie, ein gutes Gespür für Mandanten und auch die Fähigkeit zur Selbstkritik“, sagt sie. Zudem schauten Frauen oft mehr auf Details. Diese Eigenschaften kommen ihrer Meinung nach besonders der Beziehung zwischen Berufsträgern und Mandanten zugute – denn diese basiere immer auf Vertrauen.

Sie hat im Jahr 1988 ihre eigene Kanzlei gegründet, nachdem sie vorher drei Jahre lang bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young sowie mehreren mittelgroßen und großen Steuerberatungsgesellschaften im Rheinland tätig war. Die Steuerberaterin bezeichnet sich als „kostümerprobt“ – und hat im Laufe ihrer Karriere die Erfahrung gemacht, dass das Erscheinungsbild von Frauen auf Branchenveranstaltungen und bei anderen Gelegenheiten wesentlich kritischer beäugt wird als das von Männern. „Zu Anfang meiner Karriere war es zudem noch nicht üblich, dass auch Frauen Karriere machen“, sagt Schöke. Sie habe sich durchsetzen und stets ihre Kompetenz unter Beweis stellen müssen – auch weil ihre männlichen Kollegen oft dominanter aufgetreten seien. Heute muss Schöke seltener gegen Kollegen antreten, die sich gern in den Vordergrund drängen. Sie ist als Kanzleiinhaberin Chefin von sechs Mitarbeiterinnen und betreut einen großen Mandantenkreis. Auch Schöke hat die Erfahrung gemacht, dass viele Mandanten sich gezielt einen weiblichen Steuerberater suchen, weil sie sich dort besser aufgehoben fühlen. Aber auch die umgekehrte Situation hat sie schon erlebt: „Nicht jeder Mandant ist mir von vornherein respektvoll begegnet.“

Der Weg ist unumkehrbar

Schöke empfiehlt Steuerberaterinnen, sich neben viel Fachwissen auch Durchsetzungsvermögen anzueignen – und vor allem Kompetenz zu vermitteln. „Das funktioniert nicht nur im Gespräch mit Mandanten und Kollegen, sondern auch über das Auftreten.“ Es sei ganz und gar nicht oberflächlich, Wert auf ein gepflegtes Äußeres und einen seriösen Kleidungsstil zu legen und in der Kanzlei Blazer statt Pullover zu tragen. „Das Gesamtbild muss einfach stimmen“, sagt sie. Außerdem sollten Berufsträgerinnen sich regelmäßig mit anderen Steuerberaterinnen austauschen, sagt Schöke: „Netzwerke zu bilden ist unheimlich wichtig und vor allem hilfreich.“ Sie selbst gehört seit elf Jahren einem Kreis von Steuerberaterinnen aus dem Rheinland an, die sich regelmäßig treffen, gemeinsam Fortbildungen besuchen oder sich auch mal privat verabreden. Kennengelernt haben die Berufsträgerinnen sich im Rahmen einer Datev-Veranstaltung. „Wir haben den Erfahrungsaustausch mit anderen Steuerberaterinnen als sehr bereichernd empfunden“, sagt Schöke.

Selbstmarketing-Seminare können nicht nur das Selbstbewusstsein stärken. Sie haben unter Umständen auch noch einen schönen Nebeneffekt: Wer seine Stärken kennt und sich zu verkaufen weiß, hat gegebenenfalls weniger Probleme, Honorarverhandlungen zu führen. „Es gibt zum Glück die Steuerberatervergütungsverordnung, sodass es nicht ganz so viel Verhandlungsspielraum gibt“, sagt Steuerberaterin Franziska Bessau aus Euskirchen. Manche Mandanten versuchten aber dennoch, das Honorar übermäßig zu drücken, wenn sie einer weiblichen Berufsträgerin gegenübersitzen. „In solchen Fällen ist es gut, den eigenen Wert zu kennen und auf angemessene Bezahlung zu bestehen“, sagt Bessau. Grundsätzlich, findet sie, sollten Steuerberaterinnen stets auf die eigenen Fähigkeiten vertrauen, hinter dem stehen, was sie tun und sich nicht aus der Ruhe bringen lassen – auch nicht, wenn männliche Kollegen oder Mandanten sie dann doch einmal mit Geringschätzung behandeln.

Autorin: Annika Janßen

Aus dem SteuerberaterMagazin 10|2016

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