Der Steuerberater als Digitalisierungsberater

Die Entwicklung eines marktfähigen Produkts aus vorhandenem Wissen und Know-how der Kanzlei

Das Steuerrecht bewegt sich an der Grenze des Beherrschbaren. Darüber hinaus wünschen viele Mandanten noch mehr als eine Beratung in steuerlichen Fragen. So kümmert sich der Steuerberater häufig auch darüber hinaus. Das Gute daran, dass Kanzleien in den vergangenen Jahren immer wieder gehalten waren, aber auch aktuell gehalten sind und zukünftig gehalten sein werden, Wissen und Know-how aufzubauen, das eher flankierend mit dem Steuerrecht zu tun hat, ist, dass hierdurch neben der Steuerberatung u. U. neue Geschäftsfelder eröffnet werden. Hier ist das Wissen im Bereich der Digitalisierung ein gutes Beispiel. Bis es allerdings dahin kommt, dass der Steuerberater (auch) Digitalisierungsberater seiner Mandanten wird, bedarf es einiger Überlegungen, ob und inwieweit vorhandenes Wissen gesteuert und neues Wissen in veräußerbare Werte übertragen werden kann.

I. Von speziellem Branchenwissen und tatsächlich erbrachter Beratungsleistung

Insbesondere kleinere Kanzleien sind i. d. R. so organisiert, dass ein Mitarbeiter die verschiedensten Themen in der Kanzlei betreut, vom Lohn über die Finanzbuchhaltung zum Jahresabschluss bis hin zur Beratung. Je nach Kanzleigröße werden zumindest Fachbereiche gebildet (z. B. Team „Lohn“ oder Team „Jahresabschlusserstellung“). Diese Wissensstruktur ist innerhalb der Deklaration häufig ausreichend.

Irgendwann aber stoßen Kanzleien an ihre (Wissens-)Grenzen. Um dieser Situation zu begegnen, bietet es sich an, sich branchenbezogen auszurichten und die tatsächliche Beratungsleistung, die in der Kanzlei erbracht wird, zu erfassen:

  • Zur Risikoabfederung haben die meisten Kanzleien eine breite Aufstellung, was die Branchenzugehörigkeit der Mandanten betrifft. Dies erfordert – folgerichtig – breites Wissen. Die Lösung kann sein, sich spezielles Branchenwissen anzueignen. In so manchen Kanzleien werden daher branchenbezogene Fachbereiche ausgebildet.

  • Das spezifische Wissen endet nicht bei der Deklaration. Die Kennzahlen der Branche zeigen allerdings seit vielen Jahren, dass Kanzleien einen relativ geringen Teil ihrer Leistungen mit Beratung erzielen.

    Eigene Einschätzung:

    Auch wenn die dargestellten Werte den Werten entsprechen, die den Statistikern vom Berufsstand mitgeteilt wurden, dürfte die tatsächliche Situation in den Kanzleien hierdurch nicht abgebildet werden. M. E. wird tatsächlich mehr beraten, die Beratung als solche aber nicht empfunden, erfasst und abgerechnet.

    Die Lösung des Problems besteht darin, dass der Steuerberater seine derzeitigen Beratungsleistungen definiert und diese von der Deklaration trennt. Zu diesen Beratungsleistungen gehören auch die Tätigkeiten, die bereits jetzt z. B. in Bezug auf Prozesse der Digitalisierung bei den Mandanten erbracht werden.

    Beispiel 1:

    Unternehmer U hat gehört, dass digitalisierte Rechnungsprozesse erhebliche Kosteneinsparungen im Vergleich zum papierbasierten Rechnungsprozess versprechen. Bei einem Beratungsgespräch mit Steuerberater S fragt er nach den Bedingungen der Einführung des E-Invoicing und ob er zur Nutzung elektronischer Rechnungen verpflichtet ist. S gibt bereitwillig Auskunft.

    Das Beispiel macht deutlich: Der Steuerberater ist schon Digitalisierungsberater, hat es vielleicht aber noch gar nicht so gesehen und damit seine Leistung auch noch nicht abgerechnet.

II. Aufgebautes eigenes administratives Wissen

Der Ausdruck „Administration“ kommt aus dem Lateinischen und steht für Verwaltung. Administration betrifft alle internen Funktionen und Aufgaben im „Backoffice“ eines Unternehmens: Mitarbeiterführung, Organisation, Prozessaufbau und -ablauf. Das Wissen um gute Mitarbeiterführung baut eine Kanzlei praktisch automatisch auf, weil der Fachkräftemangel dazu zwingt. Neben dem Auf- und Ausbau der Personaldecke steht das Halten vorhandener Ressourcen im Fokus der Kanzleien. Regelmäßige Mitarbeiterbesprechungen, Bedarfsanalysen über benötigte Schulungen, Zielvereinbarungen usw. führen dazu, dass der Steuerberater als Unternehmer in der Vergangenheit Strukturen aufgebaut und immer wieder verändert hat.

Hinweis:

Mit der Organisation von Fristen, Wiedervorlagen, Dokumentenmanagement, Vorlagenverwaltung, Controlling und den gesamten kontinuierlichen Verbesserungsprozessen hat jeder Kanzleiinhaber die Grundlage für strukturiertes und organisiertes unternehmerisches Handeln geschaffen. Und die Digitalisierung spielt gerade in diesen Prozessen eine immer wichtigere Rolle. Dies muss sich ein Steuerberater bewusst machen.

Und soweit noch „Luft nach oben besteht“, sollte jede Kanzlei die Möglichkeiten nutzen, weiteres Wissen aufzubauen.

Wichtig ist allerdings, die eigenen Prozesse zu beschreiben und im Anschluss einem Optimierungsprozess zu unterziehen. Geschieht dies, hat eine Kanzlei bereits eine wichtige Trainingsphase hinter sich. Die eigenen Prozesse und damit das tägliche Tun und die damit verbundene Selbstverständlichkeit in Worte zu fassen, ist aber gar nicht so leicht. Die Übung besteht darin, das, was getan wird, aufzuschreiben, und das, was aufgeschrieben wurde, zu tun. Dies gilt es in regelmäßigen Abschnitten zu hinterfragen und bei Bedarf anzupassen. Mit dieser Übung ist eine Kanzlei im administrativen Vorgehen vorbereitet auf die Verfahrensdokumentation und die Optimierung von Prozessen des Mandanten.

III. Die Grundsatzentscheidung für das Angebot der Digitalisierungsberatung

1. Selbst machen oder kooperieren?

Die Basis für die Beratung neben der Steuerberatung ist aufgrund des Kanzleialltags in den meisten Fällen also vorhanden. So stellt sich zunächst die Frage, ob die Erweiterung des Produktportfolios für die eigene Kanzlei opportun ist, ob man also „eigentlich“ den Schritt gehen will, aus den oben beschriebenen Leerkosten Nutzkosten zu machen, das, was an Wissen aufgebaut ist, an Mandanten zu verkaufen, neben oder anstelle einer steuerlichen Beratung im Rahmen der Prozesse der Digitalisierung zu beraten. Natürlich sind das Anforderungsprofil und das Digitalisierungsniveau, das in Unternehmen erreicht werden soll, sehr unterschiedlich. Aber der Markt ist im Hinblick auf Digitalisierungsprozesse enorm groß.

Hinweis:

Wer zu dem Ergebnis gelangt, dass das Angebot einer Digitalisierungsberatung nicht zur Kanzlei passt, aus welchen Gründen auch immer, sollte sich jedoch daran machen, geeignete Kooperationen mit Beratungsunternehmen aufzubauen, die diese Leistungen für Mandanten erbringen können. So bleibt der Kontakt zu den Mandanten zumindest mittelbar bestehen.

Wer zu dem Ergebnis gelangt, dass Digitalisierungsberatung zum Produktportfolio der Kanzlei passt, steht allerdings dann vor einer für viele Kanzleien anscheinend unüberwindbaren Hürde, nämlich der Frage, wer die Beratung übernehmen soll. Denn gerade die Berufsträger oder Mitarbeiter, die hier Wissen aufgebaut haben, haben i. d. R. im Bereich der Steuerberatung genug Arbeit. Dennoch sollte in dieser Situation zunächst überlegt werden, ob in der Kanzlei noch Kapazitäten vorhanden sind, weil

  • Prozesse noch effizienter gestaltet werden können;

  • die Trennung von bestimmten Mandanten Freiräume schafft;

  • Kapazitäten anders gesteuert und Umverteilungen vorgenommen werden können;

    Hinweis:

    Hier geht es auch um die Frage, ob der Steuerberater die eigene Rolle und Tätigkeit in der Kanzlei verändert, also selbst Digitalisierungsberater wird und von den derzeitigen Aufgaben entsprechend zurücktritt.

  • eine Kanzlei hinzugekauft werden kann;

  • neue Mitarbeiter eingestellt werden.

Das Angebot der Digitalisierungsberatung ist i. d. R. nicht ohne eine Erweiterung der personellen Ressourcen machbar. Aber welche Qualifikation sollten die neu einzustellenden Mitarbeiter haben? Hier sollte über den Tellerrand hinausgeschaut werden. Es müssen nicht unbedingt Personen aus dem Steuerfach sein. Ausgebildete IT-ler oder Betriebswirte mit einer Affinität für die Digitalisierung können sogar „geeigneter“ sein.

Hinweis:

Auch eine wirtschaftliche Abspaltung aus der Steuerkanzlei sollte überdacht werden. Macht es ggf. Sinn, eine eigene Wirtschaftsberatungsgesellschaft auszugründen und hier klare Verantwortlichkeiten zu definieren? All diese Gedanken sind davon abhängig, wie hoch das Anfangsinvestment sein soll und mit welcher Power der Steuerberater das neue Geschäftsfeld entwickeln will.

2. Wie tief muss das eigene Fachwissen sein?

Wer beraten will, muss über Wissen verfügen. Aber wie tief muss das Wissen sein, damit der Mandantschaft eine Digitalisierungsberatung auch seriös angeboten werden kann? Hier gilt es, sich zunächst die in der Praxis i. d. R. auftretenden zwei Auftragstypen vor Augen zu führen: Entweder möchte ein Mandant, dass eine einzelne, klar umschriebene Aufgabe gelöst wird, oder er fordert die Lösung eines umfassenderen Problems, mit dem ein Projekt in Zusammenhang steht. Während die erste Aufgabe sich durch einen gezielten Standard eher unschöpferisch lösen lässt, erfordert die zweite Aufgabe eine Beratung, die sich als mehrdimensionales Projekt darstellt.

Mit Blick auf die zweite Aufgabe sollte die Sorge, dass die Kanzlei nicht das umfängliche Wissen für die Lösung einer komplexen Aufgabe mitbringt, nicht dazu führen, dass man sich nicht an die Beratung herantraut. Die Erfahrung von Kanzleien, die diesen Weg bereits gegangen sind, ist die, dass Detailwissen häufig gar nicht vonnöten ist. Egal, wie der Auftrag zu Beginn auch bezeichnet und definiert wird: Letztlich will der Mandant, dass der Steuerberater sich um die Entwicklung der Zukunftsfähigkeit seines Unternehmens kümmert und Strukturen für eine anstehende Digitalisierung schafft. Dann geht es um Change Management, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten, Strukturen auch innerhalb der Geschäftsleitung des Mandanten, private Probleme, Kommunikation sowie Mitarbeiterführung usw. Hier geht dann letztlich der Beratungsfächer auf und auch die Digitalisierung spielt eine Rolle. Der Auftrag kann dann auch in die erste – eindimensionale – Aufgabe der Digitalisierungsberatung münden. Hat der Steuerberater oder ein Mitarbeiter das entsprechende Wissen, kann diese Aufgabe abgearbeitet werden. Wenn nicht, ist in diesem Moment ein IT-Unternehmen einzuschalten.

IV. Schritte zur Umsetzung

Um das Produktportfolio der Kanzlei zu erweitern und die Digitalisierungsberatung in der Kanzlei zu implementieren, ist das Hinzuziehen eines „Bergführers“ durchaus ratsam. Es gibt Unternehmen, die die hierfür erforderlichen Schritte schon mit anderen Kanzleien gegangen sind und helfen können, Fehler, die andere auf diesem Weg bereits gemacht haben, zu vermeiden. Die Schritte sind aber auch ohne „Bergführer“ gangbar. Das Wichtigste ist, dass der Steuerberater eine klare Entscheidung trifft, zukünftig eine Digitalisierungsberatung anbieten zu wollen.

1. Nutzung von Unterstützungstools/Programmen

Ist die Entscheidung für die Digitalisierungsberatung in der Kanzlei getroffen, sollte eine Projektplanung einsetzen. Es ist festzulegen, bis wann und mit wem Beratungsprojekte vorbereitet und abgeschlossen sein sollen. Festgelegte Meilensteine, deren Erreichen regelmäßig zu überprüfen sind, helfen.

Hinweis:

Geeignete Hilfsmittel für diese Planung sind neben Excel-Tabellen, Mindmaps oder auch handschriftlichen Aufzeichnungen Projektplanungstools. Hier gibt es bereits kostenlose Software auf dem Markt, die sehr leistungsfähig ist.

Zugrunde liegt einer Planung aber natürlich eine Ist-Analyse über die Kapazitäten und die Beratungselemente, die die Kanzlei bereits jetzt bedienen kann, und über den noch benötigten Bedarf an Ressourcen und Wissen. Auch hier gibt es Freeware-Lösungen auf dem Markt, wobei i. d. R. für die Bedarfsermittlung eine Excel-Tabelle völlig ausreichend ist.

Praxistipp:

In der ersten Spalte der Tabelle listen Sie alle Mitarbeiter. Die weiteren Spalten stehen für Wissen, das von diesen erwartet wird und/oder das vermittelt werden soll (Fortbildung, Schulung). Neben fachlichem Wissen (Digitalisierung, betriebswirtschaftliche Kenntnisse) sind dies auch organisatorische, technische und/oder programmtechnische Kenntnisse. Auch die soziale Kompetenz der Mitarbeiter sollte näher angeschaut werden. Ist diese Kompetenz ebenso zu schulen und das Wissen bereitzustellen?

2. Aufbau des Geschäftsfelds

Am Anfang steht die Frage, wie das Geschäftsfeld aussehen kann. Hier ist im Rahmen einer Bedarfsanalyse festzustellen, wo für die Kanzlei überhaupt ein Markt erkennbar ist und für welche der Produkte sie sich stark machen will. Am Anfang sollten ein bis zwei Produkte stehen, nicht schon eine ganze Produktpalette. Die Produkte können etwa lauten (Musterbeispiele):

  • „Change Management im Unternehmen“;

  • „Von der Verfahrensdokumentation in die digitalen Prozesse“;

  • „Organisationsberatung unter dem Fokus der Digitalisierung“

  • usw.

Für die ein bis zwei angebotenen Produkte sind dann Pakete zu schnüren, d. h. dass eine verantwortliche Person bestimmt wird und klare Ziele gesetzt werden.

Sodann erfolgt eine Potenzialanalyse anhand einer Mandantenliste, bei welchen Mandanten die zusätzlichen Leistungen überhaupt eingesetzt werden könnten. Auch hier kann mit einer Excel-Tabelle für Übersicht gesorgt werden.

Praxistipp:

In der ersten Spalte der Tabelle listen Sie die Mandanten. In den Spalten daneben erscheinen dann die möglichen Produktarten. Hier ist in einem ersten Schritt festzulegen, bei welchen Mandanten überhaupt Potenziale bestehen. In einer gesonderten Tabelle werden parallel dazu in einem zweiten Schritt Aussagen zu weiteren Fragen getroffen.

Folgende Fragen sind im zweiten Schritt zudem „abzuarbeiten“:

  • Wie sieht die Leistungserbringung konkret aus (Prozess)?

  • Welche Merkmale hat das Leistungsergebnis konkret?

  • Welchen Nutzen hat der Mandant?

  • Was ist er bereit zu zahlen?

  • Wie hoch wird das Honorar sein?

  • Lohnt sich die Beratung für beide Seiten (Marktfähigkeit)?

Sind diese Fragen geklärt, wird ein Pilotprojekt gestartet. Es hat sich bewährt, mit dem ausgewählten Mandanten offen zu kommunizieren, dass er der erste Mandant im neuen Geschäftsfeld der Kanzlei ist. Ein Mandant erwidert diese Eröffnung i. d. R. durch Wertschätzung, weil er ausgewählt wurde.

Praxistipp:

Im Rahmen des Pilotprojekts sollte der Steuerberater im Zweifel auf einen Teil des sonst üblichen Honorars verzichten. Ggf. gibt es Fördermöglichkeiten, die die Mindereinnahmen kompensieren können. Nach der Durchführung des ersten Projekts steht eine Reflexion: Was ist gut gelaufen, was nicht? Die daraus gewonnenen Erkenntnisse werden in die Kanzleiprozesse mitgenommen und dann kann die nächste Phase der Validierung und Verifizierung starten, indem der nächste ausgewählte Mandant beraten wird. Wichtig sind eine stetige Dokumentation und Analyse, was gut und nicht so gut gelaufen ist, sowie eine laufende Anpassung der Prozesse.

V. Adäquate Abrechnung der Projekte

Für die Zukunftsfähigkeit der Kanzlei ist es entscheidend, die Projekte nicht nur durchzuführen, sondern auch (adäquat) abzurechnen. Das klingt vielleicht ein wenig befremdlich, die Erfahrung zeigt jedoch, dass die kostenlose Erbringung von Beratungsleistungen in der Praxis nicht so selten vorkommt. Der Steuerberater muss daher frühzeitig überlegen, wie er seine Beratungsleistungen bepreist. Hier hat sich die Abrechnung nach Stunden- oder Tagessätzen bewährt. Die Abrechnung in Bemessung nach dem für den Mandanten erzielten Nutzen soll hier außer Acht gelassen werden.

Praxistipp:

Wichtig ist es, bei Auftragsannahme die Inhalte schriftlich festzulegen. Was ist Gegenstand des Auftrags und wie sieht der daraus abgeleitete Auftrag konkret aus? Die Positionen sollten im Einzelnen aufgenommen und der (zeitliche) Aufwand beschrieben werden.

 

Nr.
Bezeichnung
Abrechenbare Stunden
1
Angebotsphase
0
2
Klärung von Fördermöglichkeiten
1
3
Erste Informationsphase (Branche, Begebenheiten usw.)
3
4
Ist-Aufnahme, Bestandsanalyse
6
5
Erste Berichterstattung
3
6
Besprechung der Ergebnisse
2
7
Berichtskorrektur
1
8
Erstellung Projektplan
3
9
Umsetzung
10
[…]
[…]
[…]
20
Projektende – Berichterstattung
2
21
Berichtbesprechung
2
22
Vorlage und Besprechung Bank
3
23
Abrechnung Förderung
2
24
Nacharbeiten intern
0
 
Summe
38
     
25
Projektende oder Fortführung, ggf. Routinen zur Nachhaltigkeit – Überprüfung durch die Kanzlei
offen

 

Abb.: Mögliche Abrechnungstabelle

Die Festlegung des Honorars zu Beginn und der Hinweis, dass die Stundenanzahl auf Erfahrungswerten beruht und nach oben oder unten abweichen kann, erleichtert im Nachgang die Abrechnung.

Praxistipp:

Die Honorarfestlegung und der Hinweis müssen unbedingt in den Prozess der Auftragsannahme aufgenommen, Abweichungen im laufenden Prozess kommuniziert werden. Lassen Sie eine Regelung über den Preis nicht zu, sondern stehen Sie zu Ihren Stundensätzen!

VI. Prozess der Auftragsgewinnung

Wenn es um das Thema (zusätzlicher) Aufträge geht, gilt eine Grundregel: Es ist einfacher, ein bestehendes Mandat mit zusätzlichen Aufträgen auszustatten, als ein neues Gesamtmandat zu generieren.

Hinweis:

Unabhängig davon, ob bereits eine Mandatsbeziehung besteht oder nicht, darf das Naheliegendste – die Kommunikation auf allen Kanälen (Gespräche, Newsletter, Webpräsenz, soziale Medien usw.), dass die Kanzlei auf diesem Geschäftsfeld unterwegs ist und das Metier beherrscht, – nicht vergessen werden. Was ein (potenzieller) Mandant nicht weiß, kann er nicht beauftragen.

1. Auftragsgewinnung im Bestandsmandat

Bei einem Bestandsmandanten sieht der Regelfall häufig so aus, dass der Mandant zwar mit einem Anliegen an den Steuerberater herantritt, dies aber oftmals nur in einem Nebensatz. Der Mandant kommuniziert sein Anliegen also nicht unbedingt direkt, was vom Steuerberater oder dem Mitarbeiter, der den Mandanten betreut, aber wahrgenommen werden muss. Gefragt ist also aufmerksames Zuhören. Nach dem Zuhören erfolgt das aktive Zuhören und dann die sich an die möglichen Produkte anschließenden Lösungen durch die Kanzlei.

Die Druckpunkte liegen beim Mandanten völlig individuell mit einem Schwerpunkt auf aktuellen Begebenheiten.

Beispiel 2:

Ein die Digitalisierung blockierender Mitarbeiter kündigt und scheidet damit aus dem Unternehmen U, das von Steuerberater S betreut wird, aus. Durch Zufall erfährt S hiervon. S kann nun auf U zugehen und ihm ein bedarfsgerechtes Angebot zur Digitalisierungsberatung unterbreiten.

Der Wechsel in die digitale Zusammenarbeit (z. B. Lohn- und Finanzbuchhaltung, Einkommensteuer) ist aber i. d. R. Einstieg genug in die Digitalisierungsberatung. Es ist nur wichtig zu klären, wie und vor allem wer diesen Ball aufnimmt. Besteht erst einmal der Auftrag, ist der Berater vor Ort, ganz nahe am Mandanten. Dann ergeben sich über die Zeitschiene so viele Anfragen, die er „nur noch“ in Aufträge nach dem Muster Anfrage – Angebot – Auftrag – Projekt – Abrechnung stringent bearbeiten darf. Über diesen Weg zeigen sich Schwerpunkte, Entwicklungen und gesamtheitliche Potenziale in der Digitalisierungsberatung als Leistung für die Kanzlei.

Indem die Digitalisierungsprodukte mit der sog. Merkmal-Vorteil-Nutzenkette hinterlegt werden und die Vorgehensweise für die Digitalisierungsberatung im Prozess beschrieben wird, erkennt der Mandant den Nutzen, wie z. B. optimierte Abläufe, flexibleres Arbeiten durch mögliche Heimarbeitsplätze, effektiveres Arbeiten, verbesserte Vertretungsregelung usw. sowie die verbesserte Wertschöpfung (Geld), den verbesserten Unternehmenswert und die Zufriedenheit bei der Arbeit.

Hinweis:

Je besser diese Argumente auf- und vorbereitet sind, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit einer Nachfrage über den Preis!

2. Auftragsgewinnung durch neue Mandanten

Dies zeigt dann auch den Weg, um neue Mandanten zu gewinnen – wenn dies ein gewünschtes Ziel ist. Der wichtigste Vertriebskanal ist die gute Leistung der Kanzlei und eine gute Qualität ihrer Arbeit. Dies gilt für alle Felder der Beratung und damit auch für die Digitalisierungsberatung. Dann sind die Kanzleimitarbeiter, die Mandanten und Banken gute Multiplikatoren. Hier wird es sich auszahlen, wenn der Steuerberater ein breites Netzwerk aufgebaut hat.

VII. Beispiel eines möglichen und typischen Prozessablaufs in dem Projektfeld

Sind sämtliche Voraussetzungen für eine Digitalisierungsberatung geschaffen, kann ein beispielhafter Auftrag zu einem umfänglicheren Organisations- und Digitalisierungsprojekt wie folgt grob umrissen werden (Prozess):

Auftragsannahme

  • Der Mandant telefoniert mit einem Mitarbeiter: „Ich muss aufgrund neuer Branchenlösungen jetzt doch weg vom Papier.“ (Nebensatz)

  • Der Mitarbeiter reagiert und gibt das Gespräch an den Kanzleiinhaber weiter: „Da können wir unterstützen.“

  • Ein Termin für ein dezidiertes Gespräch wird vereinbart. Was genau ist Ansatz und Wunsch des Mandanten?

  • Die umfangreichen Fragen, zu deren Bearbeitung Unterstützung gewünscht wird, werden abgesteckt.

  • Der Steuerberater klärt, ob Fördermittel in Betracht kommen, und beantragt diese ggf.

  • Der Auftrag mit konkret abgesteckten Inhalten wird erteilt.

Projektvorbereitung

  • Ein Projektplan wird erstellt.

  • Mit dem Mandanten werden Termine vereinbart.

  • Das Projekt wird umfänglich vorbereitet (Anlegen einer Vorgangsmappe usw.).

  • Soweit dritte Dienstleister miteinbezogen werden müssen, wird dies geklärt.

Projektdurchführung I

  • Vorbereitete Fragen und eine Bestandsaufnahme werden an den Mandanten gesendet.

  • Zurückgesendete Unterlagen werden gesichtet und ausgewertet.

  • Es erfolgt eine Ist-Aufnahme vor Ort.

  • Die Daten aus der Vorbereitung und der Ist-Aufnahme werden zusammengeführt.

  • Die Ergebnisse werden intern besprochen (Qualitätssicherung).

  • Die Ergebnisse werden mit dem Mandanten besprochen.

  • Ggf. erfolgt eine Berichtskorrektur.

Projektdurchführung II

  • Die Umsetzungsberatung wird besprochen, insbesondere die Frage: Wer macht was?

  • Erforderliche Aktionen werden im Projektplan festgelegt.

  • Ggf. muss das Auftragsverhältnis angepasst werden.

  • Das Projekt wird durchgeführt und dokumentiert.

Projektnachbereitung

  • Es wird über das Gesamtprojekt Bericht erstattet.

  • Es erfolgt eine interne Freigabe (Qualitätssicherung).

  • Im Gespräch mit dem Mandanten erfolgt die Freigabe.

  • In der Rückbetrachtung werden die Folgewirkungen für weitere Projekte erfasst.

  • Ggf. werden die Ergebnisse an Dritte weitergegeben.

  • Die Frage nach der Beantragung von Fördermitteln ist erneut aufzuwerfen.

  • Die interne(n) Vorgangsmappe(n) wird/werden geschlossen.

Fazit

Digitalisierungsberatung ist eine ideale Beratungsleistung des Steuerberaters, gibt sie ihm doch die Möglichkeit, die für die eigene Kanzlei erworbenen Kenntnisse und Expertisen als marktfähiges Produkt für weitere (Neu-)Mandanten anzubieten. Damit wird ein (weiteres) Alleinstellungsmerkmal für Mandanten, aber auch für Mitarbeiter geschaffen, die eine zukunftssichere und beratungsstarke Kanzlei auswählen oder gar erwarten. Kanzleien, die diesen Weg gehen, verwirklichen gleich mehrere Ziele auf einmal: Dank des erworbenen Wissens können weitere Mandanten sinnvoll beraten werden, vorhandenes Wissen wird nutzbar gemacht und vergütet, für potenzielle und neue Mitarbeiter und Mandanten werden Perspektiven geschaffen, durch die größere Nähe zum Mandanten treten weitere Effekte im Rahmen des Cross-Sellings ein und die zusätzliche Beratungsleistung schafft Wachstum, erhöht den laufenden Ertrag und den Kanzleiwert. Bei der Umsetzung kommt es darauf an, am Anfang bewusst nicht zu schnell loszulaufen. Jede Beratung schafft mit der Zeit Sicherheit, dass es geht. Und dann kann Geschwindigkeit aufgenommen werden – und ggf. ein weiteres neues Geschäftsfeld.

Autor

Gerd Otterbach, Diplom-Kaufmann und Kanzleiberater. Er ist auch Gesellschafter-Geschäftsführer des Instituts für Kanzleiführung und Kanzleientwicklung, proStB in Netphen.

Fundstelle(n):
NWB 2022 Seite 2140 - 2148
NWB OAAAJ-17980

Cookies erforderlich

Um fortfahren zu können, müssen Sie die dafür zwingend erforderlichen Cookies zulassen. Diese gewährleisten den vollen Funktionsumfang unserer Seite, ermöglichen die Personalisierung von Inhalten und können für die Ausspielung von Werbung oder zu Analysezwecken genutzt werden. Lesen Sie auch unsere Datenschutzerklärung.