Latente Steuern infolge der neuen Sonderabschreibung nach § 7b EStG

Den nicht mehr ganz jungen Lesern ist § 7b EStG vermutlich noch in guter Erinnerung, ermöglichte er doch eine steuerliche Förderung der selbst genutzten Wohnung. Mit der Neuregelung des § 7b EStG hat dies jedoch nur noch wenig zu tun. Vielmehr hat der Gesetzgeber eine Sonderabschreibungsmöglichkeit für vermietete Wohnräume geschaffen. Die Auswirkungen des neuen § 7b EStG sind sogar in der Handelsbilanz und hier über die reine Sonderabschreibung hinaus denkbar, wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen.
Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie hier.

I. Sonderabschreibung nach § 7b EStG

§ 7b EStG sieht eine Sonderabschreibung für die Anschaffung oder Herstellung neuer Wohnungen vor, wenn

  • Baumaßnahmen aufgrund eines nach dem 31.8.2018 gestellten Bauantrags vorliegen,
  • die Anschaffungs- oder Herstellungskosten 3.000 € je Quadratmeter Wohnfläche nicht übersteigen und
  • die Wohnung im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den folgenden neun Jahren Wohnzwecken dient.1

Hinweis:

Das Gesetz zur steuerlichen Förderung des Mietwohnungsneubaus sollte am Tag nach der Verkündung im BGBl in Kraft treten, d. h. die Sonderabschreibung nach § 7b EStG hätte erstmalig für das Jahr 2019 beantragt werden können. Der Gesetzgeber hat aber im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2019 eine Änderung in § 52 Abs. 15a Satz 1 EStG vorgenommen. Demnach kann die Inanspruchnahme der Sonderabschreibung nach § 7b EStG nunmehr bereits für den Veranlagungszeitraum 2018 erfolgen.

Die Sonderabschreibungen betragen im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den folgenden drei Jahren maximal (jährlich) 5 % und können neben der Absetzung für Abnutzung nach § 7 Abs. 4 EStG in Anspruch genommen werden.2 Bei der Sonderabschreibung handelt es sich um einen Ganzjahresbetrag, eine Verminderung nach Monaten („Zwölftelung“) findet also auch im Erstjahr nicht statt.3 Die Bemessungsgrundlage der Sonderabschreibung ist auf 2.000 € je Quadratmeter Wohnfläche begrenzt.4

Die Vorschrift ist auch auf Wohnungen im Betriebsvermögen anzuwenden.5

Hinweis:

Zu weiteren Erläuterungen siehe den Beitrag von Rätke in BBK 18/2019 S. 878.6

II. Latente Steuern gem. § 274 HGB

Nach § 274 Abs. 1 HGB gilt: Bestehen zwischen den handelsrechtlichen Wertansätzen von Vermögensgegenständen, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten und ihren steuerlichen Wertansätzen Differenzen, die sich in späteren Geschäftsjahren voraussichtlich abbauen, so ist eine sich daraus insgesamt ergebende Steuerbelastung als passive latente Steuern (§ 266 Abs. 3 E. HGB) in der Handelsbilanz anzusetzen.7

Die Differenzen treten im Fall des § 7b EStG auf, weil eine Berücksichtigung von Sonderabschreibungen in der Handelsbilanz nicht zulässig ist,8 in der Steuerbilanz aber vorgenommen wird, um die steuerliche Wirkung in Anspruch zu nehmen. Dabei ist zu beachten, dass bei einer Sonderabschreibung im steuerlichen Betriebsvermögen niemals eine endgültige Steuerfreistellung eintritt, sondern immer nur eine frühere Berücksichtigung der Aufwendungen in Form von Absetzungen für Abnutzung (AfA) bzw. Sonderabschreibungen.

Im Sinne der latenten Steuer handelt es sich also um eine klassische temporäre Differenz. Das heißt, die Differenzen zwischen der Bewertung in der Handels- und in der Steuerbilanz verringern sich im Zeitablauf von selbst, bis sie Null betragen.

Aufgrund der steuerlichen Sonderabschreibung ist in den Jahren der Inanspruchnahme der „echte“ Steueraufwand, also derjenige am Finanzamt und bei der Gemeinde, reduziert. Folglich entstehen in der Handelsbilanz passive latente Steuern. Für diese besteht ein Ansatzzwang nach § 274 Abs. 1 Satz 1 HGB. Ein Verzicht auf den Ausweis von passiven latenten Steuern würde zu einem zu hohen Eigenkapital- und Ergebnisausweis führen und wird vom Autor deshalb als keinesfalls akzeptabel angesehen.

Hinweis:

§ 274a Nr. 4 HGB sieht zwar eine Befreiungsmöglichkeit im Bereich der latenten Steuern für kleine Gesellschaften9 vor. Wird diese Befreiung in Anspruch genommen, müssen aber latente Steuern anstatt als Position nach § 266 Abs. 3 E. HGB als Steuerrückstellung nach § 266 Abs. 3 B. 2. HGB bilanziert werden.10 Im Endergebnis führt diese Auffassung dazu, dass alle handelsrechtlich zur Buchführung Verpflichteten, also auch e. K., oHG und KG, passive latente Steuern bilanzieren müssen.11

III. Ausgangssachverhalt

Die A-GmbH hat im Januar 2019 ein neu erstelltes Mietwohngrundstück angeschafft und von Beginn an zum Zwecke der Wohnungsvermietung genutzt.

Die Voraussetzungen für die Vornahme der Sonderabschreibung nach § 7b EStG sind gegeben. Die Anschaffungskosten des Gebäudes, das ausschließlich Mietwohnungen enthält, betragen insgesamt 1.245.640 € und wurden vom Bankkonto bezahlt. Es ist eine Wohnfläche von insgesamt 418 Quadratmetern vorhanden.

Die A-GmbH will die Sonderabschreibung nach § 7b EStG vornehmen. Die angemessene Nutzungsdauer des Gebäudes beträgt nach der Auffassung der A-GmbH 50 Jahre. Beim Steuersatz der GmbH ist von 30 % auszugehen (Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer).

  • Welche Bilanzansätze ergeben sich in der Handels- und in der Steuerbilanz für das Gebäude?
  • Welche Buchungen sind vorzunehmen?

IV. Bilanzielle Auswirkungen der neuen Sonderabschreibung

1. Handelsbilanz (vorläufig)

Die Zugangsbewertung des Gebäudes erfolgt im konkreten Fall mit den Anschaffungskosten (§§ 253 Abs. 1, 255 Abs. 1 HGB).

030012 Wohnbauten 1.245.640 € an 1800 Bank 1.245.640 €

Für die Folgebewertung gilt: Bei Vermögensgegenständen des Anlagevermögens, deren Nutzung zeitlich begrenzt ist (also auch bei Gebäuden), sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten um planmäßige Abschreibungen zu vermindern (§ 253 Abs. 3 Satz 1 HGB).

Da die Handelsbilanz keine Vorgabe einer Nutzungsdauer kennt, ist diese vorsichtig zu schätzen.13 Nach Meinung des IDW wird die voraussichtliche Nutzungsdauer bei Wohngebäuden „i. d. R. nicht unter 50 Jahren, aber auch nicht wesentlich länger“ betragen.14 Das deckt sich mit der Annahme der A-GmbH. Die Übernahme der steuerlichen Nutzungsdauer (siehe Abschnitt IV.2), ohne dass diese mit der handelsrechtlichen Schätzung übereinstimmt, wäre nicht sachgerecht. Sind die Nutzungsdauern allerdings identisch (Schätzung für die Handelsbilanz und Annahme des EStG), ergeben sich aus der „normalen“ Abschreibung (steuerlich: AfA) keine Differenzen.

Da der Beginn der Abschreibung im Januar 2019 ist, berechnet sich diese mit 1.245.640 €/50 Jahre Gesamtnutzungsdauer = Abschreibung 2019 i. H. von 24.913 € (gerundet).

6221 Abschreibungen auf Gebäude 24.913 € an 0300 Wohnbauten 24.913 €

2. Steuerbilanz

Die Zugangsbewertung und deren Buchung unterscheiden sich nicht von der Handelsbilanz.

Die Folgebewertung erfolgt mit den Anschaffungskosten abzüglich der AfA (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG). Darüber hinaus sind (wahlweise) Sonderabschreibungen zu berücksichtigen. Die reguläre AfA richtet sich nach § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG und beträgt 2 %. Die AfA nach § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG – 3 % – ist nicht zulässig, da das Gesetz diese Regelung ausdrücklich nicht für Wohnbauten vorsieht. Somit weicht auch die Buchung der regulären AfA nicht von der Abschreibung in der Handelsbilanz ab.

Die mögliche Sonderabschreibung nach § 7b Abs. 1 Satz 1 EStG beträgt 5 % der Bemessungsgrundlage, allerdings begrenzt auf maximal 2.000 € je Quadratmeter Wohnfläche. Sie ermittelt sich bei tatsächlichen Herstellungskosten von 2.980 € je Quadratmeter (1.245.640 € Anschaffungskosten bei 418 Quadratmetern Wohnfläche) wie folgt: 418 Quadratmeter • 2.000 €/qm • 5 % = 41.800 €.

6240 Abschreibungen auf Sachanlagen aufgrund steuerlicher Sondervorschriften 41.800 € an 0300 Wohnbauten 41.800 €

Hinweis:

Die Möglichkeit, Sonderabschreibungen vorzunehmen, ist nicht gegeben, wenn die Herstellungskosten mehr als 3.000 € je Quadratmeter betragen (§ 7b Abs. 2 Nr. 2 EStG – sog. „Fallbeilregelung“). Ein möglicher Steuervorteil sollte deshalb erst nach Abschluss der Baumaßnahme als sicher angesehen werden.

Nach der Berufserfahrung des Autors ist die Grenze angesichts der derzeitigen Baupreise insbesondere in boomenden Ballungsräumen u. U. im Gesetz zu niedrig festgesetzt worden und geeignet, die steuerliche Förderung dann ins „Leere laufen“ zu lassen, wenn z. B. Kellerräume erstellt werden.

Den sich ggf. in den Folgejahren ergebenden nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten muss in Fällen, wo die Grenze von 3.000 € je Quadratmeter nur knapp unterschritten ist, höchste Aufmerksamkeit zuteilwerden.

3. Handelsbilanz (endgültig)

Die Bilanzansätze in Handels- und Steuerbilanz unterscheiden sich bei der Lösung des Ausgangssachverhalts in Höhe der vorgenommenen Sonderabschreibung:

Handelsbilanz Steuerbilanz
Anschaffungskosten 1.245.640 € 1.245.640 €
Abschreibung/AfA 24.913 € 24.913 €
Sonderabschreibung 0 € 41.800 €
Bilanzansatz 1.220.727 € 1.178.927 €
Unterschied + 41.800 €

Da es sich um eine temporäre Differenz handelt, die zu passiven latenten Steuern führt (siehe Abschnitt I.2) muss diese i. H. von 41.800 € • 30 % = 12.540 € (ausschließlich) in der Handelsbilanz gebucht werden:

7645 Aufwendungen aus der Zuführung und Auflösung von latenten Steuern 12.540 € an 3065 Passive latente Steuern 12.540 €

Die Erfassung bzw. Anpassung von bereits erfassten latenten Steuern aufgrund des Vergleichs der Bilanzpositionen muss so lange durchgeführt werden, wie Unterschiedsbeträge vorhanden sind. Da nach Ablauf des Förderzeitraums, also nach Ablauf von vier Jahren, steuerlich die AfA aus dem Restwert verteilt auf die Restnutzungsdauer zu ermitteln ist (vgl. § 7a Abs. 9 EStG), treten ein Gleichklang und damit der Wegfall der latenten Steuern erst mit der vollständigen Abschreibung auf Null ein.

Fazit

Die steuerliche Förderung des Mietwohnungsbaus ist sicherlich gut gemeint gewesen, aber mit einer u. U. zu niedrigen Grenze verabschiedet worden. Der Ermittlung der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten muss deshalb hohe Aufmerksamkeit gewidmet werden. Die steuerlichen Sonderabschreibungen, so sie denn in Anspruch genommen werden können, dürfen nur in der Steuerbilanz gebucht werden, was bei zur kaufmännischen Buchführung Verpflichteten die Behandlung der latenten Steuern nach sich zieht.

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Autor


Autorenfoto Wolfgang Eggert Wolfgang Eggert,
StB/WP, ist BBK-Herausgeber. Neben seiner Beratungstätigkeit für andere Steuerkanzleien ist er insbesondere in wesentlichem Umfang in der Schulung von Mitarbeitern, Kollegen und Steuerberateranwärtern tätig. Darüber hinaus erstellt er die Inhalte für steuerrechtliche elektronische Medien und verfasst Aufsätze sowie Bücher (www.wolfgang-eggert.de).

1§ 7b Abs. 2 EStG.

2§ 7b Abs. 1 EStG.

3Kanzler/Kraft/Bäuml/Marx/Hechtner, Einkommensteuergesetz Kommentar, 4. Aufl. 2019, § 7b Rz. 69.

4§ 7b Abs. 3 EStG.

5Kanzler/Kraft/Bäuml/Marx/Hechtner, Einkommensteuergesetz Kommentar, 4. Aufl. 2019, § 7b Rz. 38.

6Rätke, Die neue Sonderabschreibung für den Wohnungsneubau nach § 7b EStGBBK 18/2019 S. 878 NWB EAAAH-29944.

7Zu den weiteren Details der latenten Steuern siehe Utz/Frank, Latente Steuern (HGB), infoCenter NWB QAAAE-60615.

8§ 254 Satz 1 HGB enthielt vor der Geltung des BilMoG die Möglichkeit, steuerliche Sonderabschreibungen auch in der Handelsbilanz anzusetzen. Die Vorschrift enthält nunmehr Ausführungen zur Bildung von Bewertungseinheiten, womit die Zulässigkeit von steuerlichen Sonderabschreibungen in der Handelsbilanz entfallen ist.

9§ 267 Abs. 1 HGB.

10IDW RS HFA 7 n. F.: Handelsrechtliche Rechnungslegung bei Personenhandelsgesellschaften, IDW Life 2/2018 S. 258, Stand: , Rz. 26, unter Verweis auf die Regierungsbegründung zum BilMoG.

11Der Autor ist der Auffassung, dass die Position des IDW (vgl. Fn. 10) fachlich abzulehnen ist; vgl. Eggert, Stbg 2011 S. 318. Aufgrund der vorhandenen Regierungsbegründung zum BilMoG sollte jedoch tatsächlich der Auffassung des IDW, die derjenigen des BMJV entspricht, gefolgt werden.

12Sämtliche Buchungen erfolgen nach dem SKR 04.

13IDW RS IFA 2: Bewertung von Immobilien des Anlagevermögens in der Handelsbilanz, FN-IDW 7/2015 S. 381, Stand: , Rz. 23.

14IDW RS IFA 2: Bewertung von Immobilien des Anlagevermögens in der Handelsbilanz, FN-IDW 7/2015 S. 381, Stand: , Rz. 24.

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