Übertragung von § 6b-Rücklagen auf andere Betriebe

Die Regelungen des § 6b EStG zur Übertragung stiller Reserven bei der Veräußerung bestimmter Anlagegüter sind personenbezogen und nicht betriebsbezogen anzuwenden. Auch bei Personengesellschaften gilt eine gesellschafterbezogene Betrachtungsweise. Daher ist eine Übertragung von stillen Reserven nicht nur innerhalb eines Betriebs möglich. Veräußerungsgewinne können auch von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten begünstigter Wirtschaftsgüter abgezogen werden, die in einem anderen Betrieb des Steuerpflichtigen oder Gesellschafters angeschafft oder hergestellt werden. Nach einem Urteil des BFH vom 22.11.2018 darf eine Rücklage nach § 6b EStG vor der Anschaffung oder Herstellung eines Reinvestitionswirtschaftsguts jedoch nicht auf einen anderen Betrieb des Steuerpflichtigen übertragen werden.1 Damit hat der BFH die Verwaltungsauffassung bestätigt.2

Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie .

I. Bildung von § 6b-Rücklagen

1. Begünstigte Veräußerungsobjekte und Reinvestitionswirtschaftsgüter

Steuerpflichtige, die bestimmte Anlagegüter veräußern, können bei Vorliegen der in § 6b Abs. 4 EStG genannten Voraussetzungen die dabei realisierten stillen Reserven steuerneutral auf innerhalb eines bestimmten Zeitraums neu angeschaffte oder hergestellte Reinvestitionsgüter übertragen. Die im Veräußerungsobjekt gebildeten stillen Reserven bleiben somit in einem anderen Wirtschaftsgut steuerverhaftet.

Werden im Veräußerungsjahr oder in dem der Veräußerung vorangegangenen Wirtschaftsjahr keine Ersatzwirtschaftsgüter angeschafft oder hergestellt, kann im S. 820Wirtschaftsjahr der Veräußerung eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage gebildet werden (§ 6b Abs. 3 und 10 EStG).

Hinweis:

Die Möglichkeit der Bildung einer § 6b-Rücklage stellt ein steuerliches Bilanzierungswahlrecht dar, das allein in der Steuerbilanz auszuüben ist. Der Ansatz einer entsprechenden Rücklage in der Handelsbilanz ist nicht zulässig.


Zu den begünstigten Veräußerungsobjekten zählen die folgenden Wirtschaftsgüter (§ 6b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 10 EStG), sofern sie mindestens sechs Jahre zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte gehört haben:3

  • Grund und Boden,

  • Aufwuchs,

  • Gebäude,

  • Binnenschiffe,

  • Anteile an Kapitalgesellschaften.4

Auf folgende neue oder gebrauchte Reinvestitionsobjekte können die in den veräußerten Anlagegütern aufgedeckten stillen Reserven bei Vorliegen der übrigen gesetzlichen Voraussetzungen übertragen werden:

  • Grund und Boden, soweit der Gewinn bei der Veräußerung von Grund und Boden entstanden ist,

  • Aufwuchs, soweit der Gewinn bei der Veräußerung von Grund und Boden oder von Aufwuchs entstanden ist,

  • Gebäude, soweit der Gewinn bei der Veräußerung von Grund und Boden, Aufwuchs, Gebäuden oder von Anteilen an Kapitalgesellschaften entstanden ist,

  • Binnenschiffe, soweit der Gewinn bei der Veräußerung von Binnenschiffen entstanden ist,

  • Anteile an Kapitalgesellschaften, soweit der Gewinn bei der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften entstanden ist,

  • abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter, soweit der Gewinn bei der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften entstanden ist.

Hinweis:

Die Steuervergünstigungen nach § 6b EStG finden weitestgehend auch bei Steuerpflichtigen Anwendung, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG oder § 13a EStG ermitteln (§ 6c EStG).

2. Investitionsfristen

Die Frist zur Übertragung einer Rücklage nach § 6b EStG auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten begünstigter Wirtschaftsgüter beträgt grundsätzlich vier Wirtschaftsjahre (§ 6b Abs. 3 Satz 2 EStG). Die Frist beginnt mit Ablauf des Wirtschaftsjahres, in dem die Rücklage gebildet wurde.

Hinweis:

Die Reinvestitionsfrist verlängert sich für neu hergestellte Gebäude auf sechs Jahre, wenn mit der Herstellung des Gebäudes vor Ablauf der Vierjahresfrist begonnen worden ist (§ 6b Abs. 3 Satz 3 EStG).


Die Übertragung von Veräußerungsgewinnen bei Kapitalgesellschaftsanteilen muss bei einer Reinvestition in Anteile an Kapitalgesellschaften oder abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter innerhalb von zwei Wirtschaftsjahren und in Gebäude innerhalb von vier Wirtschaftsjahren erfolgen.5

Hinweis:

Bei der Fristberechnung zählen auch Rumpfwirtschaftsjahre als volle Jahre und verkürzen die Investitionsfrist entsprechend.

3. Gewinnzuschlag bei Nichtinvestition

Wird innerhalb der Investitionsfrist kein begünstigtes Ersatzwirtschaftsgut angeschafft, muss die § 6b-Rücklage gewinnerhöhend aufgelöst werden.

In diesem Fall ist im Jahr der Rücklagenauflösung außerbilanziell ein Gewinnzuschlag in Höhe von 6 % des Rücklagenbetrags für jedes Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage bestanden hat, hinzuzurechnen.

Hinweis:

Auch vor Ablauf der Investitionsfrist kann die Rücklage jederzeit freiwillig aufgelöst werden, um den Gewinnzuschlag zumindest teilweise zu vermeiden. Der 6%ige Gewinnzuschlag für das Wirtschaftsjahr der Rücklagenauflösung kann jedoch nicht dadurch vermieden werden, dass die Rücklage buchungstechnisch bereits vor Ablauf des Wirtschaftsjahres aufgelöst wird.6

II. Möglichkeiten zur Übertragung von § 6b-Rücklagen auf andere Betriebe

1. Veräußerungsgewinne in Einzelunternehmen

Nach § 6b EStG begünstigte Veräußerungsgewinne, die in einem als Einzelunternehmen geführten Betrieb entstanden sind, können auf Wirtschaftsgüter übertragen werden, die7

  • zu demselben Betrieb gehören,

  • zu einem anderen Betrieb des Steuerpflichtigen gehören,

  • zum Betriebsvermögen einer Personengesellschaft gehören, an der der Steuerpflichtige als Mitunternehmer beteiligt ist, soweit die Wirtschaftsgüter dem Steuerpflichtigen zuzurechnen sind.

Hinweis:

Gewinne aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern eines Gewerbebetriebs dürfen zwecks Sicherung des Gewerbesteueraufkommens nicht auf Wirtschaftsgüter übertragen werden, die zu einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehören oder der selbständigen Arbeit dienen (§ 6b Abs. 4 Satz 2 EStG).

2. Veräußerungsgewinne im Sonderbetriebsvermögen bei Personengesellschaften

Eine in einer Sonderbilanz gebildete § 6b-Rücklage kann der Steuerpflichtige auf Reinvestitionen übertragen, die8

  • er in demselben Sonderbetriebsvermögen tätigt,

  • er im Sonderbetriebsvermögen bei einer anderen Personengesellschaft tätigt,

  • er in einem Einzelunternehmen tätigt,

  • eine Personengesellschaft tätigt, soweit die Wirtschaftsgüter dem Steuerpflichtigen als Mitunternehmer zuzurechnen sind.

3. Veräußerungsgewinne im Gesamthandsvermögen bei Personengesellschaften

Der gesellschafterbezogenen Betrachtungsweise zufolge kann ein Gesellschafter einer Personengesellschaft eine im Gesamthandsvermögen gebildete § 6b-Rücklage, soweit der begünstigte Gewinn anteilig auf ihn entfällt, auf begünstigte Investitionsgüter übertragen, die9

  • zum Gesamthandsvermögen derselben oder einer anderen Personengesellschaft gehören, soweit diese Wirtschaftsgüter dem Gesellschafter zuzurechnen sind,

  • zu seinem Sonderbetriebsvermögen bei derselben oder einer anderen Personengesellschaft gehören,

  • zum Betriebsvermögen eines anderen Einzelunternehmens des Gesellschafters gehören.

III. BFH versagt vorzeitige Rücklagenübertragung

Der  entschieden, dass eine § 6b-Rücklage vor der Anschaffung oder Herstellung eines Reinvestitionswirtschaftsguts nicht auf einen anderen Betrieb des Steuerpflichtigen übertragen werden darf.10 Damit hat der BFH die Ansicht der Finanzverwaltung ausdrücklich bestätigt, wonach die Rücklage nach § 6b EStG so lange im veräußernden Betrieb fortzuführen ist, bis der Abzug von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Reinvestitionswirtschaftsguts des anderen Betriebs tatsächlich vorgenommen wird.11

Hinweis:

Demgegenüber hatte das FG Münster in erster Instanz entschieden, dass die Übertragung einer § 6b-Rücklage auf einen anderen Betrieb bereits vor Fertigstellung des Ersatzwirtschaftsguts und damit ohne gleichzeitigen Abzug von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Reinvestitionsguts möglich sei.12


Im entschiedenen Fall war dies insofern misslich, als dass die Eltern des Klägers eine in ihrem landwirtschaftlichen Betrieb für einen Gewinn aus Grundstücksverkäufen nach §§ 6b6c EStG gebildete Rücklage nicht auf die Herstellungskosten eines im Sonderbetriebsvermögen einer anderen Personengesellschaft neu errichteten Mehrfamilienhauses übertragen konnten. Sie hatten nämlich in einem Wirtschaftsjahr vor Fertigstellung des Mehrfamilienhauses den landwirtschaftlichen Betrieb unentgeltlich auf ihren Sohn übertragen.

Da eine vorzeitige Übertragung der § 6b-Rücklage auf unfertige Gebäude vor deren Fertigstellung ausscheidet, konnten die stillen Reserven nicht auf das später fertig gestellte Mehrfamilienhaus der Eltern übertragen werden: Denn auch eine spätere Übertragung der Rücklage in die Sonderbilanzen der Eltern bei der reinvestierenden Gesellschaft war nicht mehr möglich, da die Rücklage mit dem veräußernden Betrieb auf den Sohn übergegangen ist. Dort war sie mangels durchgeführter Reinvestition des Rechtsnachfolgers nach Ablauf der Reinvestitionsfrist mit Gewinnzuschlag aufzulösen.

IV. Ausgangssachverhalt

Der Gewerbetreibende V erzielt im Jahr 2018 (Wirtschaftsjahr = Kalenderjahr) einen Gewinn aus Grundstücksverkäufen in Höhe von 350.000 € und bildet zulässigerweise in Höhe des Veräußerungsgewinns eine Rücklage nach § 6b Abs. 3 Satz 1 EStG. V möchte S. 823sein Einzelunternehmen so schnell wie möglich unentgeltlich im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zu Buchwerten nach § 6 Abs. 3 EStG auf seinen Sohn S übertragen.

Bereits im Jahr 2017 hatte V zusammen mit seiner Ehefrau M eine gewerblich geprägte GmbH & Co. KG (KG) gegründet, deren Gesellschaftszweck die Errichtung und Vermietung von Mehrfamilienhäusern ist. An der KG sind V und M zu jeweils 50 % als Kommanditisten beteiligt.

Die Fertigstellung des ersten Mehrfamilienhauses (voraussichtliche Herstellungskosten 900.000 €) ist für Anfang Dezember 2019 geplant. V möchte seine § 6b-Rücklage aus dem Einzelunternehmen in voller Höhe auf seine anteiligen Herstellungskosten des Mehrfamilienhauses in der KG übertragen.

V. Bilanzielle Umsetzung der Rücklagenübertragung

1. Bildung und Auflösung der Rücklage im veräußernden Betrieb

V kann im Jahr 2018 in seinem Einzelunternehmen durch die Passivierung einer § 6b-Rücklage die Versteuerung des Gewinns aus den Grundstücksverkäufen vermeiden. Der Buchungssatz lautet:

 

Sonstiger betrieblicher Aufwand
350.000 €
an
Rücklage nach § 6b EStG
350.000 €

 

Hinweis:

Das steuerliche Bilanzierungswahlrecht für die Bildung der Rücklage ist immer durch entsprechenden Bilanzansatz im veräußernden Betrieb auszuüben, auch wenn die Rücklage auf Wirtschaftsgüter eines anderen Betriebs des Steuerpflichtigen übertragen werden soll.13


V kann die Rücklage erst in dem Zeitpunkt in die KG überführen, in dem das Mehrfamilienhaus fertig gestellt ist und ein Abzug von den Herstellungskosten vorgenommen werden kann. Bis dahin muss die Rücklage im Einzelunternehmen fortgeführt werden. Würde V sein Einzelunternehmen vor diesem Zeitpunkt unentgeltlich auf S übertragen, würde demnach mit dem Betrieb auch die § 6b-Rücklage auf S übergehen, und eine Übertragung der Rücklage auf die KG wäre nicht mehr möglich. V muss daher zunächst sein Einzelunternehmen noch weiterführen.

Hinweis:

Wird ein Betrieb im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zu Buchwerten nach § 6 Abs. 3 EStG übertragen, tritt der Betriebsübernehmer in die Rechte und Pflichten des Betriebsübergebers ein. Eine vom Betriebsübergeber gebildete § 6b-Rücklage ist deshalb vom Nachfolger zu übernehmen und entsprechend fortzuführen. Dies hat zur Folge, dass eine Übertragung der Rücklage auf Reinvestitionsobjekte oder eine gewinnerhöhende Auflösung der Rücklage ausschließlich beim Betriebsübernehmer zu erfassen sind.14


Wird das von der KG errichtete Mehrfamilienhaus wie geplant im Dezember 2019 fertig gestellt, kann V 2019 die in seinem Einzelunternehmen gebildete § 6b-Rücklage erfolgsneutral über das Kapitalkonto auflösen. Buchungssatz:

 

Rücklage nach § 6b EStG
350.000 €
an
Eigenkapital
350.000 €S. 824

 

Anschließend kann V sein Einzelunternehmen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich auf seinen Sohn S übertragen.

2. Minderung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten im investierenden Betrieb

Gleichzeitig mit der Ausbuchung der § 6b-Rücklage im Einzelunternehmen muss bei der KG 2019 ein Betrag in gleicher Höhe gewinnneutral von den Herstellungskosten des Gebäudes zu Lasten des Kapitalkontos in der Ergänzungsbilanz des V abgezogen werden. In der Ergänzungsbilanz des V bei der KG ist wie folgt zu buchen:

 

Eigenkapital
350.000 €
an
Gebäude
350.000 €

 

Hinweis:

Die Übertragung der § 6b-Rücklage und der Abzug von den Herstellungskosten des Gebäudes können nur in dem Wirtschaftsjahr vorgenommen werden, in dem das Gebäude hergestellt worden ist.15


Bilanztechnisch wird demnach entsprechend der zutreffenden Gesetzesauslegung nicht die § 6b-Rücklage auf den investierenden Betrieb übertragen, sondern der im Einzelunternehmen angefallene begünstigte Gewinn von den Herstellungskosten des neu errichteten Gebäudes, das einem anderen Betriebsvermögen zuzuordnen ist, abgezogen.

Fazit

Durch die personen- bzw. gesellschafterbezogene Betrachtungsweise bietet die Vorschrift des § 6b EStG in der Beratungspraxis vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten. Ist die Übertragung eines Betriebs mit einer vorhandenen § 6b-Rücklage im Wege der vorweggenommenen Erbfolge geplant, ist eine vorausschauende Planung unerlässlich. In die Überlegungen für den Zeitpunkt der Betriebsübertragung sollte einbezogen werden, ob eine Reinvestition durch den bisherigen Betriebsinhaber in einem anderen Betriebsvermögen oder durch den Rechtsnachfolger vorgenommen werden soll. Denn mit Urteil vom  hat der BFH die Auffassung der Finanzverwaltung bestätigt und entschieden, dass eine § 6b-Rücklage vor der Anschaffung oder Herstellung eines Reinvestitionswirtschaftsguts nicht auf einen anderen Betrieb des Steuerpflichtigen übertragen werden darf.16 Wird der Betrieb vor diesem Zeitpunkt unentgeltlich nach § 6 Abs. 3 EStG übertragen, ist eine vom Betriebsübergeber gebildete § 6b-Rücklage vom Rechtsnachfolger zu übernehmen und entsprechend fortzuführen.

 

Autor

Falco Hänsch,
Dipl.-Finanzwirt (FH), LL.M., ist seit 2003 Angehöriger der Finanzverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen und seit 2013 im Unternehmensteuerreferat der OFD Nordrhein-Westfalen tätig.

Fundstelle(n):
BBK 2019 Seite 819 - 824
NWB EAAAH-29140

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