Unternehmensbewertung und Nachhaltigkeit

Vor wenigen Jahren war nachhaltiges Wirtschaften mehr oder weniger freiwillig unter dem Aspekt der Chancen und Risiken für den Unternehmenswert. Mit den gesetzlichen und regulatorischen Vorgaben der EU wird nun die Berücksichtigung von Environmental/Social/Governance(ESG)-Elementen für die Unternehmen vorgeschrieben, mit erheblichen Auswirkungen auf den Unternehmenswert.

Den zeitlichen Rahmen für die Einführung von ESG zeigt folgende Darstellung:

 

Unternehmen

Kapitalmarktorientierte Unternehmen seit 2017

Große Unternehmen

ab 1.1.2025

Kleine Unternehmen

ab 1.1.2026

Beschäftigte

> 500

> 250

> 10

Umsatz in Mio. €

 

> 40

> 0,7

Bilanzsumme in Mio. €

 

> 20

> 0,35

 

Bei den großen und den kleinen Unternehmen sind mindestens zwei der drei Merkmale zu erfüllen. Im Folgenden werden die Auswirkungen der CSR-RL auf die Unternehmensbewertungsbestandteile Detailplanungsphase, ewige Rente und Kapitalisierungszinssatz aufgezeigt.

 

Detailplanungsphase

Anhand der detaillierten Analyse der einzelnen Unternehmenswerttreiber zeigt sich, dass zwei Größen maßgeblich durch ESG beeinflusst werden, die zukünftigen Erträge und der Diskontierungssatz. Durch die CSR-RL und die EU-Taxonomie-VO werden von den Unternehmen Angaben verlangt, die erhebliche Auswirkungen auf diese Größen haben. Für die neuen EU-Vorgaben sollen Wesentlichkeit, Vergleichbarkeit, Verfügbarkeit und Verlässlichkeit ebenso gelten wie für die Finanzberichterstattung.

Für die Detailplanungsphase sind die positiven und negativen Einflüsse auf den Unternehmenserfolg zu identifizieren. Dazu sollte eine systematische Prüfung der geplanten ESG-Maßnahmen auf ihre Wirkung hin erfolgen. Durch die Taxonomie-VO der EU wird verbindlich bestimmt, wann eine Wirtschaftstätigkeit nachhaltig ist. Durch zusätzlich erlassene Rechtsakte werden die Anforderungen an die Klassifikation einer Wirtschaftsaktivität als ökonomisch nachhaltig festgelegt. Seit April 2021 sind die technischen Prüfkriterien der EU-Taxonomie zur Klassifikation von Wirtschaftsaktivitäten bezüglich der ersten beiden Umweltziele, Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel, bekannt. Die Berichtspflicht verlangt die Angabe von Taxonomie-Quoten. Damit sind die jeweiligen Anteile der auf nachhaltige Aktivitäten entfallenen Umsatzerlöse, Investitionen (CapEx) und Betriebsausgaben (OpEx) anzugeben. Im nächsten Schritt sind die taxonomiekonformen Aktivitäten anhand der technischen Bewertungskriterien sowie auf der Grundlage des Artikel 8 EU-Taxonomie-VO zu prüfen. Art und Umfang der CapEx und der OpEx werden erhebliche Veränderungen erfahren.

Der Plan für die Investitionen muss darauf abzielen, die taxonomiekonformen Wirtschaftstätigkeiten des Unternehmens auszuweiten oder die Tätigkeiten so umzugestalten, dass sie innerhalb von fünf Jahren taxonomiekonform werden. Erfolgt eine Änderung der technischen Bewertungskriterien vor Abschluss des CapEx-Plans, muss der Plan innerhalb zweier Jahre entweder aktualisiert oder entsprechend angepasst werden. Mit der Aktualisierung beginnt der genannte Zeitraum von fünf Jahren erneut.

Durch die verpflichtende Beachtung der EU-Vorgaben bezüglich der Umweltziele sind die taxonomiekonformen Geschäftsaktivitäten für sich zu planen. Die nicht taxonomiekonformen Geschäftsaktivitäten werden gemäß dem vorliegenden Geschäftsmodell geplant. Eine pauschale Berücksichtigung der Werte nachhaltigen Wirtschaftens scheidet aus.

 

Terminal Value

Für den Terminal Value werden üblicherweise Durchschnittswerte aus der Detailplanung gebildet. Beginnt ein Unternehmen mit nachhaltigem Wirtschaften in der Detailplanungsphase, lässt sich bei dieser Vorgehensweise ein Trend erkennen, der in der ewigen Rente durch einen Abschlag auf den Kapitalisierungszinssatz verstärkt werden kann. Damit wird allerdings ein Wert für den Terminal Value gewählt, der eher auf konservativen Annahmen beruht, die bereits während des Detailplanungszeitraums galten. Die Berücksichtigung langfristiger Trends erfolgt damit nicht. Eine Durchschnittsbildung ist insofern weder erforderlich noch geboten, wenn das letzte Planjahr des Detailplanungszeitraums dem langfristigen Durchschnitt des Markttrends entspricht und realistisch geplant wurde. Es bildet dann den Ausgangswert für den Terminal Value ab.

 

Kapitalisierungszinssatz

Bei der Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes ergeben sich Besonderheiten bezüglich des Betafaktors. Wird zur Ermittlung auf eine Peergroup zurückgegriffen, ist die Abgrenzung dieser Gruppe nach dem vergleichbaren Stand der Umsetzung der Nachhaltigkeit vorzunehmen. Hier besteht bezüglich der Einstufung möglicher Übergangsaktivitäten nach der Taxonomie-VO Uneinigkeit. Das betrifft insbesondere den Energiesektor mit Kohle-, Gas- und Kernkraftwerken, die in den einzelnen Ländern der EU unterschiedlich eingestuft werden. Für die Unternehmensbewertung muss diese Entscheidung unbeeinflusst von politischen Vorgaben erfolgen. Schwieriger ist die Bewertung von möglichen Übergangstechnologien, die vom zeitlichen Verlauf der Divestment- oder Stranded-Asset-Szenarien beeinflusst werden. Divestment-Risiken treten bei der Behinderung von Investitionen auf, die kurzfristig als nicht konform eingestuft werden, aber Chancen bei der Transformation zu nachhaltigen Verbesserungen ermöglichen. Stranded-Asset-Risiken entstehen durch Investitionen in taxonomiekonforme Aktivitäten, die zwar emissionshemmend, aber nicht vollständig emissionsfrei sind und dadurch den Übergang zu einer CO2-neutralen Wirtschaft behindern können, wie z. B. der Ausbau von Erdgas-Netzen. Bei der Bewertung von Übergangsaktivitäten sollte deshalb ein Ermessensspielraum vorgegeben werden. Gehen diese Effekte über den üblichen Zeitraum der Detailplanung hinaus, wäre dieser zu verlängern oder eine dritte Phase einzufügen.

Durch die Anforderungen von ESG werden sich viele Anforderungen und Probleme für die Unternehmensbewertung ergeben. Entscheidend sind dabei die Planungen des Unternehmens, auf denen die Unternehmensbewertung aufbaut.

 

Prof. Dr. Volker H. Peemöller

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