Abgabenordnung: Frist verpasst – Und nun?

Krankheit, Urlaub, Arbeitsüberlastung, Vergessen sind nur einige Gründe für eine Fristversäumnis seitens des Steuerpflichtigen oder seines Beraters. Eine der gefragtesten Vorschriften im Verfahrensrecht ist daher – wen wundert es - § 110 AO „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“.

110 AO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung ist, dass den Steuerpflichtigen an dem Verstreichen der gesetzlichen Frist kein Verschulden getroffen hat.

„A-Z“ zum Verschulden des Steuerpflichtigen oder seines steuerlichen Beraters:

Ausführliche Darstellung siehe Zugmaier/Nöcker/Dißars, Abgabenordnung Kommentar, § 110 Rz. 21 und 38

  • Abwesenheit: Eine längere Abwesenheit des Steuerpflichtigen kann dazu führen, dass eine Fristversäumnis entschuldbar ist Dies gilt zumindest während einer urlaubsdingten Abwesenheit von bis zu sechs Wochen, da für eine solche Abwesenheitsdauer keine besonderen Vorkehrungen zu treffen sind.

  • Adressenfehler: Wird ein Einspruch bei einem falschen (unzuständigen) Finanzamt eingelegt, so dass die Frist versäumt wird, kommt eine Wiedereinsetzung regelmäßig nicht in Betracht. Fehler in der Adressierung gehen regelmäßig zu Lasten des Steuerpflichtigen bzw. seines Vertreters.

  • Arbeitsüberlastung: Arbeitsüberlastung wird i. d. R. kein Grund sein, der ein Verschulden ausschließt. Ausnahmen dürften nur dann gegeben sein, wenn sich die Arbeitsüberlastung aus nicht vorhersehbaren Umständen ergibt, etwa durch eine Naturkatastrophe bedingt ist. Diese Grundsätze gelten ebenso für Steuerberater.

  • Ausländer: Ein Ausländer kann sich nicht darauf berufen, dass eine Frist verstrichen ist, wenn er über diese belehrt worden ist und er sich nicht um eine Übersetzung in eine ihm verständliche Sprache bemüht hat. Auch der Hinweis auf die Rechtslage in seinem Heimatland, die zu einem Irrtum geführt hat, reicht i. d. R. nicht aus, um eine Wiedereinsetzung zu rechtfertigen.

  • Büroversehen: Hat der steuerliche Berater seine Mitarbeiter sorgfältig ausgewählt und diese im Rahmen einer angemessenen Büroorganisation belehrt und überwacht, kann ein Fall eines Büroversehens vorliegen. Bei einem solchen kommt für Routineaufgaben eine Wiedereinsetzung in Betracht. Solche Routineaufgaben kann etwa das Faxen eines fristwahrenden Schriftsatzes sein. Für Fehler im Bereich der Bearbeitungen im fachlichen Bereich kommt hingegen ein Büroversehen nicht in Betracht. Auch scheidet eine Wiedersetzung in jedem Fall dann aus, wenn der steuerliche Vertreter selber den Fehler begangen hat.

  • EDV-Probleme: Der Nachweis von EDV-Problemen, die zum Versäumen einer Frist geführt haben, kann im Einzelfall eine Wiedereinsetzung rechtfertigen. Allerdings wird der Nachweis regelmäßig nur schwer zu führen sein.

  • Fristenkontrolle: Der steuerliche Berater hat alle organisatorischen Vorkehrungen zu treffen, die nach vernünftigem Ermessen geeignet sind, dass Fristen nicht versäumt werden. Zudem hat er die Bürokräfte in der Einhaltung der Fristüberwachung regelmäßig zu überwachen und zu belehren. Zentrale Bedeutung hat in diesem Zusammenhang die Einrichtung eines Fristenkontrollbuchs (elektronischen Fristenkontrolle) und eines Postausgangsbuchs.

  • Irrtum (Steuerpflichtiger): Ein Rechtsirrtum führt bei einem steuerlich nicht beratenen Steuerpflichtigen nur in Ausnahmefällen zur Möglichkeit der Wiedereinsetzung. Dies soll nur dann in Betracht kommen, wenn sich der Irrtum auf die Frist selber oder die Form, die es zu wahren gilt, bezieht Ein Irrtum über die materielle Rechtslage schließt demgegenüber eine Wiedereinsetzung in aller Regel aus. Irrtümer aufgrund von Unklarheiten auf einem Antragsvordruck sollen grundsätzlich zu Lasten des Steuerpflichtigen gehen.

  • Irrtum (steuerlicher Berater): Irrtümer eines steuerlichen Beraters sind in aller Regel als verschuldet anzusehen, so dass eine Wiedereinsetzung nicht in Betracht kommt. Dies soll nur dann nicht gelten, wenn die Rechtslage in hohem Maß unsicher ist.

  • Postlaufzeiten: Eine der wohl für die Praxis wichtigsten Fallgruppen, in denen eine Wiedereinsetzung erfolgen kann, ist die Dauer der Postlaufzeiten. Nach der Rechtsprechung darf ein Bürger in einem Verwaltungsverfahren auf die normalen Postlaufzeiten vertrauen. Als normale Postlaufzeit wird es dabei von der Rechtsprechung angesehen, dass eine an einem Werktag aufgegebene Postsendung am nächsten Werktag dem Empfänger zugestellt wird. Angesichts der tatsächlichen Postlaufzeiten, die in der Zwischenzeit erreicht werden, erscheint diese Rechtsprechung zwar löblich, aber realitätsfern.

  • Verlust auf dem Postweg: Der Verlust von Schreiben auf dem Postwege ermöglicht im Einzelfall eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Allerdings ist zu beachten, dass der Beteiligte nachweisen muss, dass das Schriftstück überhaupt zur Post gegangen ist.

  • Nachbriefkasten von Behörden: Behörden und Gerichte müssen einen fristwahrenden Briefkasten einrichten, um einen Zugang bis zum Fristende zu ermöglichen. Fehlt ein solcher, ist hinsichtlich der am nächsten Tag nach dem Fristablauf eingegangenen Schreiben Wiedereinsetzung zu gewähren.

  • Krankheit: Eine Krankheit des Steuerpflichtigen kann eine Wiedereinsetzung dann rechtfertigen, wenn sie plötzlich kommt und so schwer ist, dass keine Fristwahrung möglich ist und auch kein Vertreter für die Zeit der Krankheit bestellt werden kann. Auch bei einer Erkrankung eines Bevollmächtigten wird man nur dann zu der Möglichkeit einer Wiedereinsetzung kommen können, wenn diese plötzlich, unvorhersehbar und schwer ist. Bei einer Sozietät wird man im Regelfall davon auszugehen haben, dass ein anderer Partner die Arbeiten für den erkrankten Berater übernimmt. Aber auch bei einem allein praktizierenden Rechtsanwalt und Steuerberater geht die Rechtsprechung davon aus, dass dieser eine allgemeine Vorsorge für eine unvorhergesehene Krankheit zu treffen hat.

  • Faxprobleme: Technische Probleme mit dem Faxgerät gehen regelmäßig zu Lasten des Steuerpflichtigen. Eine Ausnahme hat der BFH nur für den Fall anerkannt, dass der Steuerpflichtige alles Zumutbare unternommen hat, um das vollständige Gelingen der Sendung zu prüfen. Hingehen führen technische Probleme beim Empfängergerät regelmäßig nicht zu einem Verschulden des Steuerpflichtigen.

  • Übermittlung fristwahrender Schriftsätze: Die Übermittlung fristwahrender Schriftsätze muss der steuerliche Vertreter nicht selber vornehmen, sondern darf diese an geeignete Bürokräfte überlassen. Diese muss er jedoch sorgfältig ausgewählt haben und instruiert haben. Für die Kontrolle des Ausgangs fordert die Rechtsprechung die Kontrolle der Nummer des Empfängers sowie des Sendeprotokolls.

  • Umzug: Einen Umzug hat der Steuerpflichtige dem Finanzamt anzuzeigen oder einen Nachsendeantrag zu stellen, damit bei einer Fristversäumnis aufgrund einer Adressenänderung eine Wiedereinsetzung erfolgen kann.

  • Vergessen: Vergessen einer Frist rechtfertigt regelmäßig keine Wiedereinsetzung, es sei denn, es liegt eine altersbedingte Vergesslichkeit vor, die als Krankheit anzusehen ist.

Eine ausführliche Kommentierung des § 110 AO nebst Formulierungshilfe für einen Wiedereinsetzungsantrag finden Sie in Zugmaier/Nöcker, Abgabenordnung Kommentar Online.

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