Grundsteuerreform – aktueller Stand der neuen Bewertungsregelungen

Die Grundsteuer ist mit einem bundesweiten Aufkommen von mehr als 14 Mrd. Euro pro Jahr ein wichtiger Baustein der kommunalen Finanzausstattung. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10.4.2018 (1 BvL 11/14, BGBl 2018 I S. 531) stand der Gesetzgeber unter Druck.

Das Bundesverfassungsgericht hatte die Verfassungswidrigkeit der Einheitsbewertung ab dem 1.1.2002 wegen eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG festgestellt. Im Rahmen einer zweistufigen Übergangsfrist war der Gesetzgeber gefordert, bis zum 31.12.2019 eine Neuregelung der Bewertungsvorschriften zu verabschieden. Der Gesetzgeber hat mit der Verabschiedung des Grundsteuer-Reformgesetzes (GrStRefG) vom 26.11.2019 fristgerecht neue Bewertungsregelungen geschaffen. Nach Verkündung der Neuregelung dürfen die beanstandeten Regelungen der Einheitsbewertung für weitere fünf Jahre ab der Verkündung, längstens aber bis zum 31.12.2024, angewandt werden.

Das ist neu

Die neuen Bewertungsregelungen im siebten Abschnitt des BewG umfassen neben dem Bereich des Grundvermögens auch neue Bewertungsvorschriften für das land- und forstwirtschaftliche Vermögen. Der Gesetzgeber hat sich entschieden, eine Hauptfeststellung für die neuen Grundsteuerwerte bereits auf den 1.1.2022 durchzuführen. Von der Hauptfeststellung betroffen sind bundesweit insgesamt ca. 36 Mio. wirtschaftliche Einheiten des Grundvermögens und des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens. Losgelöst von der bundesgesetzlichen Neuregelung besteht für die Länder aufgrund der ebenfalls neu eingeführten Länderöffnungsklausel im Grundgesetz die Möglichkeit, im Bereich der Grundsteuer abweichendes Landesrecht aufgrund eigener Gesetzgebungskompetenz zur Anwendung kommen zu lassen. Die Öffnungsklausel umfasst nicht nur die Möglichkeit der Schaffung individueller Regelungen zur Bemessungsgrundlage, sondern auch zur Schaffung abweichender Regelungen im Grundsteuergesetz, z.B. im Bereich der Steuermesszahlen oder der Steuerbefreiungen.

Öffnungsklausel – das planen die einzelnen Bundesländer

Als erstes Bundesland hat Baden-Württemberg am 4.11.2020 sein GrStG-BW in Form einer Bodenwertsteuer verabschiedet. Das im GrStG-BW (amtliche Bezeichnung „LGrStG“) gewählte Modell sieht vor, bei Grundstücken des Grundvermögens nur noch den Wert des Grund und Bodens zu besteuern. Zu diesem Zweck werden Grundstücke anhand ihrer Fläche und dem jeweiligen Bodenrichtwert auf den Hauptfeststellungszeitpunkt bewertet. Für Grundstücke des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens finden hingegen die Regelungen des Bundesrechts Anwendung.

Auch für das Bundesland Bayern soll ein abweichendes Bewertungssystem Anwendung finden. Dabei soll nach dem am 6.12.2020 veröffentlichten Regierungsentwurf eines GrStG-BY (amtliche Bezeichnung „BayGrStG“) nicht das Leistungsfähigkeitsprinzip, sondern das Äquivalenzprinzip zur Anwendung kommen, um den Infrastrukturaufwand der Gemeinde Rechnung zu tragen. Folglich kommt es nicht mehr auf den Wert einer Immobilie, sondern lediglich auf die Grundstücks- und Gebäudeflächen an. Die Äquivalenzzahl für Gebäudeflächen beträgt stets 0,50 € je Quadratmeter. Für die Fläche des Grund und Bodens wird im Regelfall eine Äquivalenzzahl von 0,04 € je Quadratmeter angesetzt. Die Grundsteuermesszahl beträgt im Grundsatz 100 %. Für den Äquivalenzbetrag der Wohnflächen wird die Grundsteuermesszahl jedoch auf 70 % ermäßigt. Darüber hinaus sind weitere Ermäßigungen für Denkmalobjekte und i.S.d. § 15 Abs. 2-4 GrStG (geförderter Wohnraum) vorgesehen.

Die Bundesländer Hessen, Niedersachsen und Hamburg wollen das bayrische Modell zusätzlich um einen bodenrichtwertabhängigen Lagefaktor ergänzen, der Grundstücke in besserer Lage höher besteuert als Grundstücke in schlechter Lage. Sachsen hingegen will das Bundesmodell mit der Abweichung übernehmen, dass für Wohngrundstücke und Nichtwohngrundstücke von § 25 GrStG abweichende Messzahlen gelten sollen (vgl. Entwurf des „Sächsischen Gesetzes zur Umsetzung der Grundsteuerreform“ - Drucks. 7/4095). Statt der für alle Nutzungsarten einheitlichen Steuermesszahl von 0,34 Promille beim Bundesmodell sollen im Freistaat 0,36 Promille für Wohngrundstücke und 0,72 Promille für Nichtwohngrundstücke genutzt werden. Dadurch soll die Grundsteuerlast zu den Nichtwohngrundstücken hin verschoben werden.

Auch wenn wegen der Notwendigkeit der technischen Umsetzung die Zeit drängt, haben sich noch nicht alle Bundesländer eindeutig zu einem Modell bekannt. So liegt z.B. für NRW noch keine Absichtsbekundung der Landesregierung dahingehend vor, ob die Grundstücke nach dem Bundesmodell oder einem eigenen Bewertungsmodell bewertet werden sollen. Demgegenüber hatte sich Schleswig-Holstein zwar frühzeitig für das Bundesmodell ausgesprochen, in der Folge aber den gefassten Beschluss einer erneuten Diskussion unterworfen. Für den Rechtsanwender wäre es wünschenswert, wenn möglichst zeitnah eine belastbare Entscheidung aller 16 Bundesländer vorliegen würde. Ungeachtet dessen wird der befürchtete Flickenteppich in Bezug auf unterschiedliche Länderregelungen wohl in jedem Falle Realität werden. Auf die steuerlichen Berater kommt die undankbare Aufgabe zu, den Überblick über die einzelnen Länderregelungen und die Besonderheiten der jeweiligen Modelle zu behalten und gleichzeitig im Einzelfall eine am jeweiligen Landesrecht ausgerichtete Beratung leisten zu können.

Mathias Grootens, Dipl.-Finanzwirt (FH), Dozent für Erbschaftsteuer und Bewertung sowie Bilanzsteuerrecht an der Hochschule für Finanzen in Nordkirchen und Herausgeber des NWB Grundsteuergesetz Kommentars


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