Keine Kündigung eines Nießbrauchs!

Zahlreiche Eltern behalten sich bei der Übertragung von Vermögenswerten auf ihre Abkömmlinge im Rahmen einer (steueroptimierten) vorweggenommenen Erbfolge einen lebenslänglichen Nießbrauch vor (§ 1061 Satz 1 BGB).

Während die Vermögenssubstanz mit schenkungsteuerlicher Wirkung übergeht, sichert sich der Übertragende dadurch bis zu seinem Ableben die aus dem Vermögensgegenstand resultierenden Früchte und Nutzungen (§§ 99 ff. BGB).

Erlöschen, Abkürzen oder Beendigung des Nießbrauchs

Mit der Bestellung des Nießbrauchs als dingliches Recht entsteht zwischen dem Eigentümer und dem Nießbraucher gleichzeitig ein besonderes gesetzliches Schuldverhältnis. Da der Nießbrauch weder vererblich ist noch rechtsgeschäftlich übertragen werden kann, erlischt er spätestens mit dem Tod des Berechtigten. Das gilt selbst dann, wenn die vertraglich vorgesehene Laufzeit noch nicht abgelaufen oder eine vereinbarte auflösende Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB) noch nicht eingetreten ist. Möchten die Beteiligten die Laufzeit nachträglich abkürzen oder den Nießbrauch sogar vorzeitig vollständig beenden, sind von dem dazu mandatierten Berater nicht nur die mit einem ggf. entschädigungslosen Verzicht verbundenen schenkungsteuerlichen Folgen (§ 7 Abs.1 Satz 1 ErbStG) zu bedenken.

Praxishinweis Darüber hinaus ist vor allem eine passgenaue zivilrechtliche Gestaltung zu konzipieren, die insbesondere dem aufgrund der Beendigung des Nießbrauchverhältnisses entstehenden Rückabwicklungsverhältnis angemessen Rechnung trägt.

Nießbrauch ist kein Dauerschuldverhältnis

Wie der BGH mit Urteil v. 21.1.2022 - V ZR 233/20 klargestellt hat, können weder der Nießbrauch als dingliches Recht noch das mit seiner Bestellung entstehende gesetzliche Schuldverhältnis als Dauerschuldverhältnis i. S. von § 314 Abs. 1 BGB eingeordnet werden. Selbst bei einer Verletzung der gegenseitigen Rechte und Pflichten ist daher eine Kündigung des Nießbrauchs grundsätzlich nicht möglich, sondern es ist nach anderen Wegen zur Beendigung des Nießbrauchs zu suchen.

Fortbestand zur Rangwahrung?

Hierbei kann es im Interesse der Beteiligten liegen, den Nießbrauch zur Rangwahrung als solchen bestehen zu lassen, aber seine Ausübung gemäß § 1059 Satz 2 BGB dem Eigentümer des mit dem Nießbrauch belasteten Vermögensgegenstandes zu überlassen (vgl. BGH, Urteil v. 18.12.1970 - V ZR 31/68), was dann quasi wie ein (zulässiger) Eigentümernießbrauch wirkt (dazu BGH, Beschluss v. 14.7.2011 - V ZB 271/10).

Soll hingegen das dingliche Nießbrauchrecht nicht fortbestehen, kann es an einer beweglichen Sache oder an einem Recht, z. B. an dem Anteil an einer Personengesellschaft oder an einer GmbH, rechtsgeschäftlich durch Vertrag formfrei aufgehoben werden. Ferner kann der Nießbrauchberechtigte durch einseitige, empfangsbedürftige Erklärung gegenüber dem Eigentümer bzw. dem Nießbrauchbesteller den Nießbrauch aufgeben (§§ 1064, 1068 BGB und § 1072 BGB). Zur Aufhebung des Nießbrauchs an einem Grundstück ist hingegen die Löschung des Rechts im Grundbuch erforderlich (§§ 875 f. BGB). Eine Vereinbarung über die Aufhebung des Nießbrauchs kann rückwirkend nur mit schuldrechtlicher und nicht mit dinglicher Wirkung erfolgen.

Schuldverhältnis erlischt nicht automatisch mit Beendigung

Das mit der Nießbrauchbestellung zwischen dem Eigentümer und dem Nießbraucher automatisch entstehende besondere gesetzliche Schuldverhältnis erlischt nicht automatisch mit der Beendigung des Nießbrauchs. Vielmehr wandelt es sich in ein gesetzliches Rückabwicklungsschuldverhältnis um. Ist die Beendigung des Nießbrauchs aufgrund des Todes des Nießbrauchers eingetreten (§ 1061 Satz 1 BGB), gehen die Rechte und Pflichten des Nießbrauchers aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis auf dessen Erben über (§§ 1922, 1061 BGB). Als Bestandteil des gesetzlichen Rückabwicklungsschuldverhältnisses normiert § 1055 BGB eine Rückgabepflicht des Nießbrauchers gegenüber dem Eigentümer. Der Nießbraucher bzw. sein Erbe, auf den der Besitz an dem Nießbrauchgegenstand gem. § 857 BGB übergeht, oder ggf. der Ausübungsberechtigte (§ 1059 Satz 2 BGB) sind nach Beendigung des Nießbrauchs verpflichtet, die Nießbrauchsache dem Eigentümer – entsprechend § 985 BGB – in dem Zustand zurückzugeben, der einer ordnungsmäßigen Bewirtschaftung unter Aufrechterhaltung der bisherigen wirtschaftlichen Bestimmung entspricht (§ 1055 Abs. 1 BGB).

Praxishinweis Die Nießbrauchsache ist dem Eigentümer und nicht etwa dem Nießbrauchbesteller zurückzugeben.

Sofern aufseiten des Eigentümers eine Rechtsnachfolge stattgefunden hat, z. B. durch Rechtsgeschäft (z. B. § 929 BGB) oder gesetzlich von Todes wegen (§ 1922 BGB), gelten zugunsten des (kenntnislosen) Nießbrauchers die Schutzvorschriften in §§ 407, 413 BGB bzw. in § 1058 BGB. Danach gilt im Verhältnis zwischen dem Nießbraucher und dem Eigentümer zugunsten des Nießbrauchers der Besteller des Nießbrauchs als Eigentümer, es sei denn, der Nießbraucher weiß, dass der Besteller nicht (mehr) der Eigentümer ist. Bei einem Nießbrauch an einem Grundstück hat der Nießbraucher überdies die Löschung im Grundbuch zu bewilligen. Daneben besteht ein Anspruch auf Grundbuchberichtigung aus § 894 BGB.

Erhaltung der Sache

Der Nießbraucher ist seinerseits berechtigt, eine Einrichtung wegzunehmen, mit der er die Sache während der Laufzeit des Nießbrauchs versehen hatte (§ 1049 Abs. 2 BGB). Er muss die Sache andererseits in dem Zustand zurückgewähren, in der sie sich bei einer während des Nießbrauchs bis zur Rückgabe fortgesetzten ordnungsgemäßen Bewirtschaftung befinden müsste (§§ 1036 Abs. 2, 1041, 1050 BGB). Insoweit geht der Anspruch aus § 1055 BGB über den Herausgabeanspruch aus § 985 BGB hinaus. Verletzt der Nießbraucher vorsätzlich oder fahrlässig die Pflicht zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung, schuldet er Schadensersatz gemäß § 280 BGB. Soweit dem Eigentümer wegen einer Veränderung oder Verschlechterung der nießbrauchbelasteten Sache Ansprüche zustehen, verjähren die Ersatzansprüche in sechs Monaten, um eine rasche Abwicklung zu erreichen.

Erlassvertrag erforderlich

Soll das schuldrechtliche Nießbrauchverhältnis beendet werden, ist dazu ansonsten der Abschluss eines (zweiseitigen Erlass-)Vertrags (§ 397 Abs. 1 BGB) erforderlich. Denn auf schuldrechtliche Rechtspositionen kann nicht einseitig verzichtet werden. Eine Rückgabe der mit dem Nießbrauch belasteten Sache oder eine Besitzaufgabe ist jedoch nicht notwendig.

Dr. Christoph Hülsmann, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht


Der Nießbrauch hat im Rahmen von Vermögensübertragungen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erhebliche praktische Bedeutung. Die Vertragsgestaltung ist aufgrund der nur lückenhaften gesetzlichen Regelung der zivilrechtlichen Grundlagen kompliziert.

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Der Nießbrauch in Zivil- und Steuerrecht

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Begründet von Dr. Rudolf Jansen, Richter am BFH a. D. (✝) und Martin Jansen, Rechtsanwalt. Fortgeführt von Dr. Hellmut Götz, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater, Diplom-Finanzwirt (FH) und Dr. Christoph Hülsmann, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht.

13. Auflage. 2023. LIII, 508 Seiten. Broschur.
ISBN: 978-3-482-66793-0

Preis: 76,00 €

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