Neue niederländische Verwaltungsgrundsätze zur Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten

Am 1.7.2022 wurden im niederländischen Staatscourant die neuen Verwaltungsgrundsätze zur Betriebsstättengewinnabgrenzung veröffentlicht (Niederländische Grundsätze zur Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten v. 14.6.2022). Sie bekennen sich zum Authorized OECD Approach (AOA) und erläutern u. a. das methodische Vorgehen zur Erlangung eines fremdüblichen Ergebnisses für Betriebsstätten. Im Vergleich zu Deutschland lassen sich Unterschiede erkennen, deren tatsächliches Konfliktpotenzial sich allerdings noch zeigen muss.

I. Der Authorized OECD Approach (AOA)

Bekanntlich verlangt der AOA etwas Vorstellungskraft: Man hat sich die Betriebsstätte für Zwecke der Gewinnabgrenzung als funktional eigenständiges und unabhängiges Unternehmen vorzustellen (functionally separate entity approach), das jedoch die gleiche Kreditwürdigkeit wie das übrige Unternehmen genießt. Die Gewinnabgrenzung nach dem AOA kennt zwei Schritte: Zuerst wird die Betriebsstätte hypothetisch als eigenständiges Unternehmen modelliert. Ausgehend von einer Funktionsanalyse werden maßgebliche Personalfunktionen, Vermögenswerte, Chancen und Risiken, ein Teil des Eigenkapitals des Unternehmens sowie übrige Passiva zugeordnet.

In einem zweiten Schritt sind dann anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen (dealings), d. h. Geschäftsvorfälle zwischen Betriebsstätte und dem übrigen Unternehmen, zu ermitteln und fremdüblich zu bepreisen. Hierzu sollen die OECD-Verrechnungspreisleitlinien per Analogie herangezogen werden.

II. Zuordnung von Kapital und Finanzierungsaufwendungen

Das hypothetisch eigenständige Unternehmen benötigt Kapital, um seinem Funktions- und Risikoprofil gerecht zu werden. Während das OECD-Papier aus dem Jahr 2008 mehrere Methoden zulässt, wählen die Niederlande – wie auch Deutschland – die Kapitalaufteilungsmethode. Im Gegensatz zur BsGaV verwenden die Niederlande diese Methode einheitlich im In- und Outbound-Fall.

Hinsichtlich der Zuordnung von Zinsen sehen die Niederlande nicht, wie Deutschland, den direkten Tracing Approach vor, sondern folgen dem Fungibilitätsansatz. Dieser ordnet der Betriebsstätte einen Teil der kompletten Zinslast des Unternehmens zu. Der Anteil orientiert sich am Verhältnis des zugeordneten Fremdkapitals. Eine spezielle Dokumentationspflicht im Format einer Hilfs- und Nebenrechnung sehen die Niederlande dazu nicht vor.

III. Rechtsanwenderfreundlichkeit

Grundsätzlich soll der AOA in DBA und in Nicht-DBA-Fällen und auf DBA jeden Alters angewandt werden. Bei Auslegungsunterschieden steht der Weg zum Verständigungsverfahren offen. Ferner ist die niederländische Finanzverwaltung bereit, eine nicht AOA-konforme Gewinnabgrenzung zu akzeptieren, wenn die andere Methode aufgrund einer rechtlichen Bestimmung im anderen Staat angewendet werden musste, sie einer von der OECD autorisierten Methode entspricht und soweit das Ergebnis dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht. Letzteres scheint entscheidend, denn die Vorgaben zur Anwendung an die niederländische Finanzverwaltung scheinen nicht in Stein gemeißelt.

Der Finanzverwaltung in den Niederlanden wird ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt, von den Verwaltungsgrundsätzen abzuweichen, um im Ergebnis ein fremdübliches Ergebnis zu erzielen, solange es nicht zu einer doppelten Nichtbesteuerung führt.

IV. Weitere konkrete Hinweise

Neben vielen Hinweisen zur allgemeinen Anwendung des AOA erläutern die Verwaltungsgrundsätze u. a. auch die niederländische Haltung hinsichtlich Konzerndienstleistungen, der Möglichkeit zur Lizenzierung bei immateriellen Wirtschaftsgütern, der Nullsummentheorie bei ständigen Vertretern, Finanztransaktionen und sie weisen auf die Option zum Erhalt einer verbindlichen Auskunft für mehr Rechtssicherheit hin. Die Verwaltungsgrundsätze glänzen nicht durch regulatorischen Perfektionismus, sondern bestechen durch Verständlichkeit.

Fundstelle(n):
IWB 15 / 2022
NWB SAAAJ-18955


Die niederländischen Verwaltungsgrundsätze beziehen sich auf die Abgrenzung der Aufwendungen und Gewinne zwischen Betriebsstätte und übrigem Unternehmen und nicht auf die Abziehbarkeit bzw. Besteuerung dieser Aufwendungen bzw. Gewinne selbst. Darin werden auch keine Fragen zum Vorliegen einer Betriebsstätte gemäß dem OECD-Musterabkommen adressiert. Zu Betriebsstättenthemen im Verhältnis Deutschlands und der Niederlande gibt es ein Themen Special von NWB Steuern International. Dieses finden Sie hier.

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