Technische Verfahrensdokumentation als wirksamer Teil des Tax-CMS

Vermeidung einer Hinzuschätzung wegen formeller Mangelhaftigkeit

In der betrieblichen Praxis beginnt eine steuerliche Betriebsprüfung regelmäßig mit der Überlassung der digitalen Buchhaltungsdaten (sog. GDPdU-Überlassung [1]). Sofern eine IDEA-spezifische Verarbeitung der Buchhaltung technische Schwierigkeiten bereitet – was regelmäßig bei atypischen Buchhaltungssystemen ohne herkömmliche IDEA-Schnittstelle der Fall ist –, kommt einer technischen IDEA-Verknüpfung mittels SmartX-Einlese praktische Bedeutung zu. Um weitere technische Besonderheiten des verfügbaren ERP-Systems seitens der Finanzverwaltung zu erkennen, fordert die Finanzverwaltung zudem regelmäßig eine technische Verfahrensdokumentation an. Der vorliegende Beitrag zeigt auf, welche praktischen Besonderheiten sich bzgl. dieses Prüfungsschritts als Teil eines wirksamen Tax-CMS ergeben und welche Möglichkeiten bei Nichtexistenz einer Verfahrensdokumentation zur Umgehung einer regressrelevanten Schätzung durch formelle Mangelhaftigkeit bestehen.

Krüger, Kassenführung (HGB), infoCenter, NWB DAAAG-28623

Kernaussagen
  • Für jedes DV-System muss eine übersichtlich gegliederte Verfahrensdokumentation vorhanden sein, aus der Inhalt, Aufbau, Ablauf und Ergebnisse des DV-Verfahrens vollständig und schlüssig ersichtlich sind.

  • Die Verfahrensdokumentation muss hierbei als Teil eines wirksamen Tax-CMS insbesondere eine allgemeine Beschreibung, eine Anwenderdokumentation, eine technische Systemdokumentation sowie eine Betriebsdokumentation enthalten.

  • Das Fehlen der Verfahrensdokumentation wird nicht beanstandet, wenn Nachprüfbarkeit und Nachvollziehbarkeit der Buchführung nicht beeinträchtigt werden. Im Einzelfall kann bei Unvollständigkeit oder Fehlen einer Verfahrensdokumentation daher auch ein alternativer Dokumentationsansatz den Anlass einer Hinzuschätzung durch Verstoß gegen die formelle Ordnungsmäßigkeit entkräften.

I. Verfahrensdokumentation als „sonstige Organisationsunterlage“ der Buchführung

Bücher und Aufzeichnungen, Inventare, Jahresabschlüsse, Lageberichte, die Eröffnungsbilanz sowie die zu ihrem Verständnis erforderlichen Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen sind geordnet aufzubewahren (vgl. § 147 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO). Der Begriff der Aufzeichnungen erfasst hierbei sämtliche Aufzeichnungen, die für steuerliche Zwecke vorzunehmen sind. Sind diese Aufzeichnungen mittels eines Datenverarbeitungssystems (DV) erstellt, so unterfallen sie im Rahmen der steuerlichen Außenprüfung auch dem Datenzugriff nach § 147 Abs. 6 AO. Den in § 147 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO aufgeführten Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen kommt bei DV-gestützten Buchführungen besondere Bedeutung zu. Die Dokumentation hat insoweit nach Maßgabe der Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (sog. GoBD) zu erfolgen. [2] Eine technische Verfahrensdokumentation stellt hierbei grds. eine „sonstige Organisationsunterlage“ i. S. des § 147 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO dar.

Aufbewahrungspflichtig sind ferner Unterlagen, die für die Überprüfung der Buchführung durch einen sachverständigen Dritten erforderlich sind. Hierzu gehören Arbeitsanweisungen sowie Organisationsunterlagen, insbesondere die Verfahrensdokumentation zur EDV-Buchführung, sofern ohne eine solche Verfahrensdokumentation die Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit der Buchführung nicht gegeben ist. Denn nur dann besteht eine Pflicht zur Aufzeichnung der S. 738Dokumentation nach §§ 145146 AO und damit nach dem Grundsatz der Akzessorietät auch eine Aufbewahrungspflicht. Weder die Erstellung noch die Aufbewahrung einer Verfahrensdokumentation ist aber erforderlich, wenn die Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit der Buchführung auch ohne Dokumentation zu bejahen ist.

Hinweis

Zu befürchten ist jedoch, dass die Finanzverwaltung diese Regelung nur ausnahmsweise anwenden wird und daher i. d. R. die Unvollständigkeit oder das Fehlen einer Verfahrensdokumentation zum Anlass einer Hinzuschätzung nehmen wird.

Nicht erforderlich ist hingegen die Aufbewahrung einer Dokumentation, aus der sich die Absicherung gegen einen Datenverlust oder gegen eine Verfälschung ergibt, denn weder § 145 AO noch § 146 AO verlangen eine derartige Absicherung und Aufzeichnung. [3] Die Finanzverwaltung kann daher allein aus dem Fehlen einer derartigen Dokumentation grds. keine formelle Fehlerhaftigkeit der Buchführung ableiten und darf deshalb letztlich keine Hinzuschätzung vornehmen. [4] Auch die EDV-Buchführung muss von einem sachverständigen Prüfer in angemessener Zeit prüfbar sein (§ 145 Abs. 1 Satz 1 AO). Geschäftsvorfälle müssen sich in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen (§ 145 Abs. 1 Satz 2 AO). Dazu müssen Aufbau und Ablauf des Buchführungssystems schlüssig dokumentiert und diese Dokumentationsunterlagen (sog. Verfahrensdokumentation) aufbewahrt werden. [5]

Nur durch eine Aufbewahrung wird der Nachweis der Übereinstimmung zwischen Verfahrensdokumentation einschließlich EDV-Dokumentation und dem tatsächlich arbeitenden Programm in allen Einzelheiten sichergestellt. Zudem können anhand einer technischen Umwandlungsliste etwaige Änderungen des Programms eindeutig verfolgt werden. Folglich ist die Aufbewahrung einer Umwandlungsliste unverzichtbar für die Beweiskraft der Verfahrensdokumentation im Rahmen der Systemprüfung [6] oder als Belegersatz bei Dauerbuchungen. [7]

II. Art und Umfang der Verfahrensdokumentation im Tax-CMS

Ein Tax-Compliance-Management-System (Tax-CMS) ist ein abgegrenzter Teilbereich eines Compliance-Management-Systems, dessen Zweck die vollständige und zeitgerechte Erfüllung steuerlicher Pflichten ist. Der Begriff des Tax-CMS ist ebenso ein Hilfsterminus wie der Begriff der Verfahrensdokumentation. Strafrechtlicher Kern bei der Steuerhinterziehung ist die grundlegende Unterscheidung von Vorsatz und Fahrlässigkeit. [8] Hat der Stpfl. ein innerbetriebliches Kontrollsystem (IKS) eingerichtet, das der Erfüllung der steuerlichen Pflichten dient, kann dies ggf. ein Indiz darstellen, das gegen das Vorliegen eines Vorsatzes oder der Leichtfertigkeit spricht. Jedoch befreit dies nicht von einer Prüfung des jeweiligen Einzelfalls. [9]

Da sich die Ordnungsmäßigkeit neben den elektronischen Büchern und sonst erforderlichen Aufzeichnungen auch auf die damit in Zusammenhang stehenden Verfahren und Bereiche des DV-Systems bezieht, muss letztlich für jedes DV-System eine übersichtlich gegliederte Verfahrensdokumentation [10] vorhanden sein, aus der folgende Elemente des DV-Verfahrens vollständig und schlüssig ersichtlich sind:

  • Inhalt,

  • Aufbau,

  • Ablauf und

  • Ergebnisse.

Der Umfang der im Einzelfall erforderlichen Dokumentation wird dadurch bestimmt, was zum Verständnis des DV-Verfahrens, der Bücher und Aufzeichnungen sowie der aufbewahrten Unterlagen notwendig ist. Die Verfahrensdokumentation muss letztlich verständlich und damit für einen sachverständigen Dritten in angemessener Zeit nachprüfbar sein. Die konkrete Ausgestaltung der Verfahrensdokumentation ist abhängig von der Komplexität und Diversifikation der Geschäftstätigkeit und der Organisationsstruktur des Unternehmens sowie vom eingesetzten DV-System.

Eine technische Verfahrensdokumentation besteht hierbei i. d. R. aus einer allgemeinen Beschreibung, einer Anwenderdokumentation, einer technischen Systemdokumentation und einer Betriebsdokumentation. Für den Zeitraum der Aufbewahrungsfrist muss gewährleistet und nachgewiesen sein, dass das in der Dokumentation beschriebene Verfahren dem in der Praxis eingesetzten Verfahren entspricht. Dies gilt insbesondere für die eingesetzten Versionen der Programme (Programmidentität). Änderungen einer Verfahrensdokumentation müssen historisch nachvollziehbar sein. Dem wird genügt, wenn die Änderungen versioniert sind und eine nachvollziehbare Änderungshistorie vorgehalten wird. Aus der Verfahrensdokumentation muss sich zudem ergeben, wie die Ordnungsvorschriften [11] und die dadurch gestellten Anforderungen beachtet werden. Die Aufbewahrungsfrist für die Verfahrensdokumentation läuft nicht ab, soweit und solange die Aufbewahrungsfrist für die Unterlagen noch nicht abgelaufen ist, zu deren Verständnis sie erforderlich ist.

Die Verfahrensdokumentation beschreibt im Ergebnis die organisatorischen und technisch gewollten Prozesse im Unternehmen als Ganzes und umfasst damit auch die Beschreibung der unternehmensspezifischen Funktion und Verwendung der jeweils eingesetzten elektronischen Aufzeichnungssysteme. Auch die Beschreibung des internen Kontrollsystems (IKS) ist regelmäßiger Bestandteil der VerS. 739fahrensdokumentation. [12] Bei elektronischen Aufzeichnungssystemen kommt insbesondere der technischen Systemdokumentation eine zentrale Bedeutung zu. Alle Funktionen des elektronischen Kassensystems, [13] die Art und Weise der Datenverarbeitung und Datenspeicherung in der hinterlegten Datenbank sowie verwendete Sicherungsmechanismen zur Verhinderung unerkannter nachträglicher Veränderungen an den Daten sind nachvollziehbar zu dokumentieren. Fehlen Programmierungsunterlagen bzw. Protokolle nachträglicher Programmänderungen, stellt dies einen schweren formellen Mangel der Buchführung dar. [14]

Hinweis

Auf Anforderung der Finanzbehörde ist die Verfahrensdokumentation zum eingesetzten Aufzeichnungssystem einschließlich der Informationen zur zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung vorzulegen, d. h. es sind Bedienungsanleitungen, Programmieranleitungen und Datenerfassungsprotokolle über durchgeführte Programmänderungen vorzulegen. Darüber hinaus sind weitere Auskünfte zu erteilen. [15]

III. Alternativer Dokumentationsansatz

Soweit eine fehlende oder ungenügende Verfahrensdokumentation die Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit der Buchführung nicht beeinträchtigt, liegt kein formeller Mangel mit sachlichem Gewicht vor, der zum Verwerfen der Buchführung führen kann. Daher kann in Einzelfällen eine zumindest formelle Mangelhaftigkeit der Buchführung durch einen alternativen Dokumentationsansatz entkräftet werden. Hierbei bietet es sich an, zumindest in internationalen Konzerngruppen eine anwenderspezifische IDEA-Anleitung bei atypischen ERP-Systemen zu entwickeln. Dieser Ansatz kann mit unternehmensspezifischen Kontenüberleitungen u. U. eine alternative Dokumentation liefern.

IV. Maßstäbe zur Schätzung der Buchführung

Eine Korrektur der Buchführung durch eine Schätzung nach § 162 Abs. 1 bis 3 AO darf erst dann erfolgen, wenn und soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, eine gezielte Korrektur also nicht möglich ist. [16] Die Buchführung und die Aufzeichnungen des Stpfl., die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, sind insoweit der Besteuerung zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden (§ 158 AO).

Hierbei setzt die formelle Ordnungsmäßigkeit der Dokumentationsunterlagen voraus, dass alle Ordnungsvorschriften der §§ 140 ff. AO [17] erfüllt sind. Für die Prüfung der formellen Ordnungsmäßigkeit der Buchführung ist jedoch das Gesamtbild aller Umstände im Einzelfall maßgebend, so dass eine Buchführung trotz einzelner formeller Mängel aufgrund der Gesamtwertung noch als formell ordnungsmäßig gelten kann. Insoweit kommt der sachlichen Gewichtung der einzelnen Mängel ausschlaggebende Bedeutung zu. [18] Letztlich ist schlüssig zu begründen, warum aus formellen Fehlern der Buchführung im konkreten Einzelfall eine Schätzungsbefugnis erwachsen soll. [19] Eine Buchführung ist nämlich erst dann insgesamt formell ordnungswidrig, wenn sie wesentliche Mängel aufweist oder die Gesamtheit aller (unwesentlichen) Mängel diesen Schluss fordert. [20]

V. Fazit

Hat der Stpfl. ein wirksames Tax-CMS eingerichtet, das der Erfüllung der steuerlichen Pflichten dient, kann dieses indizielle, strafrechtliche Signalwirkung entfalten, befreit jedoch letztlich nicht von einer Prüfung des jeweiligen Einzelfalls. Neben der praktischen Überlassung der digitalen Buchhaltungsunterlagen mittels GDPdU-Überlassung kommt der Erstellung und Überlassung einer technischen Verfahrensdokumentation an die Finanzverwaltung bei steuerlichen Außenprüfungen praktische Bedeutung zu. Inwieweit der formelle Mangel einer nicht ausreichenden technischen Verfahrensdokumentation die Rechtsfolge einer potenziellen Schätzungsbefugnis auslösen kann, ist in der Praxis umstritten.

Eine technische Verfahrensdokumentation stellt grds. eine „sonstige Organisationsunterlage“ i. S. des § 147 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO dar. Die Verfahrensdokumentation besteht hierbei i. d. R. aus einer allgemeinen Beschreibung, einer Anwenderdokumentation, einer technischen Systemdokumentation sowie letztlich einer Betriebsdokumentation. Soweit in praktischen Einzelfällen eine fehlende oder ungenügende Verfahrensdokumentation die Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit der Buchführung nicht beeinträchtigt, liegt im Ergebnis aber regelmäßig kein formeller Mangel mit sachlichem Gewicht vor, der zum Verwerfen der Buchführung führen kann.

In Einzelfällen kann nämlich eine u. U. formelle Mangelhaftigkeit der Buchführung [21] durch einen alternativen Dokumentationsansatz entkräftet werden. Hierbei bietet es sich an, zumindest in internationalen Konzerngruppen eine anwenderspezifische IDEA-Anleitung bei atypischen ERP-Systemen zu entwickeln. Dieser Ansatz kann sodann mit unternehmensspezifischen Kontenüberleitungen eine u. U. alternative Dokumentation zur technischen Verfahrensdokumentation begründen.

VI. Ausblick

Der deutsche Gesetzgeber hat bis zum  die Richtlinie (EU) 2021/514 vom  zur Änderung der sog. Amtshilferichtlinie (DAC 7) in nationales Recht umzusetzen. Am  hatte das BMF daher den Referentenentwurf eines Umsetzungsgesetzes veröffentlicht. Diesem S. 740folgte am  auch der Regierungsentwurf der Bundesregierung. In der Hauptsache wird damit eine Verpflichtung für Betreiber digitaler Plattformen geschaffen, an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) jährlich spezifische Informationen zu melden, die eine Identifizierung der auf den Plattformen aktiven Anbieter sowie der steuerlichen Bewertung der realisierten Transaktionen ermöglichen. Hierbei sind insbesondere auch Regelungen zur Beschleunigung von Außenprüfungen enthalten. [22]

Aus Sicht der kleinen und mittleren Unternehmen – sog. KMU – und deren steuerlichen Beratern beginnen Außenprüfungen in Deutschland nämlich meist mehrere Jahre nachgelagert zum jeweiligen Veranlagungsjahr und dauern insgesamt zu lange. So können zwischen dem betrachteten Veranlagungsjahr und einer bestandskräftigen oder gar rechtskräftigen Entscheidung rasch mehr als fünf Jahre liegen. Jahrelanges Warten auf Rechtssicherheit, verbunden oftmals mit Zinsbelastungen, ist die Folge für die Stpfl. Das bestehende Instrument der zeitnahen Betriebsprüfung beseitigt dieses Kernproblem von KMU leider überwiegend nicht. Hierbei kann die Finanzbehörde Stpfl. bereits unter bestimmten Voraussetzungen für eine sog. zeitnahe Betriebsprüfung auswählen.

Eine Betriebsprüfung ist demnach zeitnah, wenn der Prüfungszeitraum einen oder mehrere Besteuerungszeiträume umfasst. Grundlage zeitnaher Betriebsprüfungen sind die Steuererklärungen (vgl. § 150 AO) der zu prüfenden Besteuerungszeiträume (vgl. § 4a Abs. 1 f. BpO). Die einzelnen Bundesländer schränken die Anwendung jedoch regelmäßig faktisch auf Großbetriebe ein. Während diese mit Tempo geprüft werden, bleiben vorwiegend KMU auf der Strecke. Nachbarländer, wie Österreich und die Niederlande, wirken der langen Verfahrensdauer mit dem Konzept der sog. „begleitenden Kontrolle“ entgegen. Dieses verspricht deutlich früher Rechtssicherheit durch eine veranlagungsnahe Überprüfung der Stpfl. Statt einer umfassenden Reform, die endlich auch die Bedürfnisse der KMU berücksichtigt, schraubt die Umsetzung nach DAC 7 daher lediglich minimalinvasiv am bestehenden System. Es besteht insoweit ein deutlich höheres Risiko, dass eine Betriebsprüfung allein durch zusätzliche Belastungen für Stpfl. und deren Berater beschleunigt werden wird. [23]

Aus praktischem Anlass hatte das Bundeskabinett am  zudem einen Vorschlag zu testweisen Erleichterungen in Betriebsprüfungen vorgelegt. Dieses unter der Voraussetzung, dass betroffene Unternehmensvehikel ein wirksames Tax-CMS implementiert haben. Eine Versuchsphase sollte voraussichtlich in den Jahren 2023 bis 2027 für engagierte Unternehmen möglich sein. Sofern nach dem Reformvorschlag im Rahmen einer laufenden Betriebsprüfung die Wirksamkeit eines unternehmensseitigen Tax-CMS bestätigt worden wäre, sollte die zuständige Finanzbehörde in Kooperation mit dem BZSt für eine nachfolgende Außenprüfung etwaige Erleichterungen verbindlich zusagen können. Eine antragsbezogene Zusage sollte hierbei regelmäßig unter dem Vorbehalt des Widerrufs stehen. Der Regierungsentwurf zur Umsetzung von DAC 7 greift diese auch von Seiten der Wirtschaft mildernd geforderte Berücksichtigung von Tax-CMS jedoch letztlich nicht weiter auf. Ungeachtet dessen schießen aber Stellenausschreiben als sog. „Tax Compliance Officer“ & Co. – gerade bei in Konzernstrukturen tätigen Unternehmensvehikeln – aus dem durstigen Steuerfundament. Eine weitere praktische Entwicklung bleibt diesbezüglich zu beobachten. Durch die gesetzgeberischen Neuerungen nach DAC 7 wird zudem ein neuer § 153 Abs. 4 AO-E zur Erweiterung der Berichtigungspflicht nach § 153 AO gesetzgeberisch implementiert werden. Der bestehende § 153 AO soll nach dem geplanten neuen Absatz 4 dahingehend erweitert werden, dass eine Anzeige- und Berichtigungspflicht ferner besteht, wenn Prüfungsfeststellungen einer Außenprüfung unanfechtbar in einem Steuerbescheid, einem Feststellungsbescheid (vgl. § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO) oder einem Teilabschlussbescheid (vgl. § 180 Abs. 1a AO) umgesetzt worden sind und die den Prüfungsfeststellungen zugrunde liegenden Sachverhalte auch in einer anderen vom oder für den Stpfl. abgegebenen Erklärung, die nicht Gegenstand der Außenprüfung war, zu einer Änderung der Besteuerungsgrundlagen führt. [24]

Autor

Dipl.-Finw. (FH) Thomas Rennar
ist Tax Manager eines weltmarktführenden Life-Science-Konzerns (Luxemburg), Hamburg. Er verantwortet den Geschäftsbereich inländischer Betriebsprüfungen & Abzugsteuern. Er verfügt zudem über umfassende Berufserfahrung aus der Bundesfinanzverwaltung sowie der Steuer- und steuerzentrierten Rechtsberatung an wichtigen Wirtschaftsstandorten.

Fundstelle(n):
StuB 19/2022 Seite 737
NWB NAAAJ-22988


1Vgl. bereits RennarStuB 2021 S. 780 NWB MAAAH-90178.

2Vgl.  :001 NWB TAAAH-23416, BStBl 2019 I S. 1269; AEAO zu § 147 AO, Nr. 2 f., m. w. N.

3Vgl.  :001 NWB TAAAH-23416, BStBl 2019 I S. 1269.

4Vgl. KleinAO, § 147 Rz. 21.

5Vgl. Tipke/KruseAO/FGO§ 147 AO Rz. 10.

6Zur bisherigen Ablaufhemmung bei Schlussbesprechung einer Betriebsprüfung im Konzernverbund, vgl. Rennar, BBP 2022 S. 113.

7Vgl. Tipke/KruseAO/FGO§ 147 AO Rz. 13, m. w. N.

8Vgl. weitergehend Damas, DB 2020 S. 1536, m. w. N.

9Vgl.  IV A 4 - S 0324/14/10001 NWB XAAAF-74527, BStBl 2016 I S. 490.

10Vgl. differenziert  :001 NWB TAAAH-23416, BStBl 2019 I S. 1269.

11Vgl. z. B. §§ 145 ff. AO§§ 238 ff. HGB.

12Hierzu zählen z. B. auch sog. „Kassieranweisungen“ oder „Kassenanweisungen“ bei Kassensystemen.

13Inkl. tatsächlicher Systemkonfigurationen und Programmierungen etc.

14Vgl.  NWB GAAAE-96112, BStBl 2015 II S. 743;  3a, m. w. N.

15Vgl. AEAO zu § 146b AO, Nr. 5.

16Vgl.  NWB LAAAD-52041, BFH/NV 2010 S. 2015.

17Inkl. der außersteuerlichen Regelungen etc.

18Vgl.  NWB GAAAE-96112, BStBl 2015 II S. 743.

19Vgl.  NWB YAAAG-80496, BFH/NV 2018 S. 602.

20Vgl.  NWB PAAAG-52009, BFH/NV 2017 S. 1204; Tipke/KruseAO/FGO§ 158 AO Rz. 13, m. w. N.

21Fehlen einer technischen Verfahrensdokumentation.

22Vgl. hierzu weitergehend bereits Rennar, PIStB 2022 S. 245.

23Vgl. hierzu Stellungnahme des DStV v.  zum RefE-DAC 7.

24Vgl. hierzu weitergehend bereits Arconada Valbuena/RennarAO-StB 2022 S. 292.

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