Unternehmensbewertung: Was, warum, wann und wie?

Die Bewertung von Unternehmen in Deutschland – also in der Praxis insbesondere von Personen- und Kapitalgesellschaften – kann auf unterschiedliche Weise erfolgen.

Grundsätzlich muss zunächst nach der Rechtsform des Unternehmens und der Branche, in der das Unternehmen tätig ist, differenziert werden. Auch der „Reifegrad“ eines Unternehmens (DAX-Konzern bis Start-up) ist bedeutend. Darüber hinaus gibt es eine Reihe weiterer Aspekte, die für die Bewertung relevant sind. So spielen auch die Bestandteile des Gesellschaftsvermögens (z. B. Immobilien, immaterielle Wirtschaftsgüter, Aktien etc.) sowie der Bewertungsanlass (u. a. vorweggenommene Erbfolge, Schenkungen oder Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern) eine Rolle.

Bewertungsanlässe

Für die Methodenwahl ist insbesondere der Bewertungsanlass entscheidend. Dabei kann es im Bereich des Gesellschaftsrechts u. a. um die folgenden Anlässe gehen:

  • Abschluss von Unternehmensverträgen wie Beherrschungs- oder Gewinnabführungsverträge,
  • Unternehmenszusammenschluss/Spaltung,
  • Ausschluss von Minderheitsaktionären (Squeeze-out),
  • Börsengang/Rückzug von der Börse (Delisting),
  • Einziehung von GmbH-Anteilen,
  • Beendigung der Mitgliedschaft in einer Personengesellschaft,
  • Ausscheiden oder Tod eines Mitgesellschafters und Abfindung für dessen Erben,
  • Änderung der Unternehmensstruktur.

Im Bereich des Steuerrechts stehen in der Praxis häufig die folgenden Anlässe im Vordergrund:

  • Erbschaften und Schenkungen, insbesondere Bewertung von Aktien und Betriebsvermögen,
  • Steuerliche Unternehmensumstrukturierungen,
  • Bewertungen im Zusammenhang mit der Nutzung von steuerlichen Verlusten und Zinsvorträgen nach § 8c KStG,
  • Wegzugsbesteuerung,
  • Konzerninterne Übertragung von Beteiligungen/immateriellen Wirtschaftsgütern mit Auslandsbezug,
  • Bewertung von Beteiligungen aus Anlass einer Betriebsprüfung,
  • Grenzüberschreitende Funktionsverlagerungen (§ 1 Abs. 3, Satz 9 ff. AStG),
  • Festsetzung von Verrechnungspreisen und deren Dokumentation.

Darüber hinaus sind Unternehmensbewertungen aber auch im Rahmen von Ehescheidungen, für Schiedsklauseln oder für Purchase-Price-Allocations notwendig bzw. hilfreich.

Methodenwahl

Für jeden Bewertungsanlass und jede Art von Unternehmen muss zunächst die geeignete Bewertungsmethode bestimmt werden. Die Unternehmensbewertungen hängen somit von der jeweiligen Zielsetzung ab. Zum einen gibt es das (vereinfachte) Ertragswertverfahren oder das aus der Betriebswirtschaftslehre stammende Discounted-Cashflow-Verfahren. Zum anderen gibt es Vergleichswertverfahren sowie spezielle Branchenverfahren.

Ferner hat der Gesetzgeber für Zwecke des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes ein einheitlich anzuwendendes (vereinfachtes) Ertragswertverfahren nach den Vorschriften der §§ 199 ff. BewG eingeführt, das allerdings nicht generell zu objektiven bzw. verallgemeinerungsfähigen Werten führt. Es wird aber inzwischen bei nahezu allen steuerlichen Bewertungsanlässen als Marktstandard eingesetzt. Das vereinfachte Ertragswertverfahren bezieht sich auf historische Werte der Jahresergebnisse eines Unternehmens in Deutschland. Die bereinigten, durchschnittlichen Jahresergebnisse der letzten drei Jahre werden mit einem pauschalen Faktor multipliziert und ergeben so den Unternehmenswert. Der besondere Vorteil dieser Methode liegt darin, dass sie in der deutschen Praxis einfach anzuwenden ist, obwohl die Anwendung des gesetzlich definierten Faktors i. d. R. zu sehr hohen Werten führt, die nicht dem Marktwert eines typischen, durchschnittlichen Unternehmens entsprechen.

Einige traditionelle Bewertungsansätze, wie das Buchwertverfahren oder das Stuttgarter Verfahren, gelten inzwischen als ungeeignet für die Ermittlung des tatsächlichen Unternehmenswerts. Dennoch tauchen sie insbesondere in älteren Gesellschaftsverträgen immer noch als verpflichtend auf. Sie sollten daher rechtzeitig durch Lege-artis-Verfahren ersetzt werden.

Besonderheiten bei Immobilien…

Sind Immobilien Teil des Vermögens eines Unternehmens, bestehen Besonderheiten. Führt z. B. eine Anteilsübertragung zur Erhebung von Grunderwerbsteuer, muss ein Grundstück aufgrund der aktuellen Grundsteuerreform neu bewertet werden oder wird ein Grundstück für Zwecke der Erbschaftsteuer bewertet, ist es immer erforderlich, eine isolierte Bewertung des Grundstücks vorzunehmen, die dann als Grundlage für die Bemessung der zu zahlenden Steuer nach dem Bewertungsgesetz dient. Die wichtigste Vorschrift für die Bewertung ist § 9 Abs. 1 BewG, wonach die Bewertung grundsätzlich nach dem sog. gemeinen Wert zu erfolgen hat. Für dessen Ermittlung stellt der Gesetzgeber eine Reihe von Bewertungsmethoden zur Verfügung, die in der Praxis als standardisierte Verfahren zur Ermittlung des Verkehrswerts dienen. Höhere Immobilienwerte führen hier meist zu einer höheren Steuerbelastung, so dass es im Interesse des Steuerpflichtigen ist, eine korrekte Bewertung sicherzustellen. Dazu bietet der Gesetzgeber dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit, einen niedrigeren Verkehrswert nachzuweisen. Dies geschieht i. d. R. auf der Grundlage eines Wertgutachtens.

… und für Zwecke des Erbschaftsteuerrechts

Weitere Besonderheiten bestehen, sofern Immobilien Teil des Vermögens sind, welches als sog. begünstigtes Betriebsvermögen übertragen werden soll. Dafür ist eine Verbundvermögensaufstellung erforderlich, die im Rahmen der Verschonungsregelungen für Betriebsvermögen i. S. der §§ 13a und 13b ErbStG von Bedeutung ist. Sie ist terminologisch und inhaltlich von der Vermögensaufstellung zu unterscheiden, die allein im Rahmen der Bewertung des Betriebsvermögens eines Unternehmens von Bedeutung ist. Die Verbundvermögensaufstellung wurde im Rahmen des Gesetzes zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes im Jahr 2016 gewissermaßen als konsolidierte Betrachtung eingeführt. Soweit ein Betrieb oder eine Gesellschaft Beteiligungen an Personengesellschaften oder unter Beachtung der Mindestbeteiligung Anteile an Kapitalgesellschaften hält, erfolgt nach § 13b Abs. 9 ErbStG eine konsolidierte Betrachtung im Wege einer Verbundvermögensaufstellung. Damit wird sichergestellt, dass das zielgenau und folgerichtig abgegrenzte Vermögen in zutreffender Höhe beim Erwerber erfasst wird.

Die Verbundvermögensaufstellung ist in der Praxis nicht einfach durchzuführen. Das Gesetz lässt viel Interpretationsspielraum, weshalb ein erfahrener Bewerter von Vorteil ist. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass die Finanzverwaltung diverse Anlagen zu den Feststellungserklärungen bereithält, welche die Darstellung der Vermögensverhältnisse erleichtern sollen.

Fazit

Zu den materiellrechtlichen Fragestellungen rund um die Bewertung gesellen sich für die Steuerpflichtigen zuweilen ganz handfeste praktische Probleme: Die Beweislast, ob es sich bei einem gewählten Bewertungsverfahren um ein anerkanntes Verfahren handelt, hat jeweils derjenige, der sich auf dieses Verfahren beruft. Damit muss der Steuerpflichtige z. B. nicht nur einen Wert des Betriebsvermögens ermitteln, er muss sich auch darüber Gedanken machen, dass es sich um ein anerkanntes Verfahren handelt, welches zu einem sachgerechten Wert führt. Eine Unternehmensbewertung „auf eigene Faust“ ist dem Steuerpflichtigen daher nicht zu empfehlen.


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Von Rechtsanwalt Prof. Dr. Florian Haase, Bachelor of Arts Lukas Boelsen, StB Dipl.-Kfm. Sven Müller und Dipl.-Finanzwirt (FH) Philip Nürnberg

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