Vertrauensschutz bei innergemeinschaftlichen Lieferungen und Dienstleistungen

Die Umsatzsteuer verlangt bei steuerentlastenden Tatbeständen vielfach Buch und- Belegnachweise. Hierbei kann es vorkommen, dass der Unternehmer durch falsche Angaben des Geschäftspartners getäuscht wurde, obwohl er die Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmanns erfüllt hat. In solchen Fällen kann der Grundsatz des Vertrauensschutzes den Unternehmer vor unliebsamen Steuernachforderungen schützen – insbesondere bei innergemeinschaftlichen Lieferungen.

Zuletzt entschied der EuGH: Weist die Finanzverwaltung nach, dass der Unternehmer die der Rechnung entsprechenden Umsätze tatsächlich nicht bewirkt hat, so gibt es auch keinen Vertrauensschutz, Urteil vom 27.6.2018 – Rs. C-459/17 und C-460/17.

Dieser Beitrag fasst die Grundsätze zum Vertrauensschutz bei innergemeinschaftlichen Lieferungen zusammen und ist ein Auszug aus der NWB Datenbank. Er ergänzt die BBK-Sonderausgabe zum innergemeinschaftlichen Waren- und Dienstleistungsverkehr: In der Sonderausgabe erfahren Sie auf 150 Seiten alles, was Sie für die rechtssichere Buchung grenzüberschreitender Geschäftsvorfälle wissen müssen, um korrekte Umsatzsteuer-Voranmeldungsdaten an die Finanzverwaltung zu übermitteln.

1. Vertrauensschutzregelungen bei innergemeinschaftlichen Lieferungen

Die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung ist von Voraussetzungen abhängig, die nur der Abnehmer erfüllen kann: Der Abnehmer muss Unternehmer sein und den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erwerben. Außerdem muss der Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangen.

Diese Faktoren kann der liefernde Unternehmer häufig aber nicht überprüfen. Aus diesem Grund wurde in § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG eine Vertrauensschutzregelung für den liefernden Unternehmer geschaffen.

Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit nicht vorliegen, ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.

Die Grundsätze des ordentlichen Kaufmanns und den Haftungsmaßstab bestimmt dabei § 347 HGB: Danach hat ein Kaufmann für die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns einzustehen. Ihn trifft damit bei Durchführung eines Handelsgeschäfts eine erhöhte Sorgfaltspflicht, die in seiner besonderen Sachkunde und Geschäftserfahrung begründet ist. So wird sich ein ordentlicher Kaufmann regelmäßig ein Bild über seinen Handelspartner (Abnehmer/Leistungsempfänger) machen, um einzuschätzen zu können, ob ein Handelsgeschäft möglicherweise risikobehaftet ist.

Hinweis
Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um neue Geschäftsbeziehungen handelt. Bei Bargeschäften hält der BFH es für vertretbar, den Umfang der Sorgfaltspflichten zu erhöhen.


Ebenso setzt nach Ansicht des BFH die Vertrauensschutzregelung voraus, dass der Unternehmer in gutem Glauben gehandelt und alle Maßnahmen ergriffen hat, die vernünftigerweise verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt. Dabei sind alle Gesichtspunkte und tatsächlichen Umstände umfassend zu berücksichtigen. Danach kann sich die zur Steuerpflicht führende Bösgläubigkeit auch aus Umständen ergeben, die nicht mit den Beleg- und Buchangaben zusammenhängen.

Hinweis
Der Unternehmer trägt die Feststellungslast dafür, dass er die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns beachtet hat. Dies ist regelmäßig vom jeweiligen Einzelfall abhängig.

Die Frage, ob der Unternehmer die Unrichtigkeit der Angaben des Abnehmers auch bei Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte, stellt sich aber erst dann, wenn der Unternehmer seinen Nachweispflichten nach §§ 17a , 17b , 17c UStDV vollständig und rechtzeitig nachgekommen ist. Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt.

Entscheidend ist, dass die vom Unternehmer vorgelegten (buch- und belegmäßigen) Nachweise eindeutig und schlüssig auf die Ausführung einer innergemeinschaftlichen Lieferung hindeuten und dass der Unternehmer bei der Nachweisführung – insbesondere mit Blick auf die Unrichtigkeit der Angaben – der Sorgfaltspflicht des ordentlichen Kaufmanns genügte und in gutem Glauben war.

Der gute Glaube ist auf diejenigen Fälle beschränkt, die sich auf die unrichtigen Angaben der Tatbestände des § 6a Abs. 1 UStG beziehen. Dies sind

  • die Unternehmereigenschaft des Abnehmers,
  • die Verwendung des Liefergegenstandes für sein Unternehmen und
  • die körperliche Warenbewegung in den anderen Mitgliedstaat.
Hinweis
Die Vertrauensschutzregelung bezieht sich nicht auf die Richtigkeit der in § 6a Abs. 3 UStG , §§ 17a , 17b, 17c UStDV aufgeführten vom Unternehmer zu erfüllenden Buch- und Belegnachweise.
 
Ausnahmsweise kann Vertrauensschutz im Einzelfall in Betracht kommen, wenn der Unternehmer eine unrichtige USt-IdNr. aufgezeichnet hat, dies jedoch auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte, z. B. weil der Bestimmungsmitgliedstaat die USt-IdNr. des Abnehmers rückwirkend für ungültig erklärt hat. Bei Bargeschäften gelten erhöhte Anforderungen an die Sorgfaltspflicht. In derartigen Fällen ist es dem Unternehmer zumutbar, dass er sich über den Namen, die Anschrift des Abnehmers und ggf. über den Namen, die Anschrift und die Vertretungsmacht eines Vertreters des Abnehmers vergewissert und entsprechende Belege vorlegen kann. Holt ein Vertreter des Abnehmers den Gegenstand beim Unternehmer ab, reicht die alleinige Durchführung eines qualifizierten Bestätigungsverfahrens nach § 18e UStG über die vom Abnehmer verwendete USt-IdNr. nicht aus, um den Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmanns zu genügen.

 

Hinweis
Klärt der Unternehmer Unstimmigkeiten im Sachverhalt nicht auf, ist die Vertrauensschutzregelung von vornherein nicht anwendbar. Insbesondere kann die Vertrauensschutzregelung dann nicht in Anspruch genommen werden, wenn der Lieferer vorsätzlich falsche Nachweise führt, um die Identität des Abnehmers zu verschleiern, um diesem im anderen Mitgliedstaat eine Umsatzsteuerhinterziehung zu ermöglichen.


Der EuGH hat mit Urteil vom 14.6.2017 – Rs. C-26/16 im Zusammenhang mit einer innergemeinschaftlichen Lieferung eines Neuwagens entschieden, dass die Grundsätze des Vertrauensschutzes auch dann gelten, wenn der Erwerber dieses Fahrzeug im Bestimmungsmitgliedstaat weder niedergelassen noch wohnhaft war und das Fahrzeug nur vorübergehend zugelassen war.

Wenn der Verkäufer nicht wusste oder hätte wissen müssen, dass der Umsatz mit einem Steuerbetrug des Erwerbers verknüpft war, und dass er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um seine Beteiligung an diesem Steuerbetrug zu verhindern, kann Vertrauensschutz gewährt werden.

2. Vertrauensschutz bei innergemeinschaftliche Dienstleistungen

Nach § 3a Abs. 2 UStG wird eine Dienstleistung, die an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen erbracht wird, an dem Ort ausgeführt, an dem der Leistungsempfänger sein Unternehmen betreibt. § 3a Abs. 2 UStG regelt nicht, wie der leistende Unternehmer nachzuweisen hat, dass sein Leistungsempfänger Unternehmer ist, der die sonstige Leistung für den unternehmerischen Bereich bezieht.

Verwendet der Leistungsempfänger gegenüber seinem Auftragnehmer eine ihm von einem Mitgliedstaat erteilte USt-IdNr., kann dieser regelmäßig davon ausgehen, dass der Leistungsempfänger Unternehmer ist und die Leistung für dessen unternehmerischen Bereich bezogen wird.

Stellt sich im Nachhinein jedoch heraus, dass die Leistung vom Leistungsempfänger tatsächlich für nicht unternehmerische Zwecke verwendet worden ist, verbleibt es bei der Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung in den anderen Mitgliedstaat. Der Unternehmer hat insoweit Vertrauensschutz.

Hinweis
Voraussetzung ist, dass der leistende Unternehmer nach § 18e UStG von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, sich die Gültigkeit einer USt-IdNr. eines anderen EU-Mitgliedstaats sowie den Namen und die Anschrift der Person, der diese Nummer erteilt wurde, durch das Bundeszentralamt für Steuern bestätigen zu lassen.


Den vollständigen Beitrag zum Vertrauensschutz finden Sie unter WAAAG-45081.

Dipl.-Finanzwirt Karl-Hermann Eckert ist seit 1973 in der Finanzverwaltung tätig und arbeitet seit 2004 im Umsatzsteuerreferat des Ministeriums der Finanzen in Brandenburg. Er hat umfangreiche Erfahrungen in der steuerlichen Außenprüfung gesammelt und beschäftigt sich seit vielen Jahren intensiv mit allen Fragen rund um die Automatisierung und das Kontrollverfahren bei der Umsatzsteuer.


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